Forch­hei­mer Orchi­deen­for­scher ent­deckt neue Orchi­deen­art auf Ibiza

Ibiza-Ragwurz © A. Riechelmann
Ibiza-Ragwurz © A. Riechelmann

Selbst Men­schen, die noch nie auf Ibi­za waren, haben ein kon­kre­tes Bild der Mit­tel­meer­in­sel im Kopf: Wer hier­her­kommt, möch­te vor allem in den legen­dä­ren Clubs und Dis­co­the­ken bis in die Mor­gen­stun­den hin­ein fei­ern. Die­se Pau­scha­li­sie­rung ist aber nicht fair, schließ­lich kon­zen­triert sich die Par­ty­kul­tur vor­ran­gig auf den Süden des Eilands und wird dem rest­li­chen Teil der Insel nicht gerecht. Wer möch­te, kann näm­lich auf Ibi­za in den Früh­lings­mo­na­ten auch Natur­ver­bun­den­heit und Ein­sam­keit fin­den – unbe­rühr­te Natur gibt es noch genü­gend. Ibi­za bie­tet sat­te Far­ben, nicht nur nachts im Laser­licht der Par­ty­mei­len. Die Land­schaft erscheint teil­wei­se rot von der Erde und dun­kel­grün auf­grund der dich­ten Vege­ta­ti­on. In der Tat nann­ten die alten Grie­chen die Insel auf­grund der zahl­rei­chen Wald­ge­bie­te, die sich ganz­jäh­rig wie eine grü­ne Decke über Fel­der und Hügel legen, die „Pity­u­sen“, die Pinieninsel.

Im Früh­jahr 2023 unter­nah­men Adolf Rie­chelm­ann und sein Freund Hans Kohl­mül­ler eine bota­ni­sche Exkur­si­on auf die Balea­ren­in­sel Ibi­za. Das Haupt­in­ter­es­se lag dabei auf der Beob­ach­tung und Ver­mes­sung einer klei­nen Rag­wurz-Art, deren Ent­deckungs­ge­schich­te bis in das Jahr 2012 zurück reicht. Anfang April 2012 fand Adolf Rie­chelm­ann in einem lich­ten Kie­fern­wald in der Nähe von San­ta Agnes de Coro­na im Nord­we­sten der Insel Ibi­za eine Rag­wurz-Popu­la­ti­on von mehr als 100 Pflan­zen mit extrem klei­nen Lip­pen. Die­se Pflan­zen wuch­sen an fel­si­gen Stel­len im Kie­fern­wald am Ran­de eines stau­bi­gen Weges.

Die­se Sip­pe war auch der Grund für den erneu­ten Besuch der Insel im Früh­jahr 2013, die Pflan­zen soll­ten noch ein­mal in Augen­schein genom­men wer­den. Im Ver­lauf der Exkur­si­on wur­den vier wei­te­re Popu­la­tio­nen die­ser unge­wöhn­li­chen Rag­wurz-Art im Westen und Süd­we­sten der Insel gefun­den. Auf­fal­lend waren sowohl die gerin­ge Wuchs­hö­he (14 bis 21 Zen­ti­me­ter) als auch die gerin­ge Anzahl der Blü­ten. Die mei­sten Pflan­zen hat­ten eine oder zwei, nur eine Pflan­ze trug drei Blüten.

Bei der Vor­be­rei­tung einer Früh­jahrs­exkur­si­on für das Jahr 2023 erin­ner­ten sich Rie­chelm­ann und Kohl­mül­ler an die Orchi­deen mit den win­zi­gen Blü­ten auf Ibi­za. Es erschien für sie inter­es­sant her­aus­zu­fin­den, ob die­se Popu­la­tio­nen nach über zehn Jah­ren noch vor­han­den sei­en. Vom 10. April bis 20. April 2023 berei­sten die Gefähr­ten aber­mals die Insel Ibi­za. Bereits am ersten Exkur­si­ons­tag wur­den mehr als 25 Pflan­zen die­ser klein­wüch­si­gen und klein­blü­ti­gen Rag­wurz-Art gefun­den. Die Popu­la­ti­on wuchs an einem mit Kie­fern und Wachol­der bewach­se­nen Nord­ost­hang nahe Fora­da im Nord­we­sten des Eilan­des. Die mei­sten Pflan­zen stan­den im Schut­ze eines dich­ten Wachol­der­ge­strüpps, sodass sie wäh­rend des gan­zen Tages kaum direk­ter Son­nen­ein­strah­lung aus­ge­setzt waren. Einen Groß­teil der Exem­pla­re wur­de in Hoch­blü­te ange­trof­fen, eini­ge waren noch knos­pend, ande­re bereits ver­blüht. Drei wei­te­re Popu­la­tio­nen mit ins­ge­samt mehr als 50 Pflan­zen konn­ten im Lau­fe der Exkur­si­on noch gefun­den wer­den. Die Unter­su­chun­gen der Exem­pla­re und die Ergeb­nis­se der bio­me­tri­schen Daten bekräf­tig­ten die Mei­nung, dass es sich um eine noch unbe­schrie­be­ne Sip­pe han­deln muss. Sie zeigt eine eige­ne Aus­prä­gung und unter­schei­det sich deut­lich von allen ande­ren Rag­wurz-Arten der Insel. Da das Vor­kom­men die­ser Art höchst­wahr­schein­lich auf die Insel beschränkt ist, haben Rie­chelm­ann und Kohl­mül­ler sie als Ibi­za-Rag­wurz (Ophrys eivis­sa) neu beschrie­ben, benannt nach dem kata­la­ni­schen Namen der Insel (Eivis­sa).

Wer das Aben­teu­er der Orchi­deen­su­che ein­mal begon­nen hat, wird nicht mehr so schnell davon los­kom­men, betont Adolf Rie­chelm­ann. Mit jedem Jahr schär­fe sich der Blick, neh­me die Ahnung oder die Gewiss­heit zu, wo etwa die­se oder jene Art anzu­tref­fen sein mag. Trotz­dem braucht man auch ein gehö­ri­ges Quan­tum Glück und auch der Zufall spielt eine nicht unbe­deu­ten­de Rol­le für die Ent­deckung einer neue Orchideenart.