Firmen nicht für die Digitalisierung gerüstet: Studie der Universität Bayreuth enthüllt Defizite
Die Digitalisierung überholt die Unternehmen – und die IT-Verantwortlichen haben noch keine Antworten auf zentrale Fragen der IT-Gestaltung. Das ist zusammengefasst die Erkenntnis einer Studie der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT an der Uni Bayreuth gemeinsam mit der Managementberatung A.T. Kearney.
Interviews mit zehn Chief Information Officers (CIOs) international agierender Unternehmen und eine Online-Umfrage mit 140 internationalen Führungskräften der oberen Führungsebenen brachten ernüchternde Erkenntnisse: „Vielen ist unklar, worin genau die Bedrohungen bestehen, welche Eigenschaften IT-Setups heute haben müssen und wie die Transformation dorthin aussehen soll“, sagt Prof. Dr. Maximilian Röglinger von der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik. „Die CIOs geben offen zu, bei der Digitalisierung und dem richtigen IT-Setup im Dunkeln zu tappen“, meint Michael Römer, Leiter des Bereichs Digitale Transformation für Europa, den Mittleren Osten und Afrika bei A.T. Kearney.
Mehr als 70 Prozent der Befragten haben zwar bereits eine digitale Agenda, scheitern jedoch oftmals an der Umsetzung: So geben zwei Drittel der Befragten an, ihre IT genüge nicht den Anforderungen an ein digitales Unternehmen – und ein Drittel (27 Prozent) lässt sich als ‚digital deniers‘ bezeichnen, die weder für den digitalen Wandel gerüstet sind, noch diesen systematisch verfolgen. Zwei Drittel der Befragten glauben, dass ihre komplexen und heterogenen Prozesse, Strukturen und IT-Landschaften sie daran hindern, schnell und flexibel auf Veränderungen im Umfeld zu reagieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. „Es ist alarmierend, dass eine überwältigende Mehrheit der Top-Manager meint, ihre IT könne mit dem digitalen Wandel nicht Schritt halten“, sagt Römer.
„Digitale Labs werden von mehr als zwei Dritteln kritisch gesehen, da sie der Systemintegration und Wertschöpfung viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken. In vielen Unternehmen entsteht so eine Lähmung und ein Warten auf die ultimative Lösung, die es nicht gibt.“ Knapp 70 Prozent der Befragten halten IT-Innovationslabore nicht mehr für die richtige Herangehensweise und fast ebenso viele sehen auch das Konzept der bimodalen IT – also die Trennung in eine agile und eine plangetriebene IT – als gescheitert. „Mit Schnellbooten allein werde ich meinen Tanker nicht wenden können“, kommentiert Prof. Röglinger die Ergebnisse der Studie: „Die Lösung liegt in der Integration: Fach- und IT-Seite müssen stärker miteinander verschmelzen. Konzepte wie integrierte Solution Teams, bei denen IT- und Fachexperten gemeinsam die Verantwortung für eine IT-Lösung über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg übernehmen, werden als vielversprechend erachtet.“
Mehr als drei Viertel der Befragten sehen es als zwingend an, die bisherige Trennung zwischen Fach- und IT-Seite zu überwinden. Zugleich ist die Vernetzung in Ökosystemen, in denen mehrere Unternehmen ihre Kompetenzen bündeln, um die Bedürfnisse ihrer Kunden bedienen zu können, in ihren Augen ein kritischer Erfolgsfaktor: 70 Prozent der Befragten wünschen sich daher eine modular aufgebaute IT-Infrastruktur, die es dem Unternehmen erlaubt, an digitalen Ökosystemen teilzuhaben.
Handlungsbedarf sehen die Unternehmen auch bei der Qualifikation und dem digitalen Mindset: 70 Prozent fordern Training und Weiterbildung der Mitarbeiter für die Digitalisierung und überwältigende 90 Prozent verorten den Qualifikationsbedarf auch im mittleren und oberen Management. Mehr Mut zu Veränderung und ein besseres Gespür für digitale Geschäftsmöglichkeiten wie smarte Produkte und Dienstleistungen seien vonnöten. Dabei sind sich drei Viertel einig, dass der digitale Wandel ohne externe Unterstützung nicht zu bewältigen sei.
Die Studie ‚Designing IT Setups in the Digital Age‘ finden Sie hier: http://www.wi.uni-ayreuth.de/de/news/20170623_ATK/index.html
Weitere Infos: www.digital.fim-rc.de/
Hintergrund
Die bundesweit erste Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) vereint die Forschungsbereiche Finanz- & Informationsmanagement in Augsburg und Bayreuth. Sie verbindet ausgewiesene Expertise in Finanzmanagement, Informationsmanagement und Wirtschaftsinformatik, methodisches Know-how auf höchstem wissenschaftlichen Niveau mit einer kunden- und lösungsorientierten Arbeitsweise. FIT unterstützt inter- und transdisziplinär bei der Entwicklung von Digitalisierungsstrategien. www.fit.fraunhofer.de/wi
Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die führende Organisation für angewandte Forschung in Europa. Unter ihrem Dach arbeiten 67 Institute an Standorten in ganz Deutschland. Mehr als 23 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten das jährliche Forschungsvolumen von 2 Milliarden Euro. https://www.fraunhofer.de/
A.T. Kearney zählt zu den weltweit führenden Unternehmensberatungen für das Top-Management und berät sowohl global tätige Konzerne als auch führende mittelständische Unternehmen und öffentliche Institutionen. A.T. Kearney unterstützt Klienten bei der Transformation ihres Geschäftes und ihrer Organisation. www.atkearney.de
Neueste Kommentare