Haus­halts­re­de der Bam­ber­ger Stadt­rä­tin Karin Einwag

Sehr geehr­ter Herr Oberbürgermeister,
wer­te Kol­le­gin­nen und Kollegen,
sehr geehr­ter Herr Felix,

wir alle hier haben geschwo­ren, uns zum Woh­le der Stadt Bam­berg einzusetzen.

Aber was ist die Stadt Bamberg?

Für die einen ist sie in erster Linie Welt­kul­tur­er­be­stadt, für die ande­ren Uni­ver­si­täts­stadt. Schwarm­stadt, Sport­stadt, Mit­mach­stadt, Schul­stadt, Fahr­rad­stadt, Schwamm­stadt, Siche­rer Hafen….

Karin Einwag © privat

Karin Ein­wag © privat

Aktu­ell scheint unse­re Stadt vor allem eins zu sein: überfordert.

Für vie­le Men­schen ist Bam­berg ein­fach nur ihre Hei­mat. Und sie erken­nen der­zeit ihre Stadt nicht mehr.

„Heim­li­che Haupt­stadt der Kri­mi­na­li­tät“ titel­te der FT kürzlich.

Gera­de im Bam­ber­ger Osten aber ist von Heim­lich­keit kei­ne Rede. Die Kri­mi­na­li­tät und ein gewis­ses Maß an Unbe­ha­gen ist gera­de für Frau­en und Mäd­chen all­täg­lich geleb­te Rea­li­tät. Seit Jah­ren wird das über­grif­fi­ge Ver­hal­ten bestimm­ter Män­ner­grup­pen tabui­siert und hin­ge­nom­men, dass sich Frau­en zum eige­nen Schutz aus dem öffent­li­chen Raum zurück­zie­hen. Wer bei die­sem Pro­blem ideo­lo­gi­sche Scheu­klap­pen trägt, soll­te end­lich begrei­fen, dass es nicht iso­liert betrach­tet wer­den kann.

Wer die Ver­kehrs­wen­de will, muss für siche­re Stra­ßen, Bahn­hö­fe und Bus­hal­te­stel­len sor­gen. Ein Aus­bau statt Abbau des ÖPNV und ein inter­es­san­tes Ange­bot an Pend­ler, ihr Auto außer­halb der Innen­stadt abzu­stel­len, wären eben­falls hilf­reich; oder ein Stra­ßen­be­lag, der die­sen Namen ver­dient und der die Rad­fah­rer nicht aus dem Sat­tel hebt. Statt­des­sen gibt es bei uns bun­te Lini­en auf der Fahr­bahn und Ver­kehrs­hin­der­nis­se wie die Bar­ken auf dem Fahr­rad­weg in der Kapu­zi­ner­stra­ße oder den Fahr­rad­stän­der vor der Fas­sa­de des für 32 Mil­lio­nen Euro sanier­ten Clavius-Gymnasiums.

Vie­le Bam­ber­ger haben das Gefühl, sie wer­den nicht gefragt und nicht gehört. Es wird über ihre Köp­fe hin­weg ent­schie­den. Bit­te ler­nen Sie end­lich Bür­ger­be­tei­li­gung! Die Bam­ber­ger ver­die­nen es nicht nur, dass man ihnen zuhört – sie for­dern es auch ein.

Eini­ge hier sind mit dem Ver­spre­chen ange­tre­ten „Erst zuhö­ren, dann ent­schei­den.“ Gera­de die Laut­spre­cher soll­ten sich mit­un­ter in lei­sem Zuhö­ren üben. Durchs Zuhö­ren erfah­ren wir schließ­lich am besten, was den Bam­ber­gern wirk­lich auf den Nägeln brennt.

Manch ein poli­ti­scher Akteur scheint in Bam­berg ein Pro­jekt zu sehen, das er nach Belie­ben ver­än­dern und umfor­men kann. Aber wir haben eine über 1000 Jah­re alte Stadt – nur auf Zeit – geerbt, in der das Rad nicht neu erfun­den wer­den muss. Es genügt völ­lig, wenn es fried­lich neben allen ande­ren Fort­be­we­gungs­ar­ten koexi­stiert. Es eig­net sich auch nicht als Kampf­be­griff, um mün­di­gen Bür­gern den eige­nen Wil­len auf­zu­zwän­gen oder ein Ide­al zu postu­lie­ren, dem man selbst nicht gerecht wird.

Wir haben in den letz­ten Wochen gese­hen, was geschieht, wenn man gegen den erklär­ten Wil­len der Betrof­fe­nen agiert. Sym­pa­thi­sche Schlag­wor­te und teu­er design­te Logos nut­zen nichts, wenn sie nicht mit Leben erfüllt wer­den, son­dern sich als lee­re Wort­hül­sen entlarven.

Aber es gibt aus den Erkennt­nis­sen rund um das Baum­pflanz­vor­ha­ben in der Sie­mens­stra­ße Grund zur Hoff­nung für alle, die sich mit der Bür­ger­initia­ti­ve „Für den Haupts­moor­wald“ zum Schutz des Wal­des auf der MUNA enga­giert haben: Eine Stadt­ver­wal­tung, der ein ein­zi­ger Baum über 20.000 Euro wert ist, wird nach Erwerb der MUNA dort kei­nem Baum auch nur ein Äst­chen krüm­men. Denn wir haben aus der Dis­kus­si­on gelernt: 11 Bäu­me mehr in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Wald sind alles ent­schei­dend beim Hoch­was­ser­schutz. Und so erwar­te ich auch den Erhalt des Mais­el-Wäld­chens und der unver­sie­gel­ten Flä­chen ent­lang des Ber­li­ner Rings.

Denn der Erhalt der Natur­flä­chen auf dem Stadt­ge­biet ist immer noch die beste, gün­stig­ste und ehr­lich­ste Klimaschutzmaßnahme.

Bevor wir noch mehr Flä­che im Stadt­ge­biet für Gewer­be ver­sie­geln, soll­ten wir uns bes­ser um die Gewer­be­trei­ben­den und Arbeit­ge­ber küm­mern, die bereits da sind.

Neben dem Natur­schutz ist mir auch die Sport­för­de­rung ein wich­ti­ges Anlie­gen. Sport ist nicht nur indi­vi­du­el­le Gesund­heits­prä­ven­ti­on, son­dern stärkt den Gemein­schafts­sinn, die Lei­stungs­be­reit­schaft und die Persönlichkeitsentwicklung.

Das wol­len wir wei­ter för­dern und ich dan­ke den Kol­le­gen der BuB, Danie­la Rein­fel­der und Klaus Stier­in­ger, für die Zusam­men­ar­beit im Bemü­hen zur Wie­der­auf­nah­me der Sport­ler- und Funk­tio­närs­eh­rung ab dem kom­men­den Jahr und der Sanie­rung der Tar­tan­bahn des Fuchs-Park-Sta­di­ons für siche­re Wett­kampf- und Trainingsbedingungen.

Ein gro­ßer Erfolg bei den Haus­halts­be­ra­tun­gen und ein tol­les Pro­jekt für das Jahr 2024 ist die von Herrn Kol­le­gen Andre­as Trif­fo und mir vor­ge­schla­ge­ne Sanie­rung der ERSC Roll­schuh­bahn, die zukünf­tig von Groß und Klein im Win­ter auch zum Schlitt­schuh­fah­ren genutzt wer­den kön­nen soll. Ich dan­ke den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen im Finanz­se­nat, die sich von die­ser Idee begei­stern haben las­sen, für ihr ein­stim­mi­ges Votum für die­se groß­ar­ti­ge Ergän­zung des win­ter­li­chen Sportangebots.

Wer­te Kol­le­gin­nen und Kollegen,

unser Zusam­men­wir­ken und auch die Zusam­men­ar­beit mit der Ver­wal­tung ist oft­mals geprägt von unse­rer Unter­schied­lich­keit, sinn­bild­lich hie­für die Sanie­rung des Micha­els­bergs für die näch­sten 1000 Jah­re einer­seits und ande­rer­seits den Euro­palet­ten auf dem Max­platz für einen Som­mer. Die Haus­halts­la­ge wird uns in den näch­sten Jah­ren dazu zwin­gen, prag­ma­ti­sche und effi­zi­en­te Lösun­gen zu fin­den. Ich freue mich dar­auf, die­se Her­aus­for­de­rung gemein­sam mit Ihnen allen anzunehmen.

Sehr geehr­ter Herr Felix,

Ihnen und Ihren Mit­ar­bei­tern gilt mein gro­ßer Dank. Oft ste­hen ande­re nach erfolg­rei­chem Abschluss im Fokus, aber wir alle wis­sen, dass vie­les nicht mög­lich wäre ohne die von Ihnen akqui­rier­ten Mit­tel, der prä­zi­sen Kal­ku­la­ti­on, den durch­dach­ten Anre­gun­gen. Die Ideen­ge­ber aus der Käm­me­rei blei­ben beschei­den im Hintergrund.

Ich wün­sche Ihnen und uns allen eine besinn­li­che Vor­weih­nachts­zeit, ein schö­nes Weih­nachts­fest und ein glück­li­ches und gesun­des Jahr 2024!

Karin Ein­wag

1 Antwort

  1. Ferenc sagt:

    Bam­berg sei eine „Stadt …, in der das Rad nicht neu erfun­den wer­den muss. Es genügt völ­lig, wenn es fried­lich neben allen ande­ren Fort­be­we­gungs­ar­ten koexistiert“?

    So ein­fach kann man es sich nicht machen. Lebens­qua­li­tät, Res­sour­cen­ver­brauch und Kli­ma­schutz erfor­dern schon lan­ge ein Umsteu­ern in der Ver­kehrs­po­li­tik. Das indi­vi­du­el­le Kraft­fahr­zeug kann nicht das Rück­grat der Mas­sen­mo­bi­li­tät blei­ben. Der Zwang, immer wei­te­re Distan­zen zurück­le­gen zu müs­sen, darf nicht wei­ter­hin als Zuwachs an Mobi­li­tät und Frei­heit fehl­in­ter­pre­tiert werden.

    Die Hin­wen­dung zum Umwelt­ver­bund aus Gehen, Rad‑, Bahn- und Bus­fah­ren sowie deren intel­li­gen­ter Ver­net­zung funk­tio­niert jedoch nur als Paket. Schritt­wei­se muß die Attrak­ti­vi­tät der Ver­kehrs­mit­tel in die­se Rich­tung ver­än­dert wer­den. Das heißt: Wer auf das (eige­ne) Auto ver­zich­tet, sei es für bestimm­te Zwecke oder gene­rell, benö­tigt ver­läß­li­che Alter­na­ti­ven – am Start und (!) am Ziel. Und selbst­ver­ständ­lich dür­fen die Belan­ge derer, die bei­spiels­wei­se aus gesund­heit­li­chen Grün­den auf das eige­ne Kraft­fahr­zeug ange­wie­sen sind, nicht igno­riert wer­den. Ihre Bedürf­nis­se wie­der­um dür­fen auch nicht miß­braucht wer­den, die Ver­kehrs­wen­de grund­sätz­lich in Fra­ge zu stellen.

    Für den Anfang wäre schon viel gewon­nen, der Ver­kehrs­raum wür­de gerech­ter ver­teilt, Fahr­rä­der auf der Fahr­bahn, inner­orts noch immer der recht­lich gewoll­te Nor­mal­fall, wären als gleich­be­rech­tigt respek­tiert, das Geschwin­dig­keits­ge­sche­hen beweg­te sich auf einem für alle ver­träg­li­chen Niveau, der in vie­len Köp­fen noch immer ver­an­ker­te ver­meint­li­che Vor­rang des moto­ri­sier­ten Ver­kehrs verschwände.

    Wenn dann auch end­lich ange­gan­gen wür­de, die dem nicht moto­ri­sier­ten Ver­kehr zuge­dach­ten Ver­kehrs­räu­me den ein­schlä­gi­gen tech­ni­schen Regel­wer­ken gemäß zu gestal­ten, wäre das ein wei­te­rer Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung. Das Baye­ri­sche Stra­ßen- und Wege­ge­setz ver­langt dies zumin­dest bei Neu- und wesent­li­chem Umbau. Tat­säch­lich wird immer wie­der kraß dage­gen ver­sto­ßen, und Initia­ti­ven aus dem Bam­ber­ger Stadt­rat aus jün­ge­rer Zeit for­dern eine der­ar­ti­ge Igno­ranz sogar ein.