Forch­heim: UNESCO erklärt Tra­di­tio­nel­le Bewäs­se­rung zum Imma­te­ri­el­len Kulturerbe

Wässerwiesen bei Forchheim © Julia Schrade
Wässerwiesen bei Forchheim © Julia Schrade

Die UNESCO hat die Tra­di­tio­nel­le Bewäs­se­rung zum Imma­te­ri­el­len Kul­tur­er­be der Mensch­heit erklärt. Die jahr­hun­der­te­al­te land­wirt­schaft­li­che Kul­tur­tech­nik wur­de von Bel­gi­en, Ita­li­en, Luxem­burg, den Nie­der­lan­den, Öster­reich, der Schweiz und Deutsch­land zur Auf­nah­me in die UNESCO-Liste vor­ge­schla­gen. Der Zwi­schen­staat­li­che Aus­schuss zum Imma­te­ri­el­len Kul­tur­er­be tagt noch bis zum 9. Dezem­ber in Kasa­ne, Botswana.

„Das Wis­sen und die Tech­nik hin­ter einer viel­fäl­ti­gen und tra­di­ti­ons­rei­chen Form der Bewäs­se­rung wird erhal­ten und fort­ge­führt, dazu haben sich ins­be­son­de­re die Mit­glieds­län­der des Inter­na­tio­na­len Zen­trums für Tra­di­tio­nel­le Bewäs­se­rung Ita­li­en, Öster­reich, Schweiz, Luxem­burg, Bel­gi­en, Nie­der­lan­de und Deutsch­land mit ihren Trä­ger­grup­pen ver­pflich­tet. Die Nut­zen der Tra­di­tio­nel­len Bewäs­se­rung sind gera­de in Zei­ten des Kli­ma­wan­dels gefrag­ter denn je. Wäs­ser­grä­ben sind struk­tur­bil­dend, bio­di­ver­si­täts­för­dernd, ver­bin­dend. Die Wäs­ser­wie­sen bin­den in erheb­li­chem Maß Koh­len­stoff und die­nen somit dem Kli­ma­schutz der Stadt Forch­heim. Die Wäs­se­rung selbst för­dert dar­über hin­aus auch den Land­schafts­was­ser­haus­halt und schafft wert­vol­le Schwamm­land­schaf­ten“, freut sich Julia Schr­a­de, Was­ser­ma­na­ge­rin der Stadt Forch­heim, ehe­ma­li­ge Pro­jekt­ma­na­ge­rin des Wäs­ser­wie­sen­pro­jekts im Land­kreis Forch­heim. Denn auch kli­ma­tisch pro­fi­tiert die Stadt Forch­heim immens von den über 200 ha bewäs­ser­ten Flä­chen auf dem Stadt­ge­biet und die Trink­was­ser­ver­sor­gung der Stadt­wer­ke Forch­heim wird durch die Grund­was­ser­neu­bil­dung erheb­lich unterstützt.

„Gro­ßer Dank gebührt in beson­de­rem Maß den Wäs­sern­den und Land­wir­ten Mar­kus Gal­ster aus Gos­berg und Karin End­res aus Serl­bach, die die­se beson­de­re Bewäs­se­rungs­tech­nik ins­be­son­de­re im Stadt­ge­biet von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter­ge­ben und leben­dig halten.

So kom­men die Inter­es­sen der Land­wirt­schaft, Was­ser­wirt­schaft und des Natur­schut­zes erfolg­reich zusam­men“, freu­en sich Forch­heims Ober­bür­ger­mei­ster Dr. Uwe Kirsch­stein, Bau­amts­lei­ter René Franz und Diplom­bio­lo­ge und Stadt­rat Johan­nes Mohr, der das Vor­ha­ben seit über 30 Jah­ren am Land­kreis Forch­heim feder­füh­rend unter­stützt hat­te, unisono.

„Die Ent­schei­dung der UNESCO zeigt, wie wich­tig es ist, sich über Län­der­gren­zen hin­weg für die nach­hal­ti­ge Nut­zung unse­rer natür­li­chen Res­sour­cen ein­zu­set­zen. Die Tra­di­tio­nel­le Bewäs­se­rung ist ein leben­di­ges Erbe, das einen ent­schei­den­den Bei­trag dazu lei­stet, die bio­lo­gi­sche Viel­falt unse­rer Kul­tur­land­schaf­ten zu erhal­ten. Ich gra­tu­lie­re allen, die sich für den Erhalt die­ser Kul­tur­tech­nik stark machen, zu ihrem Erfolg“, erklärt der Vize­prä­si­dent der Deut­schen UNESCO-Kom­mis­si­on Chri­stoph Wulf.

Durch die Nut­zung der Schwer­kraft wer­den bis heu­te land­wirt­schaft­li­che Flä­chen bewäs­sert. Bewäs­se­rungs­ge­mein­schaf­ten lei­ten Was­ser aus Flüs­sen und Kanä­len auf Fel­der und Wie­sen um. Dafür wer­den vor­über­ge­hend klei­ne Grä­ben aus­ge­ho­ben oder das Was­ser auf­ge­staut, um künst­li­che Über­läu­fe zu schaf­fen. In Deutsch­land ist die­se Form der Bewäs­se­rung unter ande­rem ent­lang der Flüs­se Red­nitz, Reg­nitz und Wie­sent in Fran­ken sowie im Gebiet der Queich in Rhein­land-Pfalz bis heu­te lebendig.

„Der Pro­zess der Bewer­bung war mit einem regen Aus­tausch zwi­schen den Trä­ger­grup­pen in Euro­pa, gegen­sei­ti­gen Besu­chen und dem Ent­ste­hen per­sön­li­cher Freund­schaf­ten ver­bun­den. Dies stärk­te das Bewusst­sein für die­sen gemein­sa­men kul­tu­rel­len Schatz, den es zu bewah­ren gilt. Gleich­zei­tig reif­te die Erkennt­nis, dass die Tra­di­tio­nel­le Bewäs­se­rung nicht nur in der Ver­gan­gen­heit eine exi­sten­zi­el­le Bedeu­tung hat­te, son­dern auch wesent­lich zur Lösung von gegen­wär­ti­gen und zukünf­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen bei­tra­gen kann, wie zum Bei­spiel beim Hoch­was­ser­schutz, beim Kli­ma­schutz, beim Land­schafts­was­ser­haus­halt und beim Schutz der Bio­di­ver­si­tät. Wir sind glück­lich, dass Deutsch­land mit gleich zwei Regio­nen an die­sem Ein­trag betei­ligt ist“, betont der Koor­di­na­tor der Inter­es­sen­ge­mein­schaft Queich­wie­sen Pir­min Hilsendegen.

Die Tra­di­tio­nel­le Bewäs­se­rung basiert auf einem umfas­sen­den Ver­ständ­nis der Land­schaft, des Was­ser­flus­ses und der Wet­ter­be­din­gun­gen. Die­ses Wis­sen bezieht alle natür­li­chen und tech­ni­schen Fak­to­ren ein und wird von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter­ge­ge­ben. Dazu zäh­len etwa Kennt­nis­se über den Bau und die War­tung von Kanä­len, Grä­ben und Rin­nen, Erfah­run­gen zu Bewäs­se­rungs­zei­ten und ‑men­gen sowie über die Richt­li­ni­en zur Was­ser­ver­tei­lung, die in soge­nann­ten Was­ser- oder Kehr­ord­nun­gen zusam­men­ge­fasst sind.

„Die Tra­di­tio­nel­le Bewäs­se­rung ist eine Quel­le der regio­na­len Iden­ti­tät und der kul­tu­rel­len Erin­ne­rung. Wäs­ser­wie­sen als Zeug­nis jahr­hun­der­te­lan­ger Anpas­sun­gen an einen ste­ten Wan­del sind leben­di­ge Bei­spie­le für ein aus­ba­lan­cier­tes Gleich­ge­wicht zwi­schen Natur und Mensch und sind ein Weg­wei­ser für nach­hal­ti­ges Han­deln heu­te und mor­gen“, erläu­tert Roland Lindach­er, der beim Land­kreis Forch­heim für die Wäs­ser­wie­sen zustän­dig ist.

Die­se nach­hal­ti­ge und auf Koope­ra­ti­on basie­ren­de Form der Was­ser­ver­sor­gung dient dazu, trocke­ne Gebie­te zu kul­ti­vie­ren. Neben dem land­wirt­schaft­li­chen Nut­zen hat die Tech­nik auch posi­ti­ve Effek­te für die Bio­di­ver­si­tät. So ent­wickeln sich in den wech­sel­feuch­ten Wie­sen klein­tei­li­ge Struk­tu­ren mit gro­ßer Arten­viel­falt. In Deutsch­land bie­ten die­se Kul­tur­land­schaf­ten etwa dem Weiß­storch Nah­rung und Lebensraum.