Urteil im Straf­ver­fah­ren wegen Dop­pel­mor­des in Mistelbach

Symbolbild Justiz

Gro­ße Jugend­kam­mer ver­hängt Jugend­stra­fen von 13 Jah­ren 6 Mona­ten und 9 Jah­ren 6 Monaten

Die 1. Gro­ße Jugend­kam­mer des Land­ge­richts Bay­reuth hat im Straf­ver­fah­ren wegen Dop­pel­mor­des an einem Arzt­ehe­paar in Mistel­bach am vier­zehn­ten Ver­hand­lungs­tag den Ange­klag­ten Felix S. wegen Mor­des in zwei tat­mehr­heit­li­chen Fäl­len zu einer Jugend­stra­fe von 13 Jah­ren und 6 Mona­ten und die mit­an­ge­klag­te Toch­ter der Getö­te­ten, Han­nah S., wegen Mor­des in zwei tat­ein­heit­li­chen Fäl­len zu einer Jugend­stra­fe von 9 Jah­ren und 6 Mona­ten verurteilt.

Zur Über­zeu­gung der Kam­mer steht fest, dass die Ange­klag­ten in der Nacht vom 8. auf den 9. Janu­ar 2022 auf Initia­ti­ve von Han­nah S. deren Eltern, das Arzt­ehe­paar Ant­je S. und Ste­fan S. aus Mistel­bach, gemein­schaft­lich in deren Schlaf­zim­mer töte­ten. Die Kam­mer ist davon über­zeugt, dass die Ange­klag­te Han­nah S. auf­grund eines anlass­lo­sen, über­stei­ger­ten Has­ses gegen ihre Eltern die­se tot sehen woll­te und daher ihren dama­li­gen Freund Felix S. über Mona­te hin­weg mani­pu­lier­te, indem sie sich fälsch­lich als Opfer einer elter­li­chen Unter­drückung und kör­per­li­cher Über­grif­fe durch ihren Vater dar­stell­te. Obwohl Felix S. bereits seit Novem­ber 2021 zunächst tem­po­rär und ab Dezem­ber 2021 dau­er­haft im Ein­fa­mi­li­en­haus der Fami­lie S. gelebt und selbst nie ent­spre­chen­de eige­ne Wahr­neh­mun­gen gemacht hat­te, glaub­te er die fort­lau­fen­den Behaup­tun­gen von Han­nah S. über ihre angeb­lich schreck­li­che Behand­lung durch die Eltern bis zuletzt. Nach­dem bei­de Ange­klag­te noch mit der Fami­lie von Han­nah S. einen gemein­sa­men Fern­seh­abend ver­bracht hat­ten, fass­ten sie in den spä­ten Abend­stun­den des 8. Janu­ar 2022 auf Initia­ti­ve von Han­nah S. den gemein­sa­men Ent­schluss, Ant­je und Ste­fan S. zu töten. Han­nah S. reich­te Felix S. Hilfs­mit­tel zur Tat­aus­füh­rung und bestärk­te die­sen zudem ver­bal in des­sen Ent­schluss zur Tat­be­ge­hung. Sodann begab sich Felix S. am 9. Janu­ar 2022 gegen 00:30 Uhr in Aus­füh­rung des gemein­sa­men Tat­pla­nes in dunk­ler Klei­dung im Schutz der Dun­kel­heit in das im Unter­ge­schoss des Anwe­sens gele­ge­ne Schlaf­zim­mer von Ant­je und Ste­fan S., ver­ge­wis­ser­te sich, dass bei­de schlie­fen und stach sodann mit einer Viel­zahl an Sti­chen zunächst auf Ste­fan S. und anschlie­ßend wie­der­um mit einer Viel­zahl an Sti­chen auf die immer noch schla­fen­de Ant­je S. ein.

Wäh­rend­des­sen sicher­te Han­nah S. die unmit­tel­ba­re Tat­aus­füh­rung ab, ins­be­son­de­re indem sie ihren durch Schreie der Mut­ter auf­ge­wach­ten vier­zehn­jäh­ri­gen Bru­der dar­an hin­der­te, den Eltern zur Hil­fe zu eilen. Im Anschluss an die Tat­aus­füh­rung ver­such­te Felix S., die Tat als Ergeb­nis eines Ein­bruchs erschei­nen zu las­sen. Sodann unter­ban­den die Ange­klag­ten gemein­sam meh­re­re Ver­su­che zwei­er jün­ge­rer Geschwi­ster von Han­nah S., den Not­ruf zu alarmieren.

Hin­sicht­lich bei­der Ange­klag­ter sah die Jugend­kam­mer das Mord­merk­mal der Heim­tücke als erwie­sen an, bei Han­nah S. bejah­te sie wegen des Tat­mo­tivs Hass dar­über hin­aus auch das Mord­merk­mal der nied­ri­gen Beweggründe.

Wäh­rend Felix S. sei­ne eige­ne Tat­be­tei­li­gung von Anfang an ein­räum­te und ab einem spä­te­ren Zeit­punkt auch Han­nah S. bela­ste­te, bestritt die­se ihre Tat­be­tei­li­gung bis zuletzt. Auf­grund des Ergeb­nis­ses der Beweis­auf­nah­me, in der neben vier Sach­ver­stän­di­gen ins­ge­samt 33 Zeu­gin­nen und Zeu­gen ver­nom­men wur­den, dar­un­ter auch zwei min­der­jäh­ri­ge Geschwi­ster von Han­nah S., ist die Gro­ße Jugend­kam­mer gleich­wohl davon über­zeugt, dass auch Han­nah S. die Tat als Mit­tä­te­rin began­gen hat. Ins­be­son­de­re konn­te die Kam­mer eine Falsch­be­zich­ti­gung durch Felix S. ausschließen.

Die Jugend­kam­mer ist davon über­zeugt, dass bei­de Ange­klag­te ein beson­ders hohes Maß an Schuld auf sich gela­den haben. Hin­sicht­lich des Ange­klag­ten Felix S., der die Tat als Her­an­wach­sen­der began­gen hat, hat die Kam­mer auf die Anwen­dung von Jugend­recht ent­schie­den. Wegen der beson­de­ren Schwe­re der Schuld hat sie aller­dings von der seit 2012 gesetz­lich bei Her­an­wach­sen­den bestehen­den Mög­lich­keit Gebrauch gemacht, über das grund­sätz­li­che Höchst­maß von 10 Jah­ren Jugend­stra­fe hin­aus­zu­ge­hen und der Ver­ur­tei­lung einen Straf­rah­men von bis zu 15 Jah­ren Jugend­stra­fe zu Grun­de zu legen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 JGG). Bei der Jugend­li­chen Han­nah S. betrug das Höchst­maß der Jugend­stra­fe dem­ge­gen­über 10 Jahre.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.