Arti­kel­se­rie: Ener­gie­wen­de ja – aber wie? 68. Regel­en­er­gie – Regelleistung

Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl
Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Im Zusam­men­hang mit der Ener­gie­wen­de wird häu­fig der Bedarf an Regel­en­er­gie als Pro­blem dar­ge­stellt. Die­ses Pro­blem exi­stier­te aber auch schon bei der rein fos­sil betrie­be­nen Erzeu­gung von elek­tri­scher Ener­gie. Was ist also „Regel­en­er­gie“ und wozu braucht man sie?

Wir haben schon mehr­fach fest­ge­stellt, dass sich die Bela­stung des Strom­net­zes stän­dig ändert wenn Ver­brau­cher zu- oder abge­schal­tet wer­den, und dass sich die strom­lie­fern­den Kraft­wer­ke die­sen Ände­run­gen sekun­den­ge­nau anpas­sen müs­sen (s.a. Kapi­tel 6). Die­se Ände­run­gen über­la­gern die sog. Grund­last des Net­zes. Sie kön­nen – bezo­gen auf die Grund­last – posi­tiv sein, wenn mehr elek­tri­sche Ener­gie von den Ver­brau­chern ange­for­dert wird, oder nega­tiv, wenn eini­ge Ver­brau­cher abge­schal­tet wer­den. Die­se Ände­run­gen kön­nen im Tages­ver­lauf lang­sam auf­tre­ten, z.B. im Tag-Nacht-Rhyth­mus wenn mor­gens die Büros und Betrie­be hoch­lau­fen. Sie kön­nen sehr schnell auf­tre­ten, z.B. um die Mit­tags­zeit, wenn vie­le Haus­hal­te Herd und Mikro­wel­len ein­schal­ten, oder abends, wenn der Kri­mi oder eine Fuß­ball­über­tra­gung beginnt. Die­se Last­spit­zen kön­nen in Sum­me u.U. genau so groß sein wie die Grund­last. Wür­de die Strom­ein­spei­sung in das Netz nicht die­sen Bela­stungs­än­de­run­gen nach­ge­führt wer­den, so hät­te dies erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Qua­li­tät der Strom­ver­sor­gung, und zwar sowohl auf die Span­nung als auch auf die Fre­quenz. Bei stei­gen­dem Bedarf – Unter­ver­sor­gung im Netz – wür­den Span­nung und Fre­quenz absin­ken, mit der Fol­ge, dass vie­le Gerä­te nicht mehr ord­nungs­ge­mäß arbei­ten wür­den. Bei sin­ken­dem Bedarf – Über­ver­sor­gung im Netz – wür­den Span­nung und Fre­quenz stei­gen mit der Fol­ge von Schä­den in den ange­schlos­se­nen Gerä­ten. Des­halb muss die Strom­pro­duk­ti­on mög­lichst schnell dem Bedarf ange­passt bzw. „nach­ge­re­gelt“ wer­den. In das Netz muss also kurz­fri­stig mehr Strom ein­ge­speist wer­den (posi­ti­ve Regel­en­er­gie), oder bei Ener­gie­über­schuss weni­ger ein­ge­speist oder mehr Ver­brau­cher zuge­schal­tet wer­den (nega­ti­ve Regelenergie).

Nun sind aber die Haupt­er­zeu­ger für die Grund­last in der klas­si­schen Strom­ver­sor­gung, die gro­ßen, mit Braun­koh­le oder Kern­kraft beheiz­ten Dampf­kraft­wer­ke, für sol­che Regel­auf­ga­ben denk­bar unge­eig­net (s.a. die Kapi­tel 9 ‑11). Für schnel­le Ände­run­gen sind sie zu trä­ge; gro­ße Ände­run­gen, vor allem in den nega­ti­ven Bereich, wür­den zu sehr unwirt­schaft­li­chen Betriebs­zu­stän­den füh­ren. Des­halb ist man bestrebt die­se gro­ßen Dampf­kraft­wer­ke mög­lichst gleich­mä­ßig durch­lau­fen zu las­sen, und die Regel­auf­ga­ben auf ande­re, klei­ne­re und schnel­ler regel­ba­re Kraft­werks­ein­hei­ten zu ver­la­gern. Hier­für beson­ders geeig­net sind bestimm­te Was­ser­kraft­wer­ke, Gas­kraft­wer­ke und auch klei­ne­re Steinkohlekraftwerke.

Als Maß für die Steue­rung der Regel­lei­stung dient die Abwei­chung der Fre­quenz vom Soll­wert 50 Hz. Die Ein­grif­fe erfol­gen in meh­re­ren Stu­fen. Bei Abwei­chun­gen bis zu 0,01 Hz (0,02 %) erfol­gen noch kei­ne Ein­grif­fe, sog. „Tot­band“. Bei grö­ße­ren Abwei­chun­gen müs­sen zunächst die pri­mä­ren Kraft­wer­ke inner­halb von 30 s ihre Regel­lei­stung zur Ver­fü­gung stel­len. Um jedoch auch in die­ser Betriebs­pha­se deren wirt­schaft­li­chen Betrieb zu erhal­ten wird die­se auf 2 % der jewei­li­gen Nenn­lei­stung und auf eine Dau­er von maxi­mal 15 min begrenzt. Ist dies nicht aus­rei­chend kom­men wei­te­re Regel­kraft­wer­ke ins Spiel, die spä­te­stens nach 15 min den Bedarf an Regel­lei­stung – u.U. auch mehr als 2 % – über­neh­men müs­sen. Ist posi­ti­ve Regel­en­er­gie erfor­der­lich (Unter­ver­sor­gung im Netz), wer­den Regel­kraft­wer­ke zuge­schal­tet bzw. hoch­ge­fah­ren, die dann ihre vol­le Regel­lei­stung inner­halb von 5 min zur Ver­fü­gung stel­len müssen.

Ist nega­ti­ve Regel­en­er­gie erfor­der­lich (Über­ver­sor­gung im Netz), wer­den die­se Regel­kraft­wer­ke zunächst gedros­selt bzw. ganz abge­schal­tet. Reicht das nicht aus, müs­sen zusätz­li­che Ver­brau­cher zuge­schal­tet wer­den. Hier­für wur­den seit jeher Pump­spei­cher­kraft­wer­ke ein­ge­setzt, die die­se über­schüs­si­ge Ener­gie spei­chern und dann spä­ter wie­der als posi­ti­ve Regel­en­er­gie zur Ver­fü­gung stel­len kön­nen. Wei­ter­hin bie­tet sich an, die­se über­schüs­si­ge Ener­gie in ande­re Ener­gie­for­men umzu­wan­deln und zu spei­chern, um sie dann zeit­ver­setzt ander­wei­tig zu ver­wen­den. Bei­spie­le hier­für waren schon immer Elek­tro­den­kes­sel (Power-to-heat) und Nacht­spei­cher­hei­zun­gen für die Wär­me­ver­sor­gung, oder in zuneh­men­den Maße nach einer Elek­tro­ly­se – Umwand­lung in Gas (Power-to-gas) mit sei­nen viel­fäl­ti­gen ander­wei­ti­gen Ver­wen­dungs­mög­lich­kei­ten, ein­schließ­lich der Rück­ver­stro­mung für posi­ti­ve Regelenergie.
Wei­te­re Details s.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Regelleistung_%28Stromnetz%29.

Fazit: Die Ursa­che für die Bela­stungs­än­de­run­gen im Netz liegt aus­schließ­lich bei den Ver­brau­chern. Die Ursa­che, dass für die Anpas­sung an die­se Ände­run­gen spe­zi­el­le Regel­kraft­wer­ke benö­tigt wer­den, hat tech­ni­sche und wirt­schaft­li­che Grün­de bei den pri­mä­ren Strom­erzeu­gern (gro­ße Dampf­kraft­wer­ke). Sie sind tech­nisch nicht in der Lage, den schnel­len Bela­stungs­än­de­run­gen im Netz zu fol­gen. Län­ge­re Abwei­chun­gen von dem wirt­schaft­lich gün­stig­sten Betriebs­be­reich füh­ren zu schlech­te­ren Wir­kungs­gra­den und einem höhe­ren Ver­schleiß die­ser Kraftwerke.

Wie sich jetzt die Ener­gie­wen­de auf die­se Pro­ble­ma­tik aus­wirkt betrach­ten wir im näch­sten Kapitel.

Die­ter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www​.bfb​-ener​gie​.de

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