Aus der Forch­hei­mer Leser­post: „Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung beherrscht die Grund­re­gel des demo­kra­ti­schen Ein­mal­eins nicht“

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Sehr geehr­te Her­ren Abgeordnete,

lie­ber Thor­sten, lie­ber Micha­el, lie­ber Sebastian,

mit Ent­set­zen habe ich gestern zur Kennt­nis genom­men, dass die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung Ihr inzwi­schen unver­tret­ba­res Vor­ge­hen um die Coro­na-Ein­schrän­kun­gen für die Bevöl­ke­rung in Bay­ern wei­ter fort­set­zen will.

Es ist sicher­lich rich­tig, dass im März ver­ant­wor­tungs­be­wusst in kur­zer Zeit gehan­delt wer­den muss­te, als man nicht abse­hen konn­te, wie sich die Situa­ti­on ent­wickelt. Rela­tiv schnell hat sich aber gezeigt, dass die Maß­nah­men, so wie sie waren, nicht nötig waren. Dabei wäre es auch völ­lig ver­ant­wor­tungs­be­wusst gewe­sen, der Bevöl­ke­rung ein­fach zu erklä­ren, dass man auf­grund der Kür­ze der Zeit und wegen der dra­ma­ti­schen Bil­dern aus dem Aus­land ein­fach zeit­nah han­deln woll­te, man nun aber Kor­rek­tu­ren für weni­ger Ein­schrän­kun­gen vor­neh­men möch­te, nach­dem man die Ent­wick­lung absieht. Aber lei­der kommt das in der Poli­tik aber offen­sicht­lich nicht infra­ge. Da muss erst der Chef­re­dak­teur der Bild-Zei­tung in einem dra­ma­ti­schen Appell die Coro­na-Maß­nah­men als einen histo­ri­schen Feh­ler bezeich­nen und ande­re Bun­des­län­der aus­sche­ren, bevor Bay­ern reagiert.

Und ich glau­be, ich muss euch Drei nicht erklä­ren, was gül­ti­ges Recht ist. Wenn sich zeigt, dass eine Ein­schrän­kung nicht rich­tig war oder nicht mehr nötig ist, so ist sie sofort zurück­zu­neh­men. Jede Ein­schrän­kung darf nicht von oben nach unten, son­dern muss von unten und nach oben betrach­tet wer­den. Es muss also immer davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass jede ein­zel­ne Ein­schrän­kung eine zu viel ist und „es kann nicht jeder froh sein“, wenn nur irgend­et­was wie­der weg­ge­nom­men wird.

Wir wis­sen inzwi­schen, dass das Kar­ten­haus der Coro­na­maß­nah­men ver­mut­lich in Kür­ze aus juri­sti­schen Grün­den voll­stän­dig zusam­men­fal­len wird, weil bereits die ersten Gerich­te fest­ge­stellt haben, dass der PCR-Test nicht als Nach­weis einer Infek­ti­on ver­wen­det wer­den kann, und auch des­halb, weil es kei­ne ein­zi­ge Sta­ti­stik über „an“ Coro­na Gestor­be­ne gibt, son­dern nur „an und mit“, feh­len bei­de juri­sti­schen Grund­la­gen für das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz: Der Nach­weis einer gro­ßen Zahl von Infek­tio­nen und der Nach­weis einer gro­ßen Zahl von Toten. Trotz­dem macht Bay­ern immer so weiter.

Über vie­le Mona­te hat­te Frei­staat Bay­ern in recht­lich völ­lig unzu­läs­si­ger Wei­se Coro­na-Ein­schrän­kun­gen auf­recht­erhal­ten, als ande­re Bun­des­län­der die­se bereits abge­schafft hat­ten. Wie­der aus­ge­hend von der Rechts­grund­la­ge, dass Bür­ger nur das Min­de­ste ein­ge­schränkt wer­den dür­fen, ist allei­ne damit der Beweis erbracht, dass Bay­ern rechts­wid­rig gehan­delt hat.

Aber egal wie es ist, hat Bay­ern auch einen ande­ren Beweis erbracht: Dass es schlicht­weg Coro­na nicht lösen kann und sei­ne Ent­schei­dun­gen falsch sind. Trotz die­ser unver­tret­bar hohen Frei­heits­ein­schrän­kun­gen für die baye­ri­sche Bevöl­ke­rung hat der Frei­staat Bay­ern seit Mona­ten die höch­sten „Infek­ti­ons­zah­len“. All die­se ille­ga­len Maß­nah­men haben damit nicht den not­wen­di­gen Erfolg gebracht. Im unter­neh­me­ri­schen Umfeld hät­ten Ver­ant­wort­li­che, die der­art ein­schnei­den­de Ent­schei­dun­gen getrof­fen und damit nichts erreicht haben, schon lan­ge zurück­tre­ten müs­sen. Nur wie­der mal im öffent­li­chen Dienst nicht. Da kann jeder, not­falls auf Kosten der Steu­er­zah­ler oder in die­sem Fall unter mas­si­ven Ein­schrän­kun­gen von Frei­hei­ten und damit mas­si­ven Ver­stö­ßen gegen gül­ti­ges Recht ein­fach so weitermachen.

Noch schlim­mer fin­de ich vor allem das Bild vor den Bür­gern: Gera­de auch in Bay­ern und im Land­kreis Forch­heim wur­den Ent­schei­dun­gen in letz­ten Wochen mehr­fach durch Gerichts­ent­schei­dun­gen auf­ge­ho­ben. Auch wenn die Ver­ant­wort­li­chen das irgend­wie schein­bar als ein „Spiel“ betrach­ten, so ist es das nicht. Jede ein­zel­ne Ent­schei­dung eines Gerich­tes gegen eine getrof­fe­ne Maß­nah­me ist ein „Schlag ins Gesicht“ der ent­schei­den­den Behör­de. Es kann nicht so wei­ter­ge­hen, dass der­ar­ti­ge Rechts­ver­stö­ße als völ­lig selbst ver­ständ­lich hin­ge­nom­men wer­den. Es muss – sowohl auf Ebe­ne des Frei­staa­tes, als auch des Land­rats­am­tes Forch­heim – für jede ein­zel­ne Gerichts­ent­schei­dung der Ver­ant­wort­li­che in der Behör­de zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den; not­falls muss er zurück­tre­ten. Wir leben in einer Zeit ganz beson­de­re Her­aus­for­de­run­gen im Hin­blick auf Miss­ach­tung von Grund­rech­ten von Bür­gern; wer hier ver­sagt, und jede ein­zel­ne Gerichts­ent­schei­dung ist ein Beweis dafür, hat unmit­tel­bar dafür die Ver­ant­wor­tung zu übernehmen.

Aber was pas­siert statt­des­sen in Bay­ern und Deutsch­land? Wäh­rend die Poli­tik den Bür­gern stän­dig erzählt, sie müs­sen Recht und Gerichts­ent­schei­dun­gen ach­ten, gilt das für die Poli­tik offen­sicht­lich nicht. Es ist ein extrem schlech­tes Bild gegen­über unse­ren Ver­fas­sungs­or­ga­nen, wenn die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung weni­ge Stun­den nach der Ent­schei­dung des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ein­fach eine Ver­fü­gung ändert und damit kla­re Miss­ach­tung eines unse­rer ober­sten Gerich­te zum Aus­druck bringt oder die Bun­des­kanz­le­rin erklärt, wenn jetzt Bür­ger gegen Ent­schei­dun­gen kla­gen und vor Gericht auch noch Recht bekom­men wür­den, dann wür­de man ein­fach das Gesetz ändern. So etwas darf es in Deutsch­land nicht geben und ab heu­te darf nie­mand in Deutsch­land mehr erwar­ten, dass Bür­ger nicht genau­so den­ken, wie es unse­re Poli­tik vorlebt.

Wie im Wiki­pe­dia-Ein­trag für Inzi­denz nach­zu­le­sen ist, wur­de ein Inzi­denz­wert von sie­ben Tagen für die Coro­na­si­tua­ti­on nur in Deutsch­land schlicht­weg erfun­den. Er gilt weder in ande­ren Län­dern, noch war er jah­re­lang wis­sen­schaft­lich ander­wei­tig unter­mau­ert. Zusätz­lich wur­de ein Wert völ­lig fik­tiv von 50 von 100.000 in sie­ben Tagen fest­ge­legt. Pro Tag dür­fen des­halb maxi­mal sie­ben von 100.000 Men­schen (das sind 0,007%!) einen posi­ti­ven PCR-Test haben. Und das ist noch lan­ge kei­ne Infek­ti­on. Die­ser Wert ist so absurd klein, dass man eine Steck­na­del eher im Heu­hau­fen fin­det. Es ist abso­lut unver­ant­wort­lich, mit einer der­art klei­nen Zahl zu arbei­ten (sie ist völ­lig welt­fremd) und den Men­schen damit Angst zu machen, indem ein­fach Land­kar­ten rot ange­malt wer­den, um sei­ne absur­de Poli­tik durch­zu­set­zen. Noch­mals als Ver­gleich: Das sind sie­ben (!) Men­schen am Tag im Land­kreis Forch­heim bei gut 100.000 Einwohnern!!!

Seit Wochen wei­sen Wis­sen­schaft­ler dar­auf­hin, dass die Regie­run­gen offen­sicht­lich bera­tungs­re­si­stent sei­en. Man kön­ne die Infek­ti­ons­zah­len gera­de im Win­ter ein­fach nicht auf die Zah­len sin­ken, die die Poli­tik sich vor­stel­le. Dass die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung gestern fest­ge­stellt hat, dass die Zah­len nicht sin­ken, ist exakt nur eines: Der Beweis dafür, dass die Wis­sen­schaft­ler Recht haben und die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung end­lich anfan­gen muss, ande­ren ein­fach auch mal zuzu­hö­ren. Eines aber kann sie nicht sein: Eine Begrün­dung dafür, fal­sche Ent­schei­dun­gen nun auch noch zu verschärfen.

Seit Mona­ten for­dert die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung ein ein­heit­li­ches Han­deln in Deutsch­land und zeigt damit nach­hal­tig, dass sie offen­sicht­lich kei­ne Ahnung von Föde­ra­lis­mus hat. Es gibt kei­nen Grund für ein­heit­li­ches Han­deln, sonst wür­de unser Grund­ge­setz anders aus­se­hen. Sind end­lich alle Län­der in die baye­ri­sche Mei­nung gezwun­gen, dann ist Bay­ern das erste Land, das aus dem von ihm selbst vor­ge­ge­ben Weg aus­steigt und die ande­ren Bun­des­län­der brüs­kiert. Genau dies ist am Sonn­tag passiert.

Was mir auch sehr zu den­ken gibt, ist, dass die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung offen­sicht­lich die Grund­re­gel demo­kra­ti­schen Ein­mal­eins nicht beherrscht. Wir haben in die­sem Lan­de immer noch eine Tren­nung von Judi­ka­ti­ve, Exe­ku­ti­ve und Legis­la­ti­ve. Wenn der baye­ri­sche Land­tag am Mitt­woch den neu­en Ände­run­gen zustim­men „muss“, dann ist offen­sicht­lich, dass die Kom­pe­tenz für die­se Ent­schei­dung beim baye­ri­schen Land­tag und damit der Legis­la­ti­ve liegt. Es ist damit ein Affront gegen den baye­ri­schen Land­tag, am Sonn­tag laut­stark (noch dazu völ­lig unnö­ti­ge) Ände­run­gen zu ver­kün­den und wie­der den Men­schen noch mehr Angst zu machen, wenn die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung dafür offen­sicht­lich über­haupt kei­ne juri­sti­sche Kom­pe­tenz hat. Es kann nicht sein, den eigent­li­chen Ent­schei­dungs­trä­ger bereits Tage vor der Ent­schei­dung in aller Öffent­lich­keit vor­zu­füh­ren und damit zum Han­deln „zu zwingen“.

Die Maß­nah­men sind auch schon des­halb nicht ver­tret­bar, weil wir der­zeit eine mehr­fa­che Anzahl der Infek­tio­nen des Früh­jah­res haben, aber angeb­lich „nur“ 40 % mehr Aus­la­stung auf den Inten­siv­sta­tio­nen. „Mehr­fach“ passt ein­fach nicht zu „40 %. Wenn die Gefahr für die Bevöl­ke­rung so groß wäre, dann wür­de auf eine mehr­fa­che Zahl von Infek­tio­nen auch eine mehr­fa­che Bela­stung der Inten­siv­sta­tio­nen fol­gen. Und letz­te­res kann auch die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung nicht beein­flus­sen. Damit kön­nen im Gegen­zug nur die Zah­len nicht rich­tig oder die Gefähr­dung nicht so groß sein.

Unab­hän­gig davon, dass es kei­nen Grund für eine wei­te­re Ver­schär­fung der Ein­schrän­kun­gen, son­dern vie­le Grün­de für Locke­run­gen gibt, so muss auch fest­ge­stellt wer­den, dass die Maß­nah­men lang­sam einen Kaba­rett glei­chen. Die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung hat mit Ange­la Mer­kel gemein­sam ver­spro­chen, dass, wenn die Men­schen im Novem­ber Ein­schrän­kun­gen hin­neh­men, wie­der Weih­nach­ten fei­ern dür­fen. Nach dem Novem­ber war auch der Dezem­ber, und nicht nur Weih­nach­ten. Wie­der mal wird jedes Ver­spre­chen gebro­chen. Und nun setzt man dazu an, den Men­schen völ­lig ohne Not auch noch jede Lebens­freu­de zu neh­men. Erst darf man sich schon nicht mehr in gro­ßen Grup­pen tref­fen, jetzt regelt man auch noch, was man in der Öffent­lich­keit dann tut. Kann man den Men­schen, wie in den letz­ten Jah­ren im Advent, nicht die Mög­lich­keit las­sen, in der Öffent­lich­keit als eines der letz­ten Relik­te von Lebens­freu­de, gemein­sam einen Glüh­wein zu trin­ken? Wie absurd ist es denn, dass man sich bei dem Glüh­wein ansteckt? Das Alko­hol­ver­bot ist in die­ser Pau­scha­li­tät durch nichts zu begrün­den. Dann ver­bie­ten wir den Damen doch auch noch, sich im Win­ter hübsch anzu­zie­hen, es könn­ten sich näm­lich mehr Män­ner dazu­stel­len, was nicht so wäre, wenn sie „greis­lich“ rum­lau­fen wür­den. Ist das das Argu­men­ta­ti­ons­ni­veau Bayerns?

Ihr Drei seit „unse­re“ Abge­ord­ne­ten, damit für unse­re Rech­te und unse­re Lebens­freud ver­ant­wort­lich – und Ihr seid Teil der baye­ri­schen Legis­la­ti­ve. Die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung hat über Mona­te bewie­sen, dass sie Coro­na nicht kann und im Ver­gleich zu ande­ren Bun­des­län­dern völ­lig unrecht­mä­ßig die Frei­heits­rech­te der Bür­ger ein­schränkt, auch zu Zei­ten, in denen die Infek­ti­ons­zah­len mas­siv zurück­ge­gan­gen waren.

Ich bit­te Euch im Sin­ne gül­ti­gen Rechts, aber auch im Hin­blick von Lebens­freu­de und Lebens­ge­nuss in Bay­ern (gera­de in der Weih­nachts­zeit nach einem „har­ten“ Jahr vol­ler Ent­beh­run­gen), am Mitt­woch gegen die Maß­nah­men der baye­ri­schen Staats­re­gie­rung zu stim­men. Bringt damit bit­te zum Aus­druck, dass die Maß­nah­men nicht nötig, vor allem auch ein mas­si­ver Ver­stoß gegen gül­ti­ges Recht sind. Bringt damit aber vor allem auch zum Aus­druck, dass es abso­lut an der Zeit ist, dass sich die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung zurück­nimmt, gera­de in Berei­chen, für die sie über­haupt nicht zustän­dig ist. Der baye­ri­sche Land­tag muss ein kla­res Exem­pel sta­tu­ie­ren und zei­gen, dass er sich von der baye­ri­schen Staats­re­gie­rung nicht vor­füh­ren lässt, indem die­se am Sonn­tag Din­ge ver­kün­det, die die Legis­la­ti­ve noch nicht ein­mal bera­ten, geschwei­ge denn ent­schie­den hat. Zeigt Ihnen bit­te ein­deu­tig, dass Ihr nicht das „Stimm­vieh“ der Exe­ku­ti­ve seit, son­dern eine muti­ge und ent­schei­dungs­fä­hi­ge Legis­la­ti­ve, wie unse­re Ver­fas­sung das von Euch fordert.

Für Eure Bemü­hun­gen bereits jetzt herz­li­chen Dank.

Soll­tet Ihr für mei­ne o.g. Aus­sa­gen Quel­len­an­ga­ben benö­ti­gen, dann infor­miert mich bitte.

Im Namen von so vie­len Men­schen im Land­kreis Forchheim

Peter Kai­ser / Forchheim