Bay­reu­ther Stu­die zur Pro­te­in­bio­syn­the­se in Bak­te­ri­en: Neue Per­spek­ti­ven für die Antibiotika-Forschung

Symbolbild Bildung

For­scher der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und der Colum­bia Uni­ver­si­ty in New York berich­ten in der Zeit­schrift „iSci­ence“ über weg­wei­sen­de Erkennt­nis­se zur Pro­te­in­bio­syn­the­se in Bak­te­ri­en. Das klei­ne Pro­te­in NusG ver­knüpft zwei gro­ße mole­ku­la­re Maschi­nen, die bei der Gen­ex­pres­si­on, der Her­stel­lung bak­te­ri­el­ler Pro­te­ine auf der Basis von Erb­infor­ma­tio­nen, zusam­men­wir­ken: die RNA-Poly­me­ra­se und das Ribo­som. Die mole­ku­la­re Brücke ver­setzt die Bak­te­ri­en­zel­le in die Lage, die zeit­lich auf­ein­an­der fol­gen­den Abschnit­te der Gen­ex­pres­si­on, die Tran­skrip­ti­on und die Trans­la­ti­on, opti­mal auf­ein­an­der abzu­stim­men. Sie könn­te des­halb ein her­vor­ra­gend geeig­ne­ter Angriffs­punkt für künf­ti­ge anti­bio­ti­sche Wirk­stof­fe sein.

In allen Lebe­we­sen ist die Gen­ex­pres­si­on ein zwei­stu­fi­ger Pro­zess: Zunächst wer­den die in der DNA gespei­cher­ten Erb­infor­ma­tio­nen als Vor­la­ge genutzt, um auf die­ser Basis Ribo­nu­kle­in­säu­ren, soge­nann­te mes­sen­ger-RNAs (mRNAs), zu syn­the­ti­sie­ren. Dadurch wer­den die Erb­infor­ma­tio­nen in eine für die Zel­le unmit­tel­bar ver­wert­ba­re Form gebracht. Für die­sen Vor­gang, die Tran­skrip­ti­on, ist die RNA-Poly­me­ra­se zustän­dig. Die mes­sen­ger-RNAs wie­der­um ent­hal­ten die mole­ku­la­ren Bau­plä­ne, die vom Ribo­som erkannt und für die Her­stel­lung ent­spre­chen­der Pro­te­ine, die Trans­la­ti­on, genutzt wer­den. Bei Men­schen und Tie­ren sind die­se bei­den Abschnit­te der Gen­ex­pres­si­on räum­lich und bio­che­misch klar getrennt. In den Zel­len von Bak­te­ri­en sind sie hin­ge­gen, wie man schon seit mehr als 50 Jah­ren weiß, anein­an­der gekoppelt.

Bereits vor zehn Jah­ren publi­zier­te eine Bay­reu­ther For­schungs­grup­pe unter der Lei­tung von Prof. Dr. Paul Rösch in „Sci­ence“ erste Indi­zi­en dafür, dass die Kopp­lung durch das Pro­te­in NusG ver­ur­sacht sein könn­te. Doch erst jetzt gelang der For­schungs­grup­pe von Dr. Ste­fan H. Knau­er in Zusam­men­ar­beit mit Part­nern an der Colum­bia Uni­ver­si­ty, New York, der erste, direk­te struk­tu­rel­le Nach­weis. NusG besteht aus zwei fle­xi­bel ver­bun­de­nen Berei­chen: einer ami­no­ter­mi­na­len Domä­ne (NTD) und einer car­boxy­ter­mi­na­len Domä­ne (CTD). Die CTD bin­det an das Ribo­som, die NTD an die RNA-Poly­me­ra­se. Auf die­se Wei­se bil­det NusG eine fle­xi­ble Brücke zwi­schen den zen­tra­len Maschi­nen der Gen­ex­pres­si­on, ähn­lich einer beweg­li­chen Kupp­lung zwi­schen Eisen­bahn­wag­gons. Die­se Ver­bin­dung bewirkt, dass Tran­skrip­ti­on und Trans­la­ti­on zeit­lich auf­ein­an­der abge­stimmt sind. Expe­ri­men­te mit hoch­auf­lö­sen­der magne­ti­scher Kern­re­so­nanz-Spek­tro­sko­pie (NMR), die am Nord­baye­ri­schen NMR-Zen­trum der Uni­ver­si­tät Bay­reuth durch­ge­führt wur­den, haben die­se Zusam­men­hän­ge ein­deu­tig sicht­bar gemacht.

„Damit eröff­nen sich hoch­in­ter­es­san­te Per­spek­ti­ven für die Ent­wick­lung anti­bio­ti­scher Wirk­stof­fe. Wenn es gelingt, die­sen mole­ku­la­ren Brücken­bau zu ver­hin­dern, könn­te die bak­te­ri­el­le Pro­te­in­syn­the­se und damit auch die Ver­meh­rung von Bak­te­ri­en emp­find­lich gestört wer­den – und zwar ohne dass der mensch­li­che Orga­nis­mus dadurch beein­träch­tigt wird. Wir konn­ten in die­ser Hin­sicht schon erste viel­ver­spre­chen­de For­schungs­er­geb­nis­se erzie­len“, sagt Dr. Ste­fan Knau­er. „Der Nach­weis für die zen­tra­le Rol­le von NusG bei der bak­te­ri­el­len Pro­te­in­bio­syn­the­se ist uns vor allem dadurch gelun­gen, dass wir struk­tur­bio­lo­gi­sche, bio­che­mi­sche und mole­ku­lar­bio­lo­gi­sche Ver­fah­ren mit­ein­an­der kom­bi­niert haben. Die­se inter­dis­zi­pli­nä­re Her­an­ge­hens­wei­se wol­len wir auch bei der Suche nach effi­zi­en­ten Wirk­stof­fen wei­ter ver­fol­gen“, ergänzt Mit­au­tor Phil­ipp Zuber M.Sc., der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth pro­mo­viert und hier das Eli­te­stu­di­en­pro­gramm „Macro­mole­cu­lar Sci­ence“ im Rah­men des Eli­te­netz­werks Bay­ern absol­viert hat.

Die in „iSci­ence“ ver­öf­fent­lich­te Stu­die ist her­vor­ge­gan­gen aus einer engen Zusam­men­ar­beit der Bay­reu­ther For­scher mit den Arbeits­grup­pen von Prof. Dr. Max Got­tes­man und Prof. Dr. Joa­chim Frank an der Colum­bia Uni­ver­si­ty in New York. Frank erhielt 2017 den Che­mie-Nobel­preis für die Wei­ter­ent­wick­lung der Kryo­elek­tro­nen­mi­kro­sko­pie, einer For­schungs­tech­no­lo­gie, die auch bei der neu­en Stu­die zum Ein­satz kam.

Abbil­dun­gen zum Download:

www​.uni​-bay​reuth​.de/​d​e​/​u​n​i​v​e​r​s​i​t​a​e​t​/​p​r​e​s​s​e​/​p​r​e​s​s​e​m​i​t​t​e​i​l​u​n​g​e​n​/​2​0​2​0​/​1​0​8​-​b​a​k​t​e​r​i​e​n​-​g​e​n​e​x​p​r​e​s​s​ion

Ver­öf­fent­li­chung:

Robert S. Washb­urn et al.: Esche­ri­chia coli NusG links the lead ribo­so­me with the tran­scrip­ti­on elon­ga­ti­on com­plex. iSci­ence (2020), DOI: 10.1016/j.isci.2020.101352