IG BAU warnt vor „Asbest-Wel­le“ im Kreis Kulmbach

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11.300 Wohn­häu­ser im Kreis Kulm­bach sind „Asbest-Fal­len“ bei Sanierung

Ton­nen von Bau­ma­te­ri­al mit Asbest stecken im Kreis Kulm­bach in Alt­bau­ten. „Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Bau­stof­fe inten­siv zum Ein­satz. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass es in jedem Gebäu­de, das in die­ser Zeit gebaut, moder­ni­siert oder umge­baut wur­de, Asbest gibt. Mal mehr, mal weni­ger“, sagt Uwe Beh­rendt von der IG Bau­en-Agrar-Umwelt (IG BAU). Er spricht von „Asbest-Fal­len“ und nennt Zah­len: „In den vier ‚Asbest-Jahr­zehn­ten‘ wur­den im Land­kreis Kulm­bach rund 11.300 Wohn­häu­ser mit 19.500 Woh­nun­gen neu gebaut. Das sind immer­hin 50 Pro­zent aller Wohn­ge­bäu­de, die es heu­te im Kreis gibt. Dazu kom­men noch Gewer­be­ge­bäu­de, Gara­gen, Stäl­le und Scheu­nen in der Land­wirt­schaft.“ Der Bezirks­vor­sit­zen­de der IG BAU Ober­fran­ken ver­weist dabei auf die „Situa­ti­ons­ana­ly­se Asbest“, die die Bau-Gewerk­schaft beim Pest­el-Insti­tut (Han­no­ver) in Auf­trag gege­ben hat.

„Asbest ist ein krebs­er­re­gen­der Stoff. Wer in einem asbest­be­la­ste­ten Haus wohnt, muss sich trotz­dem erst ein­mal kei­ne Sor­gen machen. Erst bei Sanie­rungs­ar­bei­ten wird es kri­tisch. Dann kann Asbest frei­ge­setzt und damit zu einem ern­sten Pro­blem wer­den“, sagt Uwe Beh­rendt. Er warnt vor einer „unsicht­ba­ren Gefahr“, wenn Alt­bau­ten zu Bau­stel­len wer­den: „Alles fängt mit Bau­staub und dem Ein­at­men von Asbest­fa­sern an. Bau­ar­bei­ter und Heim­wer­ker haben kaum eine Chan­ce, die­se Gefahr zu erken­nen.“ Bis zu 30 Jah­re daue­re es, ehe es zur tra­gi­schen Dia­gno­se kom­me: Asbe­sto­se – mit Lungen‑, Bauch­fell- oder Kehl­kopf­krebs. Zum Kom­plett-Schutz bei einer Sanie­rung mit Asbest-Gefahr gehö­re daher immer min­de­stens eine FFP3-Atem­schutz­mas­ke. Eben­so ein Muss: Over­all, Schutz­bril­le und Handschuhe.

„Alt­bau­ten im Kreis Kulm­bach sind ein ton­nen­schwe­res Asbest-Lager. Die krebs­er­re­gen­de Mine­ral­fa­ser steckt in vie­len Bau­stof­fen. Die ‚Asbest-Fal­len‘ lau­ern über­all: Asbest ist oft im Putz und sogar in Spach­tel­mas­sen und Flie­sen­kle­bern. Vor allem aber im Asbest-Zement. Dar­aus wur­den vor­wie­gend Roh­re, Fas­sa­den­ver­klei­dun­gen und Dach­ein­deckun­gen gemacht. Eter­nit war typisch für den Westen, Bau­fa­nit für den Osten“, sagt Uwe Beh­rendt. Ein gro­ßes Pro­blem sei Spritz-Asbest: „Hier sind die Asbest­fa­sern schwä­cher gebun­den. Sie kön­nen des­halb leich­ter frei­ge­setzt wer­den. Vor allem Auf­zugs­schäch­te sowie Schäch­te mit Ver­sor­gungs- und Ent­sor­gungs­lei­tun­gen wur­den frü­her inten­siv mit Spritz­asbest ver­klei­det“, erklärt Behrendt.

Die IG BAU Ober­fran­ken spricht von einer neu­en „Asbest-Gefahr“: „Wir ste­hen am Anfang von zwei Sanie­rungs­jahr­zehn­ten. Die ener­ge­ti­sche Gebäu­de­sa­nie­rung wird enorm an Fahrt auf­neh­men. Um die Kli­ma­schutz­zie­le zu errei­chen, wird auch im Kreis Kulm­bach in den näch­sten Jah­ren ein Groß­teil der Alt­bau­ten ‚ange­fasst‘.“ Dabei blei­be es in den mei­sten Fäl­len nicht bei einer rei­nen Ener­gie­spar-Sanie­rung: „Wohn­häu­ser wer­den moder­ni­siert, senio­ren- und fami­li­en­ge­recht umge­baut. Es wird ange­baut und auf­ge­stockt, um mehr Wohn­raum zu bekom­men“, so Behrendt.

Mit der Sanie­rungs­wel­le dro­he des­halb jetzt auch eine ‚Asbest-Wel­le‘ auf dem Bau. „Sie ist eine Gefahr – für Bau­ar­bei­ter genau­so wie für Heim­wer­ker“, sagt der Bezirks­vor­sit­zen­de der Bau-Gewerk­schaft. Aber IG BAU und Pest­el-Insti­tut geben auch Ent­war­nung. Für die Men­schen, die in Wohn­ge­bäu­den leben, die mit asbest­hal­ti­gen Bau­stof­fen gebaut wur­den, haben sie eine kla­re Bot­schaft: „Eine unmit­tel­ba­re Gefähr­dung für die Gesund­heit gibt es nicht.“ Bei einer Sanie­rung im bewohn­ten Zustand sei es aller­dings wich­tig, mit „aller­größ­ter Sorg­falt pro­fes­sio­nell vor­zu­ge­hen“, mah­nen Uwe Beh­rendt und der Lei­ter des Pest­el-Insti­tuts, Mat­thi­as Günther.

IG BAU legt „Asbest-Char­ta“ vor und ver­langt För­der­pro­gramm „Asbest-Sanie­rung“

Die IG BAU will der dro­hen­den „Asbest-Wel­le“ auf dem Bau jetzt mit einem Maß­nah­men­pa­ket ent­ge­gen­tre­ten. Die Bau-Gewerk­schaft hat dazu eine bun­des­wei­te „Asbest-Char­ta“ mit zen­tra­len For­de­run­gen für mehr Schutz vor Asbest vor­ge­legt. Der 5‑Punk­te-Kata­log kann bei der IG BAU Ober­fran­ken ange­for­dert wer­den: bayreuth@​igbau.​de. „Es geht dabei um bes­se­re Infor­ma­tio­nen über Asbest-Gefah­ren bei Gebäu­den, um die För­de­rung von Asbest-Sanie­run­gen und vor allem auch um kon­se­quen­ten Arbeits­schutz. Denn der bevor­ste­hen­de Sanie­rungs­boom darf nicht zu einer Krank­heits­wel­le füh­ren“, warnt Uwe Behrendt.

Der Gewerk­schaf­ter for­dert einen Schad­stoff-Gebäu­de­pass mit unter­schied­li­chen Gefah­ren­stu­fen für die jewei­li­ge Asbest-Bela­stung eines Gebäu­des. „Jeder Bau­ar­bei­ter und jeder Heim­wer­ker muss wis­sen, auf was er sich ein­lässt, wenn er Flie­sen abschlägt, Wän­de ein­reißt oder Fas­sa­den saniert“, so Uwe Behrendt.

Er plä­diert außer­dem für eine staat­li­che Sanie­rungs­prä­mie. Dazu müs­se der Bund ein KfW-För­der­pro­gramm „Asbest-Sanie­rung“ schaf­fen. „Das hilft, Kosten abzu­fe­dern, die bei einer – bei­spiels­wei­se ener­ge­ti­schen oder alters­ge­rech­ten – Gebäu­de­sa­nie­rung in asbest­be­la­ste­ten Wohn­häu­sern zusätz­lich ent­ste­hen. Außer­dem lie­ße sich damit auch eine ord­nungs­ge­mä­ße Ent­sor­gung von alten Asbest-Bau­stof­fen sicher­stel­len“, so der Vor­sit­zen­de der IG BAU Oberfranken.

Gewerk­schaft will Info-Kam­pa­gne zur Asbest-Gefahr für Bau­ar­bei­ter und Heimwerker

Die Gewerk­schaft for­dert des­halb eine inten­si­ve Asbest-Auf­klä­rung: „Bau­ar­bei­ter und Heim­wer­ker müs­sen wis­sen, wie der opti­ma­le Schutz vor Asbest aus­sieht. Und das muss den Men­schen in der Spra­che gesagt wer­den, die sie ver­ste­hen – den aus­län­di­schen Beschäf­tig­ten also auch in ihrer Mut­ter­spra­che“, so Uwe Beh­rendt. Er for­dert des­halb eine Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne des Bun­des und der Län­der. Die hei­mi­schen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten sei­en jetzt am Zug, den dro­hen­den Gefah­ren einer „Asbest-Wel­le“ recht­zei­tig mit einem effek­ti­ven Maß­nah­men­pa­ket entgegenzutreten.

Die Dimen­si­on und damit auch die Gefahr, die vom Asbest aus­ge­he, sei gewal­tig: Ins­ge­samt sind nach Anga­ben des Pest­el-Insti­tuts von 1950 bis 1990 bun­des­weit rund 4,35 Mil­lio­nen Ton­nen Asbest (Ost- und West­deutsch­land) impor­tiert wor­den. Dar­aus sei­en rund 3.500 Pro­duk­te her­ge­stellt wor­den – die mei­sten davon für den Bau­be­reich: Knapp 44 Mil­lio­nen Ton­nen asbest­be­la­ste­tes Bau­ma­te­ri­al stecken bun­des­weit im Gebäu­de­be­stand. In den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren sind nach Anga­ben der IG BAU 3.376 Ver­si­cher­te der Berufs­ge­nos­sen­schaft der Bau­wirt­schaft (BG BAU) an den Fol­gen einer asbest­be­ding­ten Berufs­er­kran­kung gestor­ben – dar­un­ter allein 320 Bau­be­schäf­tig­te im ver­gan­ge­nen Jahr.