Gedan­ken zum 1. Sonn­tag in der Passionszeit

Ver­su­chung

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

Nach einem Wort­wech­sel mit dem König ließ sich der deut­sche Reichs­kanz­ler Bis­marck zu einer gemei­nen Bemer­kung über sei­nen könig­li­chen Herrn hin­rei­ßen, wel­che die­sem natür­lich sogleich hin­ter­bracht wur­de. Andern­tags berich­te­te der Mon­arch Bis­marck offen, was er dem Intri­gan­ten gesagt hat­te: „Einem gro­ßen Mann muss man doch sei­ne klei­nen Feh­ler nach­se­hen.“ Bis­marck gestand ein, sich nie in sei­nem Leben so klein vor­ge­kom­men zu sein.

Das Wort „Ver­su­chung“ ist uns Heu­ti­gen ganz unbe­kannt gewor­den. Und doch: Da gibt es sexu­el­le Ver­su­chun­gen am Arbeits­platz oder beim Durch­blät­tern eines Ero­tik-Kalen­ders, die Ver­su­chung des Alko­hol­miss­brauchs, der Ver­schwen­dungs­sucht, schließ­lich die Ver­su­chung, bei der Steu­er zu schwin­deln oder durch geziel­te Ver­leum­dun­gen, durch unbe­dach­tes Geschwätz ande­ren zu scha­den. „Füh­re uns nicht in Ver­su­chung“, so beten wir im Vater­un­ser. Will Gott uns auf die Pro­be stel­len, ob wir cha­rak­ter­fest sind, fest im Glau­ben stehen?
Bischof Otto Dibe­l­i­us muss­te als Kon­fir­mand fol­gen­de Ver­se aus­wen­dig lernen:

„Fällt mir etwas Arges ein,
denk‘ ich gleich an Dei­ne (Jesu) Pein,
die erlaubt nicht mei­nem Herzen,
mit der Sün­de je zu scherzen.“

Das Mob­bing brei­tet sich wie eine Seu­che aus und führt zu schwe­ren see­li­schen Ver­let­zun­gen. Ich bin immer ganz hilf­los, wenn ich Mit­men­schen deut­lich sage, dass sie mich ver­letzt haben, die aber dar­auf­hin nur kalt­schnäu­zig grin­sen. Da kochen Ver­zweif­lung, Ohn­macht, ja Wut in mir hoch, neben dem Jäh­zorn eines Bis­marck eben­falls tücki­sche Ver­su­chun­gen. Der Teu­fel, so heißt es, woll­te Jesus mit allen Mit­teln zum Abfall brin­gen, bot dem Aus­ge­hun­ger­ten in der Wüste Essen an, zitier­te die Bibel, lock­te mit Geld. Jesus über­stand alle Pro­ben. Er war ganz Mensch wie unser­ei­ner, aber zugleich unend­lich viel mehr.

Ob nun der Mit­mensch, Gott selbst oder die eige­ne Schwä­che hin­ter der jewei­li­gen Ver­su­chung ste­hen, wir ken­nen den rech­ten Pfad. Das Gute sol­len wir tun, die Wahr­heit sagen, den Schwa­chen hel­fen und vor allem auf Gott ver­trau­en. Jesus ging für uns ans Kreuz, nicht weil er es muss­te, son­dern frei­wil­lig, damit wir in der Not einen Trost haben, um unse­re Schuld zu süh­nen, wenn uns die Ver­su­chung doch übermannt.

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de