Repor­ta­ge über Obdach­lo­se in Bamberg

Eine Grup­pe von FSJ­lern hat­te unse­re Redak­ti­on ange­spro­chen, ob wir einen Bericht über die Situa­ti­on der Obdach­lo­sen in Bam­berg ver­öf­fent­li­chen wür­den – was wir hier­mit sehr ger­ne tun:

Obdach­los, aber nicht unsichtbar

Im Rah­men unse­res Frei­wil­li­gen Sozia­len Jah­res (FSJ) über den Inter­na­tio­na­len Bund e.V. tau­chen wir, eine Grup­pe von sechs enga­gier­ten Frei­wil­li­gen, tief in die sozia­len Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Gemein­schaft ein.

In einem ein­wö­chi­gen Semi­nar wid­me­ten wir uns einem spe­zi­el­len Pro­jekt, das sich mit aktu­el­len The­men wie Dis­kri­mi­nie­rung und Benach­tei­li­gung aus­ein­an­der­setzt. Unser Blick rich­te­te sich auf eine oft über­se­he­ne Grup­pe – Men­schen ohne Obdach.

Unse­re Absicht ist es, durch das Tei­len per­sön­li­cher Geschich­ten die Men­schen hin­ter der sta­ti­sti­schen Rea­li­tät der Obdach­lo­sig­keit sicht­bar zu machen. Unser Pro­jekt zielt dar­auf ab, Vor­ur­tei­le abzu­bau­en und ein dif­fe­ren­zier­te­res Ver­ständ­nis in unse­rer Gemein­schaft zu fördern.

Nach inten­si­ven Über­le­gun­gen, wie wir Obdach­lo­sen hel­fen kön­nen, klopf­ten wir bei den ört­li­chen Gastro­no­mie­be­trie­ben an, um zu erfra­gen, ob sie Lebens­mit­tel für unser Vor­ha­ben spen­den wür­den. Obwohl vie­le Betrie­be die Wich­tig­keit unse­res Vor­ha­bens erkann­ten, stie­ßen wir häu­fig auf büro­kra­ti­sche Hür­den und Vor­schrif­ten, die einer direk­ten Koope­ra­ti­on im Wege standen.

Zusätz­lich such­ten wir den direk­ten Dia­log mit Men­schen ohne festen Wohn­sitz, um ihre Bedürf­nis­se bes­ser zu verstehen.

Wäh­rend eines Gesprächs mit einem Mann erleb­ten wir eine bewe­gen­de Sze­ne: Als wir mit ihm spra­chen, warf ihm jemand einen Euro in sei­nen Becher. Als Dan­ke­schön über­reich­te der Obdach­lo­se dem Spen­der ein selbst­ge­mal­tes Bild.

In unse­rem Gespräch erkun­dig­ten wir uns nach den Wün­schen des Man­nes. Sei­ne Ant­wort war schlicht, aber tief­grei­fend: „Über alles. Am lieb­sten ein beleg­tes Bröt­chen. Ich freue mich über alles, was ich bekom­me. Eine Decke, Klei­dung, Essen und Trin­ken.“ Dabei beton­te er expli­zit: „Nur kei­nen Alko­hol.“ Es war ziem­lich frisch im Frei­en. Das Zube­rei­ten von Tee schien an die­sem Tag also beson­ders ange­bracht, um Obdach­lo­sen in Bam­berg etwas War­mes anzubieten.

Wäh­rend unse­rer Tee-Ver­teil­ak­tio­nen erleb­ten wir berüh­ren­de Momen­te. Ein Obdach­lo­ser, der aktiv Spen­den für sei­ne Fami­lie sam­mel­te, nahm den Tee dank­bar ent­ge­gen. Außer­dem hat­ten wir einen schö­nen Moment mit einem ande­ren Obdach­lo­sen, der im Roll­stuhl saß und wenig Deutsch sprach. Als wir ihm Tee anbo­ten, nahm er ihn mit einer spür­ba­ren Dank­bar­keit an.

Am glei­chen Nach­mit­tag erhiel­ten wir eine groß­zü­gi­ge Essens­spen­de vom Café Simit­çi. In den bei­den Tüten fan­den wir lecke­res Gebäck. Zusam­men mit unse­rem selbst­ge­koch­ten Tee ver­teil­ten wir die­se Spen­de am spä­ten Nach­mit­tag an die Obdach­lo­sen in Bam­berg. Wäh­rend­des­sen ver­ein­bar­ten wir mit dem obdach­lo­sen Ján, am näch­sten Tag ein aus­führ­li­ches Gespräch zu füh­ren und ihn in einem Café einzuladen.

Das aus­führ­li­che Gespräch mit Ján war sehr berei­chernd. Er erzähl­te uns, dass er 34 Jah­re alt ist und gelern­ter Maler ist.

Ursprüng­lich aus der Slo­wa­kei stam­mend, kam er nach Deutsch­land, um Arbeit zu fin­den. Die Situa­ti­on in der Slo­wa­kei sei schwie­rig, ins­be­son­de­re auf­grund der Pra­xis, dass Arbeit­ge­ber nach drei Mona­ten staat­li­che Unter­stüt­zung mit­neh­men und die Mit­ar­bei­ter ent­las­sen. Die Arbeits­lo­sig­keit in der Slo­wa­kei sei groß, was Ján dazu beweg­te, nach Deutsch­land zu kom­men und sei­ner Fami­lie eine bes­se­re Zukunft zu ermöglichen.

Die Job­su­che gestal­te­te sich jedoch kom­pli­ziert, da er ohne festen Wohn­sitz kei­nen Arbeits­platz fand. Im Win­ter sei es beson­ders schwie­rig, und Ján ver­brach­te die Näch­te drau­ßen, da er ohne Anmel­dung in Bam­berg Schwie­rig­kei­ten hat­te, in einem Obdach­lo­sen­heim auf­ge­nom­men zu wer­den. Posi­ti­ve und nega­ti­ve Erfah­run­gen auf der Stra­ße präg­ten sei­ne Erlebnisse.

Ján äußer­te: „Ich bete zu Gott, aber ich muss auch Geld ver­die­nen, um Essen, Mie­te und die Bedürf­nis­se mei­ner Kin­der zu decken. Mein Wunsch ist es, in Zukunft eine Arbeit zu haben, damit es mei­ner Frau und mei­nen Kin­dern bes­ser geht.“ Nach etwa 45 Minu­ten im Café hat­ten wir das Gefühl, Ján viel bes­ser zu ver­ste­hen. Sei­ne Lie­be zu den Kin­dern und sein Durch­hal­te­ver­mö­gen machen ihn zu einem bewun­derns­wer­ten Men­schen. Wir sind dank­bar, dass er sich für einen ehr­li­chen Aus­tausch mit uns geöff­net hat und dass wir sei­ne Geschich­te tei­len dürfen.

Mit unse­rem Pro­jekt woll­ten wir mehr als nur Lebens­mit­tel ver­tei­len. Das Tref­fen mit Ján hat uns gezeigt, dass sich hin­ter jeder obdach­lo­sen Per­son eine ein­zig­ar­ti­ge Geschich­te ver­birgt. Wir hof­fen, dass die­se Geschich­te dazu bei­trägt, Vor­ur­tei­le abzu­bau­en und Empa­thie zu för­dern. Ein­fa­che Hand­lun­gen, wie das Anbie­ten von Tee, kön­nen einen bedeu­ten­den Unter­schied machen. Daher möch­ten wir dazu auf­ru­fen, nicht ein­fach vor­bei­zu­ge­hen, son­dern sich einen Moment Zeit zu neh­men, hin­zu­se­hen und zuzuhören.

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