Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Neu­ar­ti­ge Hel­fer für die Bio­me­di­zin – magne­ti­sche Nano­par­ti­kel aus Bakterien

Aus Bakterien isolierte Magnetosomen. TEM-Bild: René Uebe / Frank Mickoleit.
Aus Bakterien isolierte Magnetosomen. TEM-Bild: René Uebe / Frank Mickoleit.

Magne­ti­sche Nano­par­ti­kel aus Bak­te­ri­en könn­ten schon bald eine bedeu­ten­de Rol­le in der Bio­me­di­zin oder Bio­tech­no­lo­gie ein­neh­men. Forscher*innen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben jetzt ein Ver­fah­ren ent­wickelt und opti­miert, mit dem die Par­ti­kel aus Bak­te­ri­en iso­liert und von Zell­rück­stän­den gerei­nigt wer­den kön­nen. Kul­tu­ren mensch­li­cher Zel­len wei­sen in ersten Labor­ver­su­chen eine gute Ver­träg­lich­keit mit die­sen Nano­par­ti­keln auf. Die in der Zeit­schrift „Acta Bio­ma­te­ri­alia“ vor­ge­stell­ten Ergeb­nis­se sind daher ein wich­ti­ger Schritt auf dem Weg zu bio­me­di­zi­ni­schen Anwen­dun­gen, bei­spiels­wei­se in bild­ge­ben­den Dia­gno­se­ver­fah­ren oder beim ziel­ge­rich­te­ten Trans­port von Wirk­stof­fen in den Organismus.

Magnet­bak­te­ri­en der Spe­zi­es Magne­to­spi­r­il­lum gry­phis­wal­den­se pro­du­zie­ren in ihren Zel­len magne­ti­sche Nano­par­ti­kel, soge­nann­te Magne­to­so­men. Die­se sind ähn­lich einer Per­len­schnur ket­ten­för­mig ange­ord­net. Sie bil­den dadurch eine Art magne­ti­sche Kom­pass-Nadel, mit der sich die Bak­te­ri­en ent­lang des Erd­ma­gnet­felds fort­be­we­gen kön­nen. Im Unter­schied zu che­misch her­ge­stell­ten Nano­par­ti­keln besit­zen Magne­to­so­men eine auf­fäl­lig ein­heit­li­che Form und Grö­ße von etwa 40 Nano­me­tern, eine per­fek­te Kri­stall­struk­tur und in bio­me­di­zi­ni­scher Hin­sicht viel­ver­spre­chen­de magne­ti­sche Eigen­schaf­ten. Zudem sind sie von einer Bio­mem­bran umge­ben, die je nach Bedarf mit zusätz­li­chen bio­che­mi­schen Funk­tio­nen aus­ge­stat­tet wer­den kann. Von daher erscheint es sehr attrak­tiv, die­se Par­ti­kel für den Trans­port medi­zi­ni­scher Wirk­stof­fe im Orga­nis­mus oder für bild­ge­ben­de Dia­gno­stik­ver­fah­ren einzusetzen.

Dr. René Uebe, Bayreuth, an einer 3-Liter-Fermenter-Anlage zur Magnetbakterien-Anzucht. Foto: Christian Wißler.

Dr. René Uebe, Bay­reuth, an einer 3‑Li­ter-Fer­men­ter-Anla­ge zur Magnet­bak­te­ri­en-Anzucht. Foto: Chri­sti­an Wißler.

Für der­ar­ti­ge Anwen­dun­gen hat ein inter­dis­zi­pli­nä­res For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth nun erst­mals not­wen­di­ge Qua­li­täts­kri­te­ri­en defi­niert: Dazu zäh­len ins­be­son­de­re die Gleich­för­mig­keit (Homo­ge­ni­tät) der Magne­to­so­men, ein hoher Rein­heits­grad und die Unver­sehrt­heit der Mem­bran, die jedes ein­zel­ne Magne­to­som umgibt und ihm Sta­bi­li­tät ver­leiht. Nur wenn Magne­to­so­men die­se Eigen­schaf­ten auf­wei­sen, sind sie für bio­me­di­zi­ni­sche und bio­tech­no­lo­gi­sche Zwecke ver­wend­bar. Zugleich ist es den Forscher*innen gelun­gen, ein Ver­fah­ren zu eta­blie­ren, mit dem sich Magne­to­so­men in eben die­ser gefor­der­ten Qua­li­tät aus Bak­te­ri­en scho­nend iso­lie­ren las­sen. Das Ver­fah­ren ist nicht nur im Labor ein­setz­bar, son­dern grund­sätz­lich auch zur Gewin­nung gro­ßer Men­gen geeig­net, wie sie im Fal­le einer brei­ten Anwen­dung in der Bio­me­di­zin und Bio­tech­no­lo­gie benö­tigt werden.

Oben rechts: Zelle des Bakteriums Magnetospyrillum gryphiswaldense mit verketteten Magnetosomen. Unten links: Einzelnes Magnetosom mit Eisenoxid-Kern und Membran. Auf der Membran können genetisch verschiedene funktionelle Gruppen installiert werden. Grafik: Frank Mickoleit / Clarissa Lanzloth.

Oben rechts: Zel­le des Bak­te­ri­ums Magne­tos­py­r­il­lum gry­phis­wal­den­se mit ver­ket­te­ten Magne­to­so­men. Unten links: Ein­zel­nes Magne­to­som mit Eisen­oxid-Kern und Mem­bran. Auf der Mem­bran kön­nen gene­tisch ver­schie­de­ne funk­tio­nel­le Grup­pen instal­liert wer­den. Gra­fik: Frank Mick­oleit / Cla­ris­sa Lanzloth.

Die Ver­träg­lich­keit der so gewon­ne­nen Magne­to­so­men mit mensch­li­chen Zel­len wur­de in Zusam­men­ar­beit mit dem Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Jena gete­stet. Dabei stell­te sich her­aus, dass mensch­li­che Zell-Lini­en selbst bei höhe­ren Par­ti­kel-Kon­zen­tra­tio­nen hohe Vita­li­täts­wer­te auf­wie­sen. Auf der Basis ein­schlä­gi­ger DIN-Nor­men spre­chen die­se Test­ergeb­nis­se ein­deu­tig für eine gute Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät. So könn­ten Magne­to­so­men bei­spiels­wei­se in Zukunft ein­ge­setzt wer­den, um Krebs­zel­len im Orga­nis­mus auf­zu­spü­ren und The­ra­peu­ti­ka gezielt in der direk­ten Umge­bung des Tumors frei­zu­set­zen. Die Nano­par­ti­kel besit­zen daher ein gro­ßes Poten­zi­al im Bereich der Ther­ano­stik, die eine prä­zi­se Dia­gno­se mit einer nach­fol­gen­den ziel­ge­nau­en The­ra­pie verbindet.

Dr. Frank Mickoleit, Bayreuth, an einer 100-Liter-Fermenter-Anlage zur Magnetbakterien-Anzucht. Foto: Christian Wißler.

Dr. Frank Mick­oleit, Bay­reuth, an einer 100-Liter-Fer­men­ter-Anla­ge zur Magnet­bak­te­ri­en-Anzucht. Foto: Chri­sti­an Wißler.

Das neue in Bay­reuth ent­wickel­te Ver­fah­ren macht sich für die Iso­la­ti­on der magne­ti­schen Nano­par­ti­kel vor allem ihre phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten zunut­ze. Zunächst wer­den die Magne­to­so­men von den übri­gen nicht-magne­ti­schen Zell-Bestand­tei­len abge­trennt. Ein zusätz­li­cher Ultra­zen­tri­fu­ga­ti­ons­schritt macht es auf­grund der hohen Dich­te der Nano­par­ti­kel mög­lich, die noch ver­blie­be­nen Ver­un­rei­ni­gun­gen zu ent­fer­nen. Die Opti­mie­rung und umfas­sen­de Cha­rak­te­ri­sie­rung des Iso­la­ti­ons­ver­fah­rens mit­hil­fe ver­schie­den­ster ana­ly­ti­scher Tech­ni­ken ist aus einer engen inter­dis­zi­pli­nä­ren Zusam­men­ar­beit auf dem Bay­reu­ther Cam­pus her­vor­ge­gan­gen. Dar­an betei­ligt waren die Phy­si­ka­li­sche Che­mie (Dr. Sabi­ne Rosen­feldt, Juni­or-Prof. Anna Schenk) die Mikro­bio­lo­gie (Dr. Frank Mick­oleit, Prof. Dirk Schü­ler, Dr. René Uebe), die Bio­pro­zess­tech­nik (Dr. Valé­rie Jérô­me, Prof. Ruth Frei­tag) und das Nord­baye­ri­sche NMR-Zen­trum (Prof. Ste­phan Schwar­zin­ger). Zell­kul­tur­stu­di­en zur Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät wur­den zudem am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum in Jena (Cor­ne­lia Jör­ke, Dr. Joa­chim Cle­ment) durchgeführt.

Ver­öf­fent­li­chung:

Sabi­ne Rosen­feldt et al.: Towards stan­dar­di­zed puri­fi­ca­ti­on of bac­te­ri­al magne­tic nano­par­tic­les for future in vivo appli­ca­ti­ons. Acta Bio­ma­te­ri­alia (2021), Vol. 120, 293–303.

DOI: https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​1​6​/​j​.​a​c​t​b​i​o​.​2​0​2​0​.​0​7​.​042