Tou­ris­mus in der Frän­ki­schen Schweiz, Fol­ge 4: Die Roman­ti­ker kommen

Die Burgruine Neideck bei Streitberg. © wiesentbote.de
Die Burgruine Neideck bei Streitberg. © wiesentbote.de

Nach­dem die Regi­on durch die vie­len mit Fos­si­li­en bestück­ten Höh­len in der Wis­sen­schafts­sze­ne bekannt war, kamen die Roman­ti­ker: ver­mö­gen­de Rei­sen­de, Schrift­stel­ler, Maler, Zeich­ner und Stu­den­ten – auf der Suche nach dem Mittelalter.

Dem Land­schafts­ar­chi­tek­ten Fürst Pück­ler, ist schon 1835 bei einem Besuch der Gegend auf­ge­fal­len: „Ich weiß nicht, war­um man, wenn man von der hie­si­gen Gegend spricht, nur immer die Höh­len erwähnt, da doch die­se mir weit weni­ger Ruf zu ver­die­nen schei­nen, als die weit und breit ihres Glei­chen nicht fin­den­de, ganz alter­tüm­lich roman­ti­sche Schön­heit die­ser Täler und beson­ders die, die auf einem ver­hält­nis­mä­ßig gerin­gen Raum fast unbe­greif­lich zusam­men­ge­häuf­te Men­ge teils noch erhal­te­ner, teils zer­stör­ter Schlös­ser und Bur­gen enthält.“

Stich der Burg Rabenstein von Felix Grunewald 1838. Repro: Reinhard Löwisch

Stich der Burg Raben­stein von Felix Gru­ne­wald 1838. Repro: Rein­hard Löwisch

170 Bur­gen und Schlös­ser soll es einst im Mit­tel­al­ter hier gege­ben haben, beteu­ern Bur­gen­for­scher wie Hell­mut Kunst­mann und Gustav Voit. Es gab sie nicht alle auf ein­mal aber wenn, dann waren sie meist auf der Höhe eines Tales, das man mit den Waf­fen einer Burg beherr­schen konn­te, ange­sie­delt. Berühmt und noch heu­te zu besich­ti­gen bei­spiels­wei­se das ein­zi­ge erhal­te­ne „Geschwi­ster­paar“ unter den Bur­gen der Regi­on: Raben­stein und Raben­eck. Bei­de hat­ten den Raben im Wap­pen und im Namen, weil sie dem­sel­ben Herrn gehör­ten und bei­de hat­ten die glei­che Auf­ga­be: das Wie­sent- bezie­hungs­wei­se das Ahorn­tal als Grenz­po­sten zu über­wa­chen und zu sichern. Im 18. Jahr­hun­dert gab es kei­ne gro­ßen Krie­ge mehr, der 30 Jah­re andau­ern­de Schwe­den­ein­fall war lan­ge vor­bei, wehr­haf­te Bur­gen bau­te man in wohn­haf­te Schlös­ser um (wie Schloss Grei­fen­stein) und damit kam die Roman­tik in Form der Lyrik und bil­den­den Kunst ins Spiel; denn sie such­te Erfül­lung unter ande­rem in der Ver­klä­rung des Mit­tel­al­ters als mär­chen­haf­ten Ort. Neben den bei­den „Roman­ti­kern“ Hein­rich Wacken­ro­der und Lud­wig Tieck durch­streif­ten Maler, Zeich­ner und Litho­gra­fen wie Carl Rot­bart, Dome­ni­co Quaglio und Theo­dor Käp­pel auf der Suche nach „roman­ti­schen Ansich­ten“ die Regi­on. Sie hat­ten (im Gegen­satz zu Lud­wig Rich­ter, der sehr genau hin­schau­te und zeich­ne­te) die Ange­wohn­heit, Moti­ve in der Wei­se zu „ver­frem­den“, dass sie den Ansprü­chen einer magi­schen, mysti­schen und über­na­tür­li­chen Welt gerecht wur­den. Fel­sen zeich­ne­ten sie dra­ma­tisch über­höht, ja sie wuch­sen förm­lich in den Him­mel. Bur­gen und Schlös­ser domi­nier­ten in Orten die Sze­ne und taten ein Übri­ges, mär­chen­haft auf den Betrach­ter zu wir­ken. Tieck beschrieb sei­ne Ansicht der Roman­tik in einem Brief an sei­nen Freund Bern­har­di, 1793: „Sie ken­nen mei­ne Vor­lie­be für das roman­ti­sche Mit­tel­al­ter; sol­che Rui­nen sind immer äußerst ehr­wür­dig, für die Phan­ta­sie hat das Mit­tel­al­ter sehr viel Anzie­hen­des und der Ver­stand fin­det es immer kräf­ti­ger und vor­züg­li­cher als unser scha­les Jahrhundert.“

Lud­wig Tieck, „der König der Roman­tik“ und sein Stu­di­en­kol­le­ge Hein­rich Wacken­ro­der, durch­rit­ten 1793 als Stu­den­ten der Erlan­ger Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät die Frän­ki­sche Schweiz und beschrie­ben in zahl­rei­chen Brie­fen ihre Erleb­nis­se und Ein­drücke, die spä­ter unter dem Begriff der „Pfingst­rei­se“, als “Schlüs­sel­werk der Früh­ro­man­tik“ in die Lite­ra­tur­ge­schich­te ein­ging. Wacken­ro­der berich­te­te bei­spiels­wei­se ziem­lich sach­lich: „Um Streit­berg ist eine der schön­sten Land­schaf­ten, die wir auf der gan­zen Rei­se gese­hen haben. Das Dorf liegt am Ein­gang eines Tales, das sich in mäßi­ger Brei­te zwi­schen bewal­de­ten Fel­sen, aus denen aber vie­le nack­te Blöcke und Pfei­ler her­vor­ra­gen, in man­chen Krüm­mun­gen durch­win­det. Durch das Tal schlän­gelt sich die Wie­sent, von klei­nen Büschen ein­ge­fasst und von fri­schen Wie­sen umge­ben.“ Tieck, der Wacken­ro­der ja beglei­te­te, leg­te noch eine ver­klär­te Note drauf und ver­trau­te sei­nem Tage­buch an: „Hin­ter Eber­mann­stadt rei­tet man immer durch ein äußerst roman­ti­sches Tal, durch das sich die Wie­sent in vie­len Krüm­mun­gen schlän­gelt. Zu bei­den Sei­ten hat man ziem­lich hohe Ber­ge, gera­de­aus eben­falls Ber­ge vor sich. Ich habe noch wenig so schö­ne Tage als die­sen genos­sen; es ist eine Gegend, die zu tau­send Schwär­me­rei­en ein­la­det, etwas düster Melan­cho­li­sches und dabei doch so über­aus freund­lich. Oh, die Natur ist doch an Schön­heit uner­schöpf­lich! Hier nur ist der wah­re Genuss, eine schö­ne Gegend ver­edelt den Men­schen, eine schlech­te macht ihn klein­laut und scheu, die erha­be­ne stimmt ihn erhaben.“

200 Jah­re spä­ter, im Jahr 1993 fei­er­te der Gebiets­aus­schuss Frän­ki­sche Schweiz mit gro­ßem Auf­wand das „Roman­ti­ker­jahr“ in Erin­ne­rung an den Besuch der bei­den Stu­den­ten Wacken­ro­der und Tieck im Jah­re 1793. Es gab Aus­stel­lun­gen mit Zeich­nun­gen von Lud­wig Rich­ter in Forch­heim, Kon­zer­te und Vor­trä­ge in der gesam­ten Regi­on, einen Wan­der­füh­rer „5 Tage auf den Spu­ren der Roman­ti­ker“, Denk­mä­ler zur Erin­ne­rung an das Jubi­lä­um in Eber­mann­stadt, Wai­schen­feld und Mug­gen­dorf, Bücher, Gedenk­mün­zen und vie­les mehr. Der Auf­wand hat sich gelohnt, wie man hin­ter­her fest­stell­te: Mit 1,7 Mil­lio­nen Über­nach­tun­gen gab es so vie­le Gäste­über­nach­tun­gen wie in kei­nem Jahr davor oder danach – der Rekord gilt bis heute.

Rein­hard Löwisch

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Über den Autor:

Reinhard Löwisch

Rein­hard Löwisch

Rein­hard Löwisch ist ein „Rei­sen­der wie er im Buch steht“. Als gelern­ter Zug­be­glei­ter arbei­te­te er 14 Jah­re am Haupt­bahn­hof Nürn­berg und lern­te dabei ganz Deutsch­land ken­nen. Von August 1992 bis Juli 2020 war er Mit­ar­bei­ter der Tou­ris­mus­zen­tra­le Frän­ki­sche Schweiz. In den 28 Jah­ren sei­ner Dienst­zeit, bekam er den Tou­ris­mus in der Regi­on “haut­nah“ mit und war bei allen Aktio­nen und Pro­jek­ten ganz vor­ne mit dabei. Dabei hat er eine Men­ge an Erfah­run­gen gesam­melt und sei­ne Lie­be zur Hei­mat­kun­de tat ein Übri­ges, um dar­aus die rich­ti­gen Schlüs­se und Ver­knüp­fun­gen zu zie­hen. Dazwi­schen ver­brach­te der Autor vier Jah­re als „Ruck­sack­tou­rist“ in den USA und Süd­ost­asi­en. Alles zusam­men­ge­nom­men ein rei­cher Wis­sens­schatz den er über Jahr­zehn­te ange­sam­melt hat. Sei­ne Erfah­run­gen in der Hei­mat hat er nun in einem Buch zusam­men­ge­fasst, wor­aus wir in den fol­gen­den Wochen eini­ge The­men vor­stel­len werden.