Spei­chers­dorf: Heri­bert Schmidt geht nach 70 Jah­ren akti­ven Musi­zie­rens in den Ruhestand

„Musik ist halt mein Leben!“ und „Mit Musik, da geht das Herz auf!“ ‑Was Heri­bert Schmidt 2006 als Lied kom­po­nier­te und 2010 zum ersten Mal in lyri­sche Ver­se fass­te, hät­te gut und ger­ne sein Lebens­mot­to und sein Pro­gramm sein kön­nen. Denn nach 70 Jah­ren akti­ven Musi­zie­rens hat der 78-jäh­ri­ge Schlag­zeu­ger und Kon­zert­i­na-Spie­ler in den Ruhe­mo­dus umgeschaltet.

Mit Beginn des neu­en Jah­res hat sich der Herz­blut­mu­si­ker kom­plett aus der Kapel­len­mu­sik zurück­ge­zo­gen und frönt in sei­nem „neu­en Leben“ nur noch sei­nen bei­den Hob­bys, dem Lie­der- und Gedich­te­schrei­ben sowie der Haus und Gar­ten­ar­bei­ten. „Wich­tig ist, für jeden Tag ein Ziel zu haben und Freu­de an Got­tes Schöp­fung.“ Heri­bert Schmidt´s täg­li­ches Lebens­ziel war die Musik, über 60 Jah­re lang, mit Mund­har­mo­ni­ka, Kon­zert­i­na und Schlag­zeug. Was mit dem ersten Auf­tritt mit den „Moon­light Boys“ beim Kir­wa-Tanz im Rauh-Saal in Lehen 1964 begann ende­te mit dem letz­ten Auf­tritt Schmidt´s bei der Filchen­dor­fer Herbst-Kir­wa im Okto­ber 2023 mit den Wein­wall­fah­rern. Allein was an Vor­be­rei­tung Jahr­zehn­te lang Rou­ti­ne war, war im zuneh­men­den Alter zuse­hends beschwer­li­cher geworden.

Wer über die Schwel­le sei­nes „klei­nen Rei­ches“ tritt, kommt aus dem Stau­nen nicht her­aus. Als Spie­gel eines 70-jäh­ri­gen Musikerle­bens glei­chen die vier Wän­de von Heri­bert Schmidts Musik­zim­mer einem Requi­si­ten­la­den, einer Schatz­tru­he wert­vol­ler Erin­ne­run­gen. Da sind nicht nur vier Har­mo­ni­kas, eine Marsch­trom­mel und zwei Schlag­zeu­ge, nicht nur eine kom­plet­te Beschal­lungs­an­la­ge und Licht­an­la­ge für die Kap­pel­len­mu­sik wie als Allein­un­ter­hal­ter. Lied­tex­te und CDs/​DVSs, Fotos und Urkun­den, Künst­ler­kla­mot­ten und Fracks – jedes Detail hat sei­ne eige­ne Geschich­te. Bil­der an den Wän­den zeu­gen von unzäh­li­gen Musi­ker­sta­tio­nen, 15 selbst getex­te­te und kom­po­nier­te Lie­der von krea­ti­ver musi­ka­li­scher Schaf­fens­kraft. Zwei Lie­der davon sind sei­ner Hei­mat­ge­mein­de Spei­chers­dorf gewid­met. Ein­mal das „Spei­chers­dor­fer Lied“ (2021) über die lie­bens­wer­te Gemein­de Spei­chers­dorf. Zum ande­ren das „Spei­chers­dor­fer Hei­mat­lied“ (2004) über sei­ne Hei­mat, ein­ge­bet­tet zwi­schen Och­sen­kopf, Kös­ei­ne und Rau­her Kulm. Sei­nem Cou­sin, den FGV-Wan­der­füh­rer Alfred Höcht, hat er es gewidmet.

1945 auf der Hunds­müh­le, damals Gemein­de Win­di­schen­lai­bach, als ein­zi­ges Kind der Eisen­bah­ner­fa­mi­lie Josef und The­re­sia Schmidt gebo­ren, folg­ten Volks­schu­le Kir­chen­lai­bach, die Leh­re Elek­tro­in­stal­la­teur, Bun­des­bahn (1963), Wehr­pflicht (1966 bis 1967) und Elek­tro­mei­ster­prü­fung. Als Betriebs­in­spek­tor ging er 1999 in den wohl­ver­dien­ten Ruhe­stand. In einem musi­ka­li­schen Eltern­haus auf­ge­wach­sen lern­te der acht­jäh­ri­ge Spröß­ling vom Vater Kon­zert­i­na und Mund­har­mo­ni­ka. Da Kon­zert­in­ano­ten sel­ten und schwie­rig ran­zu­kom­men war, hat Schmidt spä­ter alle Lie­der mit­tels einer Umschrei­be­ta­bel­le von nor­ma­len Noten auf Zah­len­no­ten umge­schrie­ben. Am Ende waren es über 120 Lieder.

Ab Sommer1964 nahm Schmidt zusätz­lich Schlag­zeug­un­ter­richt in Aichig/​Bayreuth. „Allein der Weg von der Hunds­müh­le zum Musik­leh­rer in Aichig war ein Pro­ze­dur“, erin­nert sich der damals 19-Jäh­ri­ge. Damals hielt noch der Zug an der Bahn­sta­ti­on Bay­reu­ther Ere­mi­ta­ge. Bepackt mit gro­ßer Tasche mit klei­ner Trom­mel, Fuß­ma­schi­ne und Sticks ging es zu Fuß nach Aichig.

Bereits nach den ersten Unter­richts­ein­hei­ten grün­de­te Schmidt zusam­men mit Man­fred Bau­er von der Gärt­ne­rei Bau­er Win­di­schen­lai­bach sowie Engel­hardt Dederl, Kir­chen­lai­bach, und Hans Zren­ner, Creu­ssen, im Herbst 1964 im Alter von 19 Jah­ren die Band „Moon­light Boys“. 1967 schloß er sich der Band „Floa­ting five“ an. Fünf Jah­re bis 1972 rock­te er mit Sepp Rauh, Schorsch Rauh, Gerd Hartl und Franzl Grau­sam die Büh­nen. An das für die näch­sten Jahr­zehn­te weg­wei­sen­de Gespräch 1975 mit dem Spei­chers­dor­fer Hans Dorsch erin­nert sich Schmidt, als wäre es gestern gewe­sen. Der Trom­pe­ter der Kapel­le „Fraun­holz Oldies“ sprach ihn nach dem Gstanz­l­sin­gen auf der Kir­wa vor dem Land­gast­hof Imhof an, ob er sich vor­stel­len kön­ne, mit­zu­spie­len. Damit wur­de eine musi­ka­li­sche Liai­son grund­ge­legt, die drei­ein­halb Jahr­zehn­te wären soll­te. Zunächst als „Fraun­holz Oldies“ in ihrer Ur- und Kern­be­set­zung mit Johann Fraun­holz, Hans Dorsch, Hans Schim­mel und Heri­bert Schmidt. Nach dem Tod von Johann Fraun­holz rück­te Karl Bäuml. Die Kapel­le trug fort­an den Namen „Kapel­le Dorsch“. 35 Jah­re lang beglei­te­te das Spei­chers­dor­fer Urge­stein Schmidt als lei­den­schaft­li­cher Tromm­ler mit bei­den Kapel­len den Umzug der Kir­wa­ma­d­la und Kir­wa­bur­schen am Kir­wa-Sonn­tag und deren Rum-Spie­len in ganz Spei­chers­dorf am Kir­wa-Mon­tag. 2010 gesell­te sich Heri­bert Schmidt zur Kapel­le „Wein­wall­fah­rer vom Rau­en Kulm“, 2011 zu den „Mehl­meis­ler Dorf­mu­si­kan­ten“. Neben den Auf­trit­ten mit den Kapel­len war Schmidt auch als Allein­un­ter­hal­ter bei Geburts­ta­gen, in Alters­hei­men, Sport­hei­men und bei Musi­kan­ten­tref­fen angesagt.

Von Ber­lin-Span­dau bis zum Neu­sied­ler­see spiel­te sich Schmidts Musikerle­ben ab. Natur­ge­mäß mit Schwer­punkt Ober­pfalz und Ober­fran­ken. „Wenn ich so zurück­schaue, habe ich das Gefühl, dass es im Umkreis von 50 Kilo­me­ter fast kei­nen Ort gibt, in dem ich mal nicht gespielt habe.“ Auf zwei 50 cm Cresh­becken an der Wand sind die vie­len Auf­tritts­or­te mit schwar­zen und wei­ßen Filz­stift ver­ewigt. Da ist als erster Ein­trag der der Kir­wa-Tanz „Moon­light Boys“ im Rauh-Saal in Lehen 1964. Da ist der letz­te Ein­trag die Filchen­dor­fer Herbst-Kir­wa im Okto­ber 2023 mit den Wein­wall­fah­rern. Dazwi­schen ist jeder Mil­li­me­ter der Ober­flä­che voll beschrieben.

Nicht min­der uner­sätt­lich ist die Spann­wei­te der Erleb­nis­se und Ane­do­ten, über die Schmidt ein Buch schrei­ben könn­te. Da waren vom ersten Kir­wa-Tanz mit den „Moon­light Boys“ im Rauh-Saal in Lehen 1964 die krei­schen­den Mädels, die wie Klet­ten fort­an als Fan-Club bei allen wei­te­ren Auf­trit­ten nach­ge­fah­ren sind. „Das waren Zei­ten, mei Lia­ba“, so Schmidt. Da war der Schrecken nach dem Auf­tritt im Jahr 2010 in Wai­schen­feld, als so viel Schnee lag, dass Schmidt sich um haa­res­brei­te ver­fah­ren hät­te – mit unge­wis­sem Aus­gang. Noch heu­te ist er über­zeugt: „Wenn ich damals als Allein­un­ter­hal­ten das erste Navi nicht gehabt hät­te, wäre ich nicht mehr heimgekommen.“

Unver­ges­sen der Auf­tritt mit den Wein­wall­fah­rern 2014 etwa in Neu­stadt an der Dos­se nörd­lich von Ber­lin. Da sind die jah­re­lan­gen Auf­trit­te zum „Bay­ern-Tag“ auf dem Markt­platz von Ber­lin-Span­dau vor 3000 Gästen, der von den Fich­tel­ge­birg­lern in Weiß-Blau, mit Weiß­würst, Leber­käs und Brezn und Auf­trit­ten einer Tanz­grup­pe gestal­tet wur­de. „Unver­ges­sen“, so Schmidt.

Zu den Beson­der­hei­ten in Schmidt´s Musikerle­ben gehö­ren eine CD (2006 „Schön, dass es dich gibt“) und eine DVD (2021 mit eigen­kom­po­nier­ten Lie­dern und Gedich­ten). Eine wei­te­re DVD mit wei­te­ren 15 Wer­ken liegt pro­duk­ti­ons­fer­tig in der Schub­la­de. Zwei wei­te­re CDs hat Schmidt mit den Wein­wall­fah­rer, eine CD mit den Mehl­meis­lern pro­du­ziert. Zwei DVDs tra­gen Auf­zeich­nun­gen von Auftritten.

Seit dem Jah­res­en­de 2023 wid­met sich Schmidt sei­ner poe­tisch-dich­te­ri­schen Ader, die er 2010 ent­deckt hat. Getex­tet und ver­tont fand sei­ne Lei­den­schaft in „Mit Musik, da geht das Herz auf“ (2010), „Ein schö­ner Tag“ (2012) und in „Ich sag Dan­ke­schön“ (2014) sei­nen Wider­hall. Jetzt wo er Zeit hat, spru­delt es nur aus ihm so her­aus. 2023 ent­steht „Weih­nach­ten“, 2024 „Das Win­di­schen­lai­ba­cher Dorf­glöckerl“ (2024). Dane­ben nimmt er sich Zeit für die Bibel, für den Gar­ten oder klei­ne Wan­der­tou­ren. Hob­bys, denen er noch ger­ne zehn Jah­re nach­ge­hen wür­de. Viel­leicht aber auch „Ad mul­tos annos, Heribert!“

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