Offe­ner Brief – Ideen­werk­statt zur Lan­gen Stra­ße in Bam­berg: Ver­bes­se­rung der Aufenthaltsqualität

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Sehr geehr­te Damen und Her­ren, sehr geehr­ter Herr Oberbürgermeister!

Der Wider­stand gegen die Strei­chung der Park­plät­ze in der Lan­gen Stra­ße ist schwer nach­zu­voll­zie­hen. Zum einen ist es – im Gegen­satz zu den inner­städ­ti­schen Tief­ga­ra­gen – rei­ne Glücks­sa­che, ob gera­de ein Platz frei ist. Zum ande­ren steht das Ergeb­nis der vor­jäh­ri­gen Unter­su­chung des Kurz­zeit­park­ver­hal­tens durch die Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät: über­wie­gend klei­ne Ein­käu­fe, Alter­na­ti­ven zur Anfahrt sind in der weit über­wie­gen­den Mehr­zahl der Fäl­le mög­lich. Exi­sten­ti­ell bedeut­sam kön­nen die­se Park­plät­ze somit kaum sein.

Dem­ge­gen­über steht die spür­ba­re Ein­schrän­kung der Auf­ent­halts­qua­li­tät durch die – nicht zuletzt in Fol­ge Park­such­ver­kehrs ver­ur­sach­te – Blech­la­wi­ne sowie deren Lärm und Abga­se. Ohne den moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehr (MIV) stie­ge die Attrak­ti­vi­tät der Lan­gen Stra­ße für Ein­kaufs­bum­mel und Gastro­no­mie­be­such enorm.

Sinn­voll und drin­gend erfor­der­lich wäre, die Benut­zungs­pflicht der Rad­we­ge in der Lan­gen Stra­ße (ein­schließ­lich Obst­markts, Am Kra­nen und Kapu­zi­ner­stra­ße) auf­zu­he­ben. Die Vor­schlä­ge der Ideen­werk­statt set­zen an einem wich­ti­gen Pro­blem an. Denn recht­lich zuläs­sig ist die­se Benut­zungs­pflicht nicht: „Benut­zungs­pflich­ti­ge Rad­we­ge dür­fen nur ange­ord­net wer­den, wenn aus­rei­chen­de Flä­chen für den Fuß­gän­ger­ver­kehr zur Ver­fü­gung ste­hen. Sie dür­fen nur dort ange­ord­net wer­den, wo es die Ver­kehrs­si­cher­heit oder der Ver­kehrs­ab­lauf erfor­dern“ (All­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­vor­schrift zur Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung (VwV-StVO)). „Vor­aus­set­zung für die Kenn­zeich­nung“ eines benut­zungs­pflich­ti­gen Radwegs„ist, daß … er unter Berück­sich­ti­gung der gewünsch­ten Ver­kehrs­be­dürf­nis­se aus­rei­chend breit, befe­stigt und ein­schließ­lich eines Sicher­heits­raums frei von Hin­der­nis­sen beschaf­fen ist. … Die lich­te Brei­te … soll in der Regel dabei durch­ge­hend betra­gen: … bau­lich ange­leg­ter Rad­weg mög­lichst 2,00 m“, „min­de­stens 1,50 m“, „Rad­fahr­strei­fen … mög­lichst 1,85 m“, „min­de­stens 1,50 m“. Fer­ner muß „die Ver­kehrs­flä­che nach den all­ge­mei­nen Regeln der Bau­kunst und Tech­nik in einem den Erfor­der­nis­sen des Rad­ver­kehrs genü­gen­den Zustand gebaut und unter­hal­ten“ werden.

Unschwer ist zu erken­nen, daß kei­ne die­ser not­wen­di­gen Bedin­gun­gen für die ange­ord­ne­te Benut­zungs­pflicht erfüllt ist. Die Rad­we­ge sind deut­lich zu schmal, häu­fig zuge­stellt, Hin­der­nis­se (Wer­be­trä­ger, Möbel der Stra­ßen­ga­stro­no­mie …) ste­hen extrem knapp am Rand, hohes Fuß­gän­ger­auf­kom­men nimmt die Flä­che in Anspruch. „Die Stra­ßen­ver­kehrs­be­hör­de, die Stra­ßen­bau­be­hör­de sowie die Poli­zei sind gehal­ten, bei jeder sich bie­ten­den Gele­gen­heit die Rad­ver­kehrs­an­la­gen auf ihre Zweck­mä­ßig­keit hin zu prü­fen und den Zustand der Son­der­we­ge zu über­wa­chen“ (VwV-StVO). Der Ein­druck, daß sie ihrer Auf­ga­be nach­kom­men, drängt sich nicht unbe­dingt auf.

Fatal wäre aller­dings, das Kind mit dem Bad aus­zu­schüt­ten. Wenn, wie als Absicht in den Medi­en berich­tet, die Rad­we­ge auf­ge­ho­ben und ihre Flä­chen den Geh­stei­gen zuge­ord­net wer­den, der MIV jedoch in der Stra­ße ver­bleibt, ist die Fol­ge: Der Rad­ver­kehr steht im Stau der Kraft­fahr­zeu­ge, sei­ne Vor­tei­le im inner­städ­ti­schen Ver­kehr, Wen­dig­keit und Schnel­lig­keit, sind dahin. Einer der wich­tig­sten Bau­stei­ne eines menschen‑, stadt- und umwelt­ge­rech­ten Ver­kehrs­sy­stems wäre ein­mal mehr aus­ge­bremst. Aus­wei­chen über den Geh­weg mit der Fol­ge ver­meid­ba­rer Kon­flik­te mit dem Fuß­ver­kehr wird gera­de­zu pro­vo­ziert (Rand­no­tiz: Wäh­rend ver­bo­te­nes, selbst (fuß-)verkehrsgefährdendes Par­ken eines Kfz auf dem Geh­weg weit­ge­hend tole­riert wird – man­gels behörd­li­chen Ein­schrei­tens „kann man ja sowie­so nichts machen“: Das nennt sich dann Rechts­staat -, wecken Radfahrer/​innen auf dem Geh­weg nach wie vor Aggres­sio­nen – ein in sei­ner Gegen­sätz­lich­keit nicht unin­ter­es­san­tes Phänomen).

Solan­ge also der MIV in der Stra­ße ver­bleibt, benö­tigt der Rad­ver­kehr die Mög­lich­keit, ihn „links lie­gen zu las­sen“. Die VwV-StVO sehen aus­drück­lich „Rad­we­ge ohne Benut­zungs­pflicht“ vor. Radfahrer/​innen kön­nen wäh­len: Ist die Fahr­bahn frei, kom­men sie zügig vor­an. Stocken die Kraft­fahr­zeu­ge, sind sie auf den Rad­we­gen zwar lang­sa­mer als auf frei­er Fahr­bahn, aber immer noch schnel­ler als im MIV-ver­ur­sach­ten Stau.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8
Bamberg-Gaustadt
Tel./Fax: 0951 63575