Erfolg­rei­che Groß­übung am Bay­reu­ther Medizincampus

Großübung am Medizincampus
Großübung am Medizincampus

Stu­die­ren­de üben mit Ret­tungs­dien­sten und Not­ärz­ten den Notfall

Ob er zufrie­den ist? „Oh ja“, sagt Jörg Reu­ters­han, Direk­tor der Kli­nik für Anästhesiologie/​Operative Inten­siv­me­di­zin an der Kli­ni­kum Bay­reuth GmbH und Pro­fes­sor am Medi­zin­cam­pus Ober­fran­ken (MCO). Die Groß­übung mit über 50 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern am MCO-Gebäu­de auf dem Kli­ni­kum-Gelän­de hat gezeigt: Wenn es ernst wird, arbei­ten Ret­tungs­dien­ste und Not­ärz­te sehr gut zusammen.

Für Prof. Dr. Reu­ters­han dar­über hin­aus beson­ders erfreu­lich: Die Medi­zin­Stu­die­ren­den des MCO, die sich in der Arbeits­ge­mein­schaft Not­fall­me­di­zin enga­gie­ren und die einen wesent­li­chen Part der Übung aus­mach­ten, haben einen tol­len Job gemacht. Ihre Auf­ga­be bei der Übung war die Vor­sich­tung der zu ver­sor­gen­den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. „Sie lagen mit ihren Ein­schät­zun­gen und der Prio­ri­sie­rung viel­leicht nicht zu hun­dert, aber zu min­de­stens 90 Pro­zent rich­tig. Wenn man sich vor Augen hält, dass dies die erste sol­che Übung für unse­re Stu­die­ren­den war, ist das ein außer­or­dent­lich gutes Ergebnis.“

Kon­zen­triert und auf den Punkt

Sams­tag­mor­gen, kurz nach 8 Uhr, Brie­fing für alle im Hör­saal des MCO­Ge­bäu­des: Jan­nik Dietz von der AG Not­fall­me­di­zin gibt einen Über­blick. Wie läuft die Übung ab? Wann ist wer wo? Was ist das Ziel und wer bewer­tet den Ein­satz? Er spricht knapp und auf den Punkt. Er zeigt das Übungs­ge­biet. Die Anfahrt an den Übungs­ort wird mit Blau­licht und Mar­tins­horn statt­fin­den, „damit der Stress­pe­gel steigt“. Wor­über er nicht redet, ist das Sze­na­rio der Übung. Ein paar grund­le­gen­de Infor­ma­tio­nen wer­den die Hel­fer kurz vor­her bekom­men. So wie im rich­ti­gen Leben eben.

Vier Mona­te lang hat der Medi­zin­stu­dent im neun­ten Seme­ster gemein­sam mit den Ande­ren aus der AG Not­fall­me­di­zin auf die­sen Tag hin­ge­ar­bei­tet. Die Orga­ni­sa­ti­on ist per­fekt. Mimen sind da, Schmink­teams auch.

Not­fall­ruck­säcke sind bestückt. Simu­la­ti­ons­pup­pen, denen man Zugän­ge legen und an denen man inva­si­ve Maß­nah­men aus­füh­ren kann, lie­gen bereit.

Und vor allem: Ret­tungs­kräf­te des BRK, von SKS und den Mal­te­sern sind dabei. Ste­fan Piel­mei­er, Ober­arzt der Anäs­the­sie, hält einen kur­zen Vortrag.

Noch zwei Stun­den bis zum Übungs­be­ginn, der Count­down läuft. Und Jan­nik Dietz, der neben sei­nem Stu­di­um ehren­amt­lich im Ret­tungs­dienst und im Kata­stro­phen­schutz tätig ist, sagt: „Das Wich­tig­ste ist: Seid ein Team.“ Das wird nötig sein, denn das Sze­na­rio sieht vor, dass ein zwei­tes Groß­scha­dens­er­eig­nis zeit­gleich pas­siert – und dort bereits vie­le Hel­fer gebun­den sind.

Das Sze­na­rio: ein Busunfall

8.45 Uhr im Schmink­raum: Die „Ver­letz­ten“ bekom­men ihre Rol­len und lang­sam wird kla­rer, wor­um es gehen wird. Ein Bus­fah­rer erlei­det einen Herz­in­farkt. Das Fahr­zeug kommt von der Fahr­bahn ab, kracht an einen Baum, ein Kind und 14 Erwach­se­ne wer­den ver­letzt. Vom klei­nen Krat­zer an der Stirn bis zur klaf­fen­den Fleisch­wun­de am Bein. Und um es noch ein wenig kom­pli­zier­ter zu machen: Ein Pas­sa­gier hat Asth­ma, eine ande­re hat Dia­be­tes – Erkran­kun­gen, die man nicht sofort sieht. Fast möch­te man sagen, dass da Künst­ler am Werk sind. So echt erschei­nen die Wun­den, so sehr wirkt die ange­schmink­te Bläs­se in den Gesich­tern der Mimen.

Nicht alles ist planbar

Drau­ßen vor dem Gebäu­de stimmt sich Dr. Chri­sti­an Haag mit dem orga­ni­sa­to­ri­schen Lei­ter Ret­tungs­dienst ab. Der Lei­ten­de Not­arzt und sein Pen­dant aus dem Ret­tungs­dienst müs­sen den Über­blick behal­ten. „Bei Groß­scha­dens­la­gen geht es für uns zunächst dar­um, die Kata­stro­phe orga­ni­sa­to­risch in den Griff zu bekom­men.“ Gefah­ren­be­reich defi­nie­ren, Ein­satz­mit­tel fest­le­gen, die Vor­sich­tung der Pati­en­ten über­prü­fen – noch viel mehr gehört zu den Auf­ga­ben der bei­den Ein­satz­lei­ter. Nicht alles ist plan­bar, Groß­scha­dens­er­eig­nis­se brin­gen oft „eine dyna­mi­sche Lage mit sich“, sagt Haag. Des­halb muss man sie üben.

So sehen das auch die Ret­tungs­kräf­te von SKS und den Mal­te­sern, die ein paar Schrit­te ent­fernt zusam­men­ste­hen. Man kennt sich. Man schätzt sich über Orga­ni­sa­ti­ons­gren­zen hin­weg. „Wir wol­len das Best­mög­li­che für unse­rer Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten“, sagt einer. „Da ist es egal, was auf dem Ret­tungs­wa­gen steht.“ Für sie sind Groß­übun­gen wie die­se aus­ge­spro­chen wert­voll. „Wir haben es im Nor­mal­be­trieb fast aus­schließ­lich mit Indi­vi­du­al­me­di­zin zu tun“, sagt einer. „Bei vie­len Pati­en­ten gleich­zei­tig kommt es mehr auf Orga­ni­sa­ti­on und Füh­rung an. Und dar­auf, dass unse­re Rou­ti­nen klappen.“

Es geht los

„Ich alar­mie­re jetzt.“ Es ist 10 Uhr. Jan­nik Dietz steigt aus dem Bus aus, greift zum Funk­ge­rät. Drin­nen im Bus geben die Mimen ein ziem­lich gru­se­li­ges Bild ab. Sie blu­ten, sie schrei­en, Kör­per lie­gen in den Gän­gen. Die Teams in den Ret­tungs­wa­gen kom­men an. Zuerst der Über­blick: Sie zäh­len die Pati­en­ten, schät­zen den Schwe­re­grad ab. Wer gehen kann, wird aus dem Bus beglei­tet und zu einer Sam­mel­stel­le gebracht. Der­weil machen die Mimen Stress. Sie schimp­fen, jam­mern, kla­gen und hal­ten die Hel­fer immer wie­der auf.

Die Lage ist im Griff

Trotz­dem: Es läuft. Eine Droh­ne zeigt den Ein­satz­lei­tern die Gesamt­si­tua­ti­on aus der Luft. Außer­halb des Gefah­ren­be­reichs wird blitz­schnell ein Zelt auf­ge­baut. Auf Tra­gen schaf­fen Ret­tungs­kräf­te die schwe­rer Ver­letz­ten heran.

„Kön­nen Sie spre­chen?“ „Haben Sie Schmer­zen?“ „Ich lege Ihnen jetzt einen Zugang.“ „Ich taste Sie ab.“ „Auf der Ska­la von Null bis 10: Wie stark ist der Schmerz?“ Augen, die den Blick des Pati­en­ten auf­neh­men. Hän­de, die ihn an der Schul­ter berüh­ren und beru­hi­gen. Stim­men, die Sicher­heit geben. So liegt man da als Pati­en­ten­dar­stel­ler. Und es ver­geht kei­ne Minu­te, in der man allein wäre. Neben­an wird der ver­letz­te Bus­fah­rer mit dem Herz­in­farkt stabilisiert.

Vie­le Hän­de, vie­le Gerä­te, aber kei­ner­lei Durcheinander.

„Übungs­en­de.“ Nach gut zwei Stun­den ist die Übung vor­bei. Jetzt geht es ans Aus­wer­ten und anschlie­ßend in das ein­satz­tak­ti­sche Feed­back. Die grund­le­gen­de Ein­schät­zung von Prof. Dr. Jörg Reu­ters­han steht schon mal fest: Er ist sehr zufrieden.

fs/​Klinikum Bay­reuth GmbH