Bay­reu­ther Öko­no­men zei­gen: Ver­teu­er­te Lebens­mit­tel las­sen die Kin­der­ar­beit steigen

Symbolbild Bildung

Wenn sich die Lebens­mit­tel in Ent­wick­lungs­län­dern dra­stisch ver­teu­ern, nimmt die Kin­der­ar­beit zu. Zu die­sem Ergeb­nis kommt eine Unter­su­chung der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Prof. Dr. David Sta­del­mann und Ray­mond Frem­pong an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Die Fall­stu­die bezieht sich auf die in den Jah­ren 2009 bis 2012 signi­fi­kant gestie­ge­ne Kin­der­ar­beit in Ugan­da und weist nach, dass die Infla­ti­on der Lebens­mit­tel­prei­se eine wesent­li­che Ursa­che die­ser Ent­wick­lung war. Vor allem Kin­der in Haus­hal­ten, die weder Acker­land besit­zen noch Land­wirt­schaft betrei­ben, wur­den ver­stärkt zur Arbeit her­an­ge­zo­gen. In der renom­mier­ten Fach­zeit­schrift Jour­nal of Deve­lo­p­ment Stu­dies haben die Bay­reu­ther Öko­no­men ihre Ana­ly­sen veröffentlicht.

Die empi­ri­sche Fall­stu­die wer­tet Sta­ti­sti­ken aus, die vom Ugan­da Bureau of Sta­tis­tics bereit­ge­stellt wur­den. Als beson­ders auf­schluss­reich erwie­sen sich dabei die Ugan­da Natio­nal Panel Sur­veys, die ihrer­seits auf Daten der Welt­bank zur welt­wei­ten Ent­wick­lung des Lebens­stan­dards beru­hen. Von 2009 bis 2010 haben mehr als ein Vier­tel der ugan­di­schen Kin­der gear­bei­tet: rund 26 Pro­zent in der Land­wirt­schaft, rund 4 Pro­zent in ande­ren Berei­chen. Von 2011 bis 2012 hin­ge­gen lag der Anteil der arbei­ten­den Kin­der bei ins­ge­samt 35 Pro­zent. Par­al­lel zu die­sem Anstieg der Kin­der­ar­beit erhöh­ten sich die Lebens­mit­tel­prei­se von 2009 bis 2012 um etwa 48 Prozent.

Die­se dra­sti­sche Ver­teue­rung hat, wie die Autoren der Stu­die zei­gen, erheb­lich zur ver­stärk­ten Erwerbs­tä­tig­keit von Kin­dern bei­getra­gen, und zwar in dop­pel­ter Hin­sicht: Einer­seits wur­den eine deut­lich grö­ße­re Zahl von Kin­dern als Arbeits­kräf­te ein­ge­setzt, ande­rer­seits lei­ste­ten vie­le Kin­der deut­lich mehr Arbeits­stun­den als zuvor. Vor allem älte­re Kin­der im Alter zwi­schen 10 und 14 Jah­ren waren von die­ser Ent­wick­lung betrof­fen, aber auch Kin­der zwi­schen 5 und 9 Jah­ren waren vom Anstieg der Kin­der­ar­beit nicht aus­ge­nom­men. „Infol­ge der schock­ar­ti­gen Ver­teue­rung der Lebens­mit­tel haben vie­le Haus­hal­te in Ugan­da nach Wegen gesucht, um das Fami­li­en­ein­kom­men zu erhö­hen und den Lebens­stan­dard nicht ein­bre­chen zu las­sen. Auch die Kin­der muss­ten durch Erwerbs­ar­beit dazu bei­tra­gen“, erklärt Ray­mond Frem­pong aus Gha­na, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth als Juni­or Fel­low der inter­na­tio­na­len Gra­du­ier­ten­schu­le für Afri­ka­stu­di­en (BIGS­AS) promoviert.

„Wie die Stu­die zeigt, gelingt es Fami­li­en mit Land­be­sitz bes­ser, die dra­sti­sche Infla­ti­on der Lebens­mit­tel­prei­se aus­zu­glei­chen. Sie kön­nen ihre Ein­kom­men dadurch stei­gern, dass sie unge­nutz­te land­wirt­schaft­li­che Flä­chen ver­pach­ten oder den Anbau von Kul­tur­pflan­zen aus­wei­ten und inten­si­vie­ren. Wäh­rend sie als Kon­su­men­ten unter der Infla­ti­on lei­den, haben sie als Pro­du­zen­ten und Anbie­ter durch­aus die Chan­ce, höhe­re Gewin­ne zu erzie­len. Gleich­wohl sehen sich auch Fami­li­en mit Land­be­sitz oft genö­tigt, die Arbeits­kraft von Kin­dern zu nut­zen, um den sprung­haf­ten Anstieg der Lebens­mit­tel­prei­se aus­zu­glei­chen. Gegen die Infla­ti­on als sol­che kön­nen land­wirt­schaft­li­che Betrie­be in Ugan­da wenig unter­neh­men. Ein rele­van­ter Teil der in Ugan­da kon­su­mier­ten Lebens­mit­tel wird aus dem Aus­land impor­tiert, und es waren vor allem die­se Waren, die sich von 2009 bis 2012 auf den inter­na­tio­na­len Märk­ten rapi­de ver­teu­ert hatten.

Die Bay­reu­ther Öko­no­men beto­nen, dass Ugan­da nur ein Fall­bei­spiel dafür ist, wie sich eine Infla­ti­on der Lebens­mit­tel­prei­se auf die Erwerbs­tä­tig­keit von Kin­dern in Ent­wick­lungs­län­dern aus­wirkt. Nach Anga­ben der Inter­na­tio­na­len Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on (ILO) lei­sten heu­te rund 170 Mil­lio­nen Kin­der Erwerbs­ar­beit, dies sind etwa 11 Pro­zent aller Kin­der welt­weit. In den sub­sa­ha­ri­schen Län­dern Afri­kas sind es sogar mehr als 20 Pro­zent. „Wir wis­sen mitt­ler­wei­le, dass eine inten­si­ve Erwerbs­tä­tig­keit von Kin­dern deren intel­lek­tu­el­le und emo­tio­na­le Ent­wick­lung behin­dert – vor allem dann, wenn der Schul­be­such dadurch über län­ge­re Zeit ein­ge­schränkt wird oder unmög­lich ist. Auch die Risi­ken für die gesund­heit­li­che Ent­wick­lung stei­gen. In vie­len Län­dern führt Kin­der­ar­beit des­halb dazu, dass Bil­dungs­po­ten­zia­le unzu­rei­chend genutzt wer­den, was die wirt­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Ent­wick­lung die­ser Län­der lang­fri­stig beein­träch­tigt. Die For­schung soll­te sich des­halb ver­stärkt den öko­no­mi­schen Ursa­chen der Erwerbs­tä­tig­keit von Kin­dern zuwen­den“, erklärt Prof. Dr. David Sta­del­mann, Inha­ber des Lehr­stuhls für Ent­wick­lungs­öko­no­mik an der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Ver­öf­fent­li­chung:
Ray­mond B. Frem­pong, David Sta­del­mann: The Effect of Food Pri­ce Chan­ges on Child Labour: Evi­dence from Ugan­da. The Jour­nal of Deve­lo­p­ment Stu­dies (2018), DOI: 10.1080/00220388.2018.1448066