Eröff­nungs­got­tes­dienst der Früh­jahrs­syn­ode der Evan­ge­li­schen Lan­des­kir­che in Coburg

Am Sonn­tag, 21. April, begann die Früh­jahrs­ta­gung der Lan­des­syn­ode der Evan­ge­lisch-Luthe­ri­schen Kir­che in Bay­ern mit einem Eröff­nungs­got­tes­dienst um 17:00 Uhr in der Kir­che St. Moriz (Kirch­hof 3, 96450 Coburg).

Frau Regio­nal­bi­schö­fin Dr. Grei­ner pre­dig­te in die­sem Got­tes­dienst. Hier ihr Predigttext:

Pre­digt zum Beginn der Lan­des­syn­ode an Jubi­la­te, 21.4.2024 in Coburg St. Moriz zu 2. Kor.4,14–18

Lie­be Gemeinde

Unser Bibel­wort, das für den heu­ti­gen Sonn­tag vor­ge­se­hen ist steht im 2. Korin­ther­brief Kapi­tel 4. Pau­lus schreibt:

Denn wir wis­sen, dass der, der den Herrn Jesus Chri­stus auf­er­weckt hat, wird uns auch auf­er­wecken mit Jesus und wird uns vor sich stel­len samt euch. Denn es geschieht alles um euret­wil­len, auf dass die Gna­de durch vie­le wach­se und so die Dank­sa­gung noch rei­cher wer­de zur Ehre Got­tes. Dar­um wer­den wir nicht müde; son­dern wenn auch unser äuße­rer Mensch ver­fällt, so wird doch der inne­re von Tag zu Tag erneu­ert. Denn unse­re Bedräng­nis, die zeit­lich und leicht ist, schafft eine ewi­ge und über die Maßen gewich­ti­ge Herr­lich­keit, uns, die wir nicht sehen auf das Sicht­ba­re, son­dern auf das Unsicht­ba­re. Denn, was sicht­bar ist, das ist zeit­lich; was aber unsicht­bar ist, dass ist ewig.

In die­sem Bibel­wort fin­det sich ein Vers, der mir – seit mein Alte­rungs­pro­zess, beson­ders mei­ner Augen, für mich spür­bar ist – beson­ders lieb ist. Ich zitie­re Pau­lus noch­mals: „Wenn auch unser äuße­rer Mensch ver­fällt, so wird doch der inne­re von Tag zu Tag erneu­ert.“ Es ist ein Refor­ma­ti­ons- und Trost­wort für alle über 60. Pau­lus hat die­se Aus­sa­ge im soge­nann­ten pas­si­vum divinum for­mu­liert: Denn die Erneue­rung unse­res inne­ren Men­schen machen nicht wir. Wir wer­den erneu­ert. Der Akti­ve in uns ist Gott. Das ist auch der Grund zu jubeln am Sonn­tag Jubi­la­te, dass Gott in uns arbeitet.

Und natür­lich ist das nicht nur ein Trost- und Refor­ma­ti­ons­wort für alle über 60, son­dern min­de­stens schon für alle über 20. Schließ­lich ist im Inter­net zu lesen, dass der Alte­rungs­pro­zess bereits mit 20 Jah­ren beginnt. Die Pro­duk­ti­on der Lun­gen­bläs­chen und damit das Atem­vo­lu­men, die Spann­kraft der Haut, die Hör­fä­hig­keit – das alles und noch mehr nimmt bereits bei allen über 20 ab. Wenn man von die­sen Abbau­pro­zes­sen liest, kann man froh sein, das alles schon lan­ge über­stan­den zu haben.

Jeden­falls merkt auch Pau­lus sei­ne abneh­men­den äuße­ren Kräf­te. Span­nend ist: Sie wer­den ihm gera­de­zu zum Con­tra­punkt, um Gott zu prei­sen für das, was uns von ihm geschenkt wird. Den abneh­men­den eige­nen Kräf­ten stellt er die zuneh­men­de Gna­de Got­tes gegen­über, allem Zeit­li­chen das Ewi­ge, dem Sicht­ba­ren das Unsicht­ba­re, der gegen­wär­ti­gen Bedräng­nis die über die Maßen gewich­ti­ge Herr­lich­keit, die uns erwar­tet. Auf das jeweils Zweit­ge­nann­te sol­len wir schauen.

Eigent­lich ist sei­ne Auf­for­de­rung ein Wider­spruch in sich: Wir sol­len auf das Unsicht­ba­re schau­en. Als ob wir das Unsicht­ba­re sehen könn­ten! – Viel­leicht ja doch. Antoine de Saint Exu­pery deu­tet in die­sel­be Rich­tung wie Pau­lus mit dem sehr bekann­ten Satz: „Man sieht nur mit dem Her­zen gut, das Wesent­li­che ist für die Augen unsicht­bar“. Unser Herz, unser inne­rer Mensch, der von Tag zu Tag erneu­ert wird, hat in gewis­ser Wei­se auch Seh­kraft. Das ist doch ver­hei­ßungs­voll, dass durch Got­tes Erneue­rungs­han­deln selbst mit zuneh­men­dem Alter die inne­ren Augen man­ches kla­rer sehen.

Vor dem inne­ren Auge sehen man­che frei­lich auch Schreckens­sze­na­ri­en: den völ­li­gen Bedeu­tungs­ver­lust der Kir­che durch fort­schrei­ten­de Aus­trit­te, den Unter­gang des west­li­chen Abend­lan­des durch Ver­lust christ­lich gepräg­ter Kul­tur, die Zer­stö­rung der Demo­kra­tie durch rechts­extre­me Aus­höh­lung von innen und den Kli­ma­kol­laps durch mensch­li­che Umwelt­zer­stö­rung. Sol­che Zukunfts­sze­na­ri­en haben Kraft, zer­stö­re­ri­sche Kraft, weil sie angst­be­setzt sind.

Alles eben Genann­te hat eine durch­aus rea­li­sti­sche Gefah­rensei­te, die wir wach beob­ach­ten müs­sen, um gegen­zu­steu­ern. Aber Chri­sten und Chri­stin­nen haben ande­re Wei­sen, um ins Han­deln zu kom­men als durch Angst und das Aus­ma­len von Schreckens­sze­na­ri­en. Ein Mensch, der aus Angst han­delt, wird gehetzt, wird müde, denn er rennt davon oder gegen etwas an, was er fürch­tet. Oder er wird sogar so müde und mut­los, dass er auf­gibt; nach dem Mot­to: Das 2%-Ziel beim Kli­ma­schutz schaf­fen wir eh nicht mehr; oder die Säku­la­ri­sie­rungs­ten­denz in den west­li­chen Gesell­schaf­ten ist so mas­siv, da kom­men wir als Kir­che nie­mals gegen an.

Pau­lus dage­gen sagt den unglaub­li­chen Satz: „Wir wer­den nicht müde“. Sein inne­rer Mensch bleibt wach, voll Taten­drang. Wie­so? Ich sehe bei Pau­lus zwei Grün­de, die inein­an­der ver­wo­ben sind: Es ist zum einen sei­ne Grund­be­zie­hung, in der er lebt und zum ande­ren sein grund­le­gen­des Bild von der Zukunft. Denn wir wis­sen, dass der, der den Herrn Jesus Chri­stus auf­er­weckt hat, wird uns auch auf­er­wecken mit Jesus. Denn wir wis­sen, sagt Pau­lus. Er nimmt hier wohl einen Glau­bens­satz auf, der in Korinth und ande­ren Gemein­den ver­brei­tet war: „Der den Herrn Jesus Chri­stus auf­er­weckt hat, der wird auch uns auf­er­wecken mit Jesus“. Jesus ist ja schon auf­er­weckt, also kann die­ses „mit Jesus“ nicht zeit­lich gemeint sein. Mit Jesus auf­er­weckt wer­den bedeu­tet: Durch die Ver­bin­dung mit ihm, wer­den wir – wenn wir ster­ben – auf­er­weckt zu neu­en Leben.

Durch die Ver­bin­dung mit Jesus – so hat es ja auch das gehör­te Evan­ge­li­um im Bild des Wein­stocks ver­an­schau­licht – brin­gen wir gute, für die ande­ren Men­schen genieß­ba­re Früch­te. In die­ser Grund­be­zie­hung gewin­nen wir Kraft, die jeden Tag neu ist – weil sie aus Gott kommt. Auch unser Wochen­spruch meint genau die­se Leben schen­ken­de Grund­be­zie­hung: Ist jemand in Chri­stus, so ist er eine neue Krea­tur. Das Alte ist ver­gan­gen. Neu­es ist gewor­den. Es geht also nicht um eine Ver­jün­gungs­kur, son­dern um unse­re neue Wei­se zu leben. Was das kon­kret hei­ßen kann, dazu kom­men wir gleich.

Zuerst noch der zwei­te Grund war­um Pau­lus nicht müde wird. Pau­lus fügt zu die­sem bekann­ten Glau­bens­satz noch einen eige­nen hin­zu: „Denn wir wis­sen, dass der, der den Herrn Jesus Chri­stus auf­er­weckt hat, wird uns auch auf­er­wecken – und wird uns vor sich stel­len samt Euch.“ Das ist sein Zukunfts­bild: Durch die Auf­er­weckung aus dem Tod wird die gan­ze Gemein­de, die zu Jesus Chri­stus gehört, vor Gott ste­hen. Dahin geht´s für uns alle – in die Nähe Got­tes. „Zuver­sicht ist wie ein Mus­kel, man muss sie ordent­lich trai­nie­ren, um sie in sich zu spü­ren“ sage die Autorin Thea Dorn am 21. März in der „Zeit“. Auch der Zuver­sichts­mus­kel gehört zum inne­ren Men­schen, der erneu­ert wird. Ein Mus­kel braucht Kraft. Die Kraft unse­rer Zuver­sicht wächst zum einen aus unse­rer Bezie­hung zu Jesus. Die pfle­gen wir vor allem im Gebet. Und sie wächst zum ande­ren durch bibli­sche Bot­schaft, die uns sagt, wohin wir gehen. 

Die Bibel­wor­te des Jubi­la­te­sonn­tags sind wun­der­schön. Die bei­den Schöp­fungs­ge­schich­ten gehö­ren dazu, das gehör­te Evan­ge­li­um vom Wein­stock, unser Pre­digt­wort, der Wochen­spruch. Die­se Bibel­wor­te erzäh­len, dass Gott die Welt sehr gut geschaf­fen hat, dass wir in den Gar­ten gesetzt sind, um ihn zu bebau­en und zu bewah­ren, dass wir aus der Ver­bin­dung mit Jesus alle erneu­ern­de Kraft bekom­men, Gutes zu bewir­ken und dass wir als Gemein­de unter­wegs sind zum Leben in der Nähe Got­tes in Ewig­keit. Wie­so haben wir dann eigent­lich noch Pro­ble­me? Weil wir noch nicht im Him­mel sind. Ich fin­de es schön, dass Ihr alle da seid, hier auf der Erde, die es gemein­sam zu gestal­ten gilt – auch gegen man­chen Wider­stand des ewig Alten. Aber Thea Dorn meint ja wohl zu Recht, dass ein Mus­kel nur durch Wider­stand trai­niert wird, inso­fern leben wir in ganz aus­ge­zeich­ne­ten Zeiten.

Ich nen­ne drei The­men, die auch die­se Syn­ode bewe­gen. Drei The­men, bei denen wir man­che Wider­stän­de – viel­leicht auch in uns selbst – schon über­wun­den haben; und die wir ange­hen im Ver­trau­en auf die erneu­ern­de Kraft Gottes.

Das erste: Es ver­schlägt uns die Spra­che, was in unse­rer Kir­che durch Macht­miss­brauch im gro­ßen Feld sexua­li­sier­ter Gewalt gesche­hen ist. Da gehört es dazu, erst ein­mal still zu sein, wenn Betrof­fe­ne begin­nen zu erzäh­len und zuzu­hö­ren ­­– nicht nur mit den leib­li­chen Ohren, son­dern mit von Gott erneu­er­ten Ohren des Her­zens. Unse­re Kir­che ist hier der wei­ter­ge­hen­den Erneue­rung bedürf­tig damit Auf­ar­bei­tung und Prä­ven­ti­on aus inne­rer Über­zeu­gung geschehen.

Ein zwei­tes Bei­spiel: Ich war von den Socken als ich die Reak­ti­on der so genann­ten Chri­sten in der AfD auf die kirch­li­che Kri­tik an der Par­tei las. Sie schrie­ben in ihrem Brief: „Von der Exi­stenz unter­schied­li­cher, von­ein­an­der getrenn­ter Völ­ker als Abstam­mungs- und Bluts­ge­mein­schaft (…) geht zunächst ein­mal der christ­li­che Schöp­fer­gott der Bibel als des­sen Schöp­fung aus.“ Faken­ews über die Bibel! Das sind unüber­seh­ba­re Ansät­ze einer rechts­extre­men Ersatz­re­li­gi­on. Es braucht in unse­rer Zeit von Gott erneu­er­te Wach­sam­keit und Sprach­fä­hig­keit unse­res Glaubens.

Und das letz­te Bei­spiel: Ein Umwelt­be­auf­trag­ter eines Deka­nats­be­zirks frag­te mich. „Sehe ich das rich­tig, Frau Grei­ner, die Fra­ge des Umwelt­schut­zes ist doch eigent­lich eine Fra­ge der Lie­be zu kom­men­den Gene­ra­tio­nen und zu Gott, der die­se Schöp­fung erhal­ten will?!“ Ich konn­te nur JA sagen. Umwelt­schutz ist eine Anwen­dung des Dop­pel­ge­bo­tes der Lie­be. Es braucht eine Erneue­rung der Lie­be zu Gott und sei­ner gan­zen Schöp­fung. Die­se Lie­be schenkt Gott selbst. Er erneu­ert uns.

Die Erneue­rung des inne­ren Men­schen wird immer äuße­re Gestalt fin­den – manch­mal sogar die Gestalt eines Kli­ma­schutz­ge­set­zes mit Benen­nung eines kon­kre­ten Fahrplans.

Wir wer­den die dar­in genann­ten Zie­le nicht schaf­fen, sagen man­che. Viel­leicht. Viel­leicht doch. In jedem Fall gehen wir unse­re unvoll­kom­me­nen Schrit­te und trai­nie­ren dabei den inne­ren Zuver­sichts­mus­kel, der sei­ne Kraft bezieht aus der Ver­bin­dung mit Jesus, mit dem wir immer ins Leben gehen.

Wir gehen in die Zukunft mit Zuver­sicht ­– in den drei genann­ten Berei­chen und wei­te­ren und auf unse­rem per­sön­li­chen Weg des Älter­wer­dens. Wir wer­den erneu­ert. Gott arbei­tet an uns. Jubi­la­te. Amen.

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