War­mer Herbst ver­wirrt Bay­erns Tier- und Pflanzenwelt

Mil­de Tem­pe­ra­tu­ren brin­gen Rhyth­mus der Natur durch­ein­an­der – Mehr Kli­ma­schutz drin­gend gefragt

Der ver­gan­ge­ne Okto­ber war der wärm­ste seit Beginn der Wet­ter­auf­zeich­nun­gen. Auch der Novem­ber beginnt mit Rekord­tem­pe­ra­tu­ren. Wie der­zeit zu beob­ach­ten ist, hat die mil­de Wit­te­rung viel­fäl­ti­ge Aus­wir­kun­gen auf die Tier- und Pflan­zen­welt in Bay­ern. „Vie­le Zug­vö­gel, vor allem Kurz­strecken­zie­her wie Sta­re, sind noch nicht auf dem Weg in den Mit­tel­meer­raum, Win­ter­schlä­fer wie der Igel zögern ihre Ruhe­pha­se hin­aus und sind in den Gär­ten unter­wegs und auch Fle­der­mäu­se flie­gen noch auf Nah­rungs­su­che umher“, sagt LBV-Exper­tin Dr. Ange­li­ka Nel­son. Die Ver­än­de­run­gen im Jah­res­lauf kön­nen weit­rei­chen­de Fol­gen für das gesam­te Öko­sy­stem haben. Der baye­ri­sche Natur­schutz­ver­band LBV (Lan­des­bund für Vogel- und Natur­schutz) mahnt des­halb drin­gend ver­stärk­te Anstren­gun­gen im Kli­ma­schutz an.

Wann Zug­vö­gel in den Süden auf­bre­chen, hängt neben der Tages­län­ge auch von der Umge­bungs­tem­pe­ra­tur, Wind­stär­ke, Wind­rich­tung und dem aktu­el­len Nah­rungs­an­ge­bot ab. Vor allem Vogel­ar­ten, die nor­ma­ler­wei­se im Mit­tel­meer­raum über­win­tern, blei­ben auf­grund der Ein­flüs­se des Kli­ma­wan­dels immer län­ger in Bay­ern. „In den ver­gan­ge­nen Jah­ren haben die Teil­neh­men­den bei unse­rer Mit­mach­ak­ti­on im Janu­ar, der Stun­de der Win­ter­vö­gel, ver­mehrt Beob­ach­tun­gen von Kurz­strecken­zie­hern wie Zilpz­alp oder Mönchs­gras­mücke gemel­det. Vor eini­gen Jah­ren waren sol­che Sich­tun­gen noch eine Rari­tät ”, weiß Ange­li­ka Nelson.

Vögel, die in Bay­ern über­win­tern, pro­fi­tie­ren im Früh­jahr: Sie begin­nen frü­her mit der Brut und sichern sich die besten Nist­plät­ze. Für Lang­strecken­zie­her wie Kuckuck oder Gar­ten­rot­schwanz, die den Win­ter süd­lich der Saha­ra in Afri­ka ver­brin­gen, kann das Nach­tei­le haben. Wenn sie im Früh­jahr nach Euro­pa zurück­keh­ren, fin­den sie unter Umstän­den kei­ne geeig­ne­ten Brut­plät­ze mehr. Das ver­än­der­te Zug­ver­hal­ten eini­ger Arten betrifft außer­dem Vögel, die schon immer in Bay­ern über­win­tern, wie Kohl- und Blau­mei­se. Sie müs­sen sich die begrenz­ten Res­sour­cen nun mit den neu­en Daheim­ge­blie­be­nen teilen.

Tie­re reagie­ren unter­schied­lich auf den Wandel

Pro­ble­ma­tisch sind die Ver­än­de­run­gen im Jah­res­zy­klus auch des­halb, weil nicht alle Tie­re gleich auf sie reagie­ren. „Über Jah­re ein­ge­spiel­te Bezie­hun­gen zwi­schen ver­schie­de­nen Lebe­we­sen gera­ten aus dem Takt”, erklärt Ange­li­ka Nel­son. Für Igel kann es jetzt bei­spiels­wei­se noch zu warm für den Win­ter­schlaf sein. Insek­ten, Spin­nen und Wür­mer, von denen sie sich ernäh­ren, ver­stecken sich aber bereits an gut geschütz­ten Orten für den Win­ter. „Die Igel ver­brau­chen jetzt wert­vol­le Ener­gie bei der Nah­rungs­su­che und haben Schwie­rig­kei­ten sich genü­gend Fett­re­ser­ven anzu­fres­sen“, erklärt Ange­li­ka Nel­son. Ähn­lich geht es den Fle­der­mäu­sen, die bereits im Som­mer unter dem Man­gel an Flug­in­sek­ten gelit­ten haben. Sie brau­chen für ihren Win­ter­schlaf zudem Quar­tie­re mit kon­stant küh­len Tem­pe­ra­tu­ren. Ist es in den Höh­len und Spal­ten zu warm, ver­brau­chen sie unnö­tig Ener­gie für ihren Stoffwechsel.

Gefahr für käl­te­lie­ben­de Arten

Blei­ben die Tem­pe­ra­tu­ren auch in den kom­men­den Mona­ten über dem lang­jäh­ri­gen Mit­tel, kann es in eini­gen Gebie­ten zu Ver­än­de­run­gen in der Arten­zu­sam­men­set­zung kom­men. Alpi­ne Arten wie das Alpen­schnee­huhn, nor­di­sche Gän­se­ar­ten oder die Wachol­der­dros­sel sind auf kal­te Wohl­fühl­tem­pe­ra­tu­ren ange­wie­sen. „Bei stei­gen­den Tem­pe­ra­tu­ren zie­hen sie sich in höhe­re Lagen und nach Nor­den zurück. Da die­se Rück­zugs­ge­bie­te geo­gra­fisch begrenzt sind, stellt die Kli­ma­kri­se eine gro­ße Gefahr für ihr Vor­kom­men dar“, so die Biologin.

Die viel­fäl­ti­gen Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels und des damit ein­her­ge­hen­den Arten­ster­bens haben auch Fol­gen für die Land­wirt­schaft und damit für die Men­schen und ihre Lebens­grund­la­ge. „Kli­ma­schutz ist Men­schen­schutz. Wenn die Natur aus dem Gleich­ge­wicht gerät, hat das direk­te Kon­se­quen­zen für uns“, sagt die LBV-Bio­lo­gin Ange­li­ka Nel­son. Aus Sicht des LBV ist es daher unbe­dingt not­wen­dig, den Kli­ma- und Arten­schutz in Bay­ern wei­ter voranzutreiben.


Über den LBV

1909 gegrün­det ist der LBV – Lan­des­bund für Vogel- und Natur­schutz in Bay­ern e. V. – der älte­ste Natur­schutz­ver­band in Bay­ern und zählt aktu­ell über 115.000 Unter­stüt­ze­rin­nen und Unter­stüt­zer. Der LBV setzt sich durch fach­lich fun­dier­te Natur- und Arten­schutz­pro­jek­te sowie Umwelt­bil­dungs­maß­nah­men für den Erhalt einer viel­fäl­ti­gen Natur und Vogel­welt im Frei­staat ein. Mehr Infos: www​.lbv​.de/​u​e​b​e​r​-​uns.