Zettels Reflexionen: Konditionierungen
Wer sich selbst nicht kennt, kann die Welt nicht verstehen. Wie auch!? Habe ich eine unzutreffende und nicht oder nur oberflächlich reflektierte Vorstellung von mir selbst, kann ich auch alles andere nicht verstehen. Also muss ich zuallererst das eigene Selbst reflektieren und kennen lernen.
Doch dieses Selbst, das ich so lange suchte, war nirgends festzustellen. Mit der Zeit begriff ich, dass es dieses Selbst nicht gibt. Das Studium der Texte von Jiddu Krishnamurti ließen mich mit der Zeit erkennen, dass es ein „Selbst“ nicht gibt. Ich bin nur ein Prozess, der von einer Menge Dinge beeinflusst wird, die aber nicht beeinflussbar sind, solange sie nicht bewusst sind.
Doch das zu erkennen ist das Eine, es in mein Leben zu integrieren, also wirklich zu leben, das ist das Andere. Wie gesagt, ich wusste schon lange, dass die Ich-Identität ganz einfach eine Falle ist, eine Illusion, in der ich – leider sehr beharrlich – feststeckte.
Krishnamurtis Gedanken sind extrem subversiv und waren auch für mich erst einmal psychologisch schwer zu ertragen. Doch je besser ich mich von psychologischen Modellen lösen konnte, desto leichter viel es mir, die Richtigkeit seiner Annahmen zu erkennen.
Was ich mir an Erinnerungen, Emotionen und Gefühlen angeeignet hatte, hindert mich daran, mich zu öffnen für die Stille des Augenblicks, für das Hier und Jetzt, zerrten mich regelrecht immer wieder in die Vergangenheit und damit auch in die Zukunft. Ich steckte wie so viele in den Konditionierungen fest, die mich letztlich ausmachten und auch immer noch zum Teil ausmachen.
Ohne Konditionierungen war ich nicht, was ich im Augenblick war. Was ich wahrnahm und dachte, war konditioniert und konditionierte mich, auch meine Ideale und Wertvorstellungen, Wünsche und Hoffnungen, einfach alles. Das wiederum bedingt, wie ich mich verhielt.
Ich war nichts anderes als Konditionierung. Allein die Sprache mit all ihren Begriffen ist eine mächtige Konditionierung, aus der ich mich nur schwer lösen kann. Aber mit der Zeit habe ich gelernt auch in der Welt der Sprache einfach eine Rolle einzunehmen, aber eine, die mir bewusst ist. Oder ich schweige einfach.
Das Schwierigste und Herausforderndste ist, Konditionierungen nicht lassen zu wollen, sondern wirklich einfach zu lassen; ihnen gegenüber eine gewisse Gleichmut zu gewinnen. Einfach zu merken, wenn ich wieder einmal einer Konditionierung folge und sie ganz einfach zu lassen.
Peter Zettel
ist pensionierter Anwalt. Seit ein paar Jahren ist er begeisterter Motorradfahrer – sein persönlicher Weg der Selbsterkenntnis. Er interessiert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt darüber in seinem Blog zettel.biz.
Alle bisher im Wiesentboten erschienen „Zettels Reflexionen“
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