Hoher Besuch in der Kurz­ge­schich­ten-Schreib­werk­statt in Plankenfels

In den Räumen der Kaffeerösterei-Gartencafé in Plankenfels trafen sich Teilnehmer der Kurzgeschichten-Schreibwerkstatt mit den Gastdozenten Professor Günter Dippold und Theatersommer-Intendant Jan Burdinski. Foto: Adriane Lochner / HeimatUnternehmen Bayern
In den Räumen der Kaffeerösterei-Gartencafé in Plankenfels trafen sich Teilnehmer der Kurzgeschichten-Schreibwerkstatt mit den Gastdozenten Professor Günter Dippold und Theatersommer-Intendant Jan Burdinski. Foto: Adriane Lochner / HeimatUnternehmen Bayern

Vom Kuss­weg bis zum Galgen

Bezirks­hei­mat­pfle­ger Gün­ter Dip­pold und Thea­ter­som­mer-Inten­dant Jan Burd­in­ski stat­ten der Kurz­ge­schich­ten-Schreib­werk­statt in Plan­ken­fels einen Besuch ab. Als Gast­red­ner lie­fer­ten sie den Hob­by-Schrift­stel­lern Hin­ter­grund-Infor­ma­tio­nen zu aus­ge­wähl­ten The­men rund um die Neubürg.

Schreibwerkstatt-Veranstalterin und Vorsitzende des Heimatmacher-Vereins Marion Deinlein mit Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold (mitte) und Theatersommer-Intendant Jan Burdinski. Foto: Adriane Lochne

Schreib­werk­statt-Ver­an­stal­te­rin und Vor­sit­zen­de des Hei­mat­ma­cher-Ver­eins Mari­on Deinlein mit Bezirks­hei­mat­pfle­ger Pro­fes­sor Gün­ter Dip­pold (mit­te) und Thea­ter­som­mer-Inten­dant Jan Burd­in­ski. Foto: Adria­ne Lochne

„Dass es so viel Zärt­lich­keit an der Holl­fel­der Stadt­mau­er gibt, hat­te ich damals nicht ver­mu­tet“, erzähl­te Jan Burd­in­ski. Der Thea­ter­som­mer-Inten­dant war einer der Initia­to­ren, die vor etwa zehn Jah­ren den Kuss­weg wie­der auf­le­ben lie­ßen. Auf dem schma­len Pfad, der an der Burg­mau­er ent­lang führt, hat­ten zahl­rei­che „jun­ge Leu­te ihre ersten Kuss­erfah­run­gen gemacht“, so Burd­in­ski. In Süd­deutsch­land sei der Kuss­weg ein­zig­ar­tig. Bei sei­nem Besuch in der Schreib­werk­statt gab er zahl­rei­che Anek­do­ten zum Besten, um den Teil­neh­mern Inspi­ra­ti­on zu liefern.

Seit März 2023 trifft sich in den Räu­men der Röste­rei-Gar­ten­ca­fé in der Genuss­schu­le in Plan­ken­fels regel­mä­ßig eine Grup­pe von neun Hob­by-Schrift­stel­lern. Ihr Anlie­gen ist es, histo­ri­sche oder aktu­el­le The­men rund um die Neu­bürg auf krea­ti­ve Wei­se umzu­set­zen, in Form von Kurz­ge­schich­ten. Ver­an­stal­tet wird das Lite­ra­tur­pro­jekt vom neu-gegrün­de­ten Hei­mat­ma­cher-Ver­ein mit der Vor­sit­zen­den Mari­on Deinlein. Unter­stützt wird es von der Inte­grier­ten Länd­li­che Ent­wick­lung (ILE) „Rund um die Neu­bürg“. „Wir freu­en uns, dass wir für unse­re Schreib­werk­statt so hoch­ka­rä­ti­ge Gast­do­zen­ten gewin­nen konn­ten“, beton­te Deinlein.

Damit die Kurz­ge­schich­ten rund um die Neu­bürg inhalt­lich Hand und Fuß haben, stat­te­te auch Bezirks­hei­mat­pfle­ger, Pro­fes­sor Gün­ter Dip­pold, der Schreib­werk­statt einen Besuch ab. Dort beant­wor­te­te er Fra­gen, etwa die einer Teil­neh­me­rin aus Plan­ken­fels zur Unter­brin­gung und den Arbeits­be­din­gun­gen ita­lie­ni­scher Gast­ar­bei­ter. Sie hat­te sich den Bau der ört­li­chen Eisen­bahn­brücke um das Jahr 1903 als The­ma aus­ge­sucht. Dip­pold berich­te­te von not­dürf­tig zusam­men­ge­zim­mer­ten Bret­ter­bu­den, in denen die Män­ner oft mona­te­lang in klam­men Ver­hält­nis­sen hau­sen muss­ten. Ein gän­gi­ges Phä­no­men, das Bahn­bau­ten beglei­te­te, war Dip­pold zufol­ge der Sit­ten­ver­fall, den die Geist­li­chen befürch­te­ten. Aus Begeg­nun­gen von Gast­ar­bei­tern und ein­hei­mi­schen Frau­en sei­en hier und da durch­aus Kin­der ent­stan­den. Bahn­bau­ten waren daher nicht sel­ten Aus­lö­ser für Liebesgeschichten.

Im Gegen­satz dazu beginnt die Kurz­ge­schich­te einer Teil­neh­me­rin aus Hut­sch­dorf an einem früh­mit­tel­al­ter­li­chen Gal­gen. Zur Hin­rich­tung kommt es zwar nicht, doch waren Details zur Ört­lich­keit gefragt. Die Geschich­te spielt im Hum­mel­gau, eine bäu­er­lich gepräg­te Hügel­land­schaft süd­west­lich von Bay­reuth um die Gemein­den Mistel­gau, Gesees und Hum­mel­tal. Einer Theo­rie nach wird der Name Hum­mel­gau abge­lei­tet vom Hun­dert­schafts­ge­richt oder Cent­ge­richt, ver­mut­lich eine räum­li­che Ein­heit, die einen Gerichts­be­zirk bil­de­te. Im Gemein­de­wap­pen von Gesees ist der Hum­mel­hut abge­bil­det, der an die Funk­ti­on der Hum­mel­bau­ern als Schöf­fen erin­nert. Pro­fes­sor Dip­pold erklär­te, dass die Quel­len­la­ge zur früh­mit­tel­al­ter­li­chen Justiz sehr spär­lich sei. Gene­rell gab es zwei Rechts­prin­zi­pi­en. Ent­we­der rich­te­ten die Herr­schen­den über die Beherrsch­ten oder Glei­che über Glei­che, also Bau­ern über Bau­ern. Letz­te­res war auch die Funk­ti­ons­wei­se eines Cent- oder Schöf­fen­ge­richts. Ver­hand­lun­gen genau­so wie Hin­rich­tun­gen fan­den außer­halb der Ort­schaf­ten statt, ohne Hen­ker. „Der Beruf des Hen­kers war eine Erfin­dung der spät­mit­tel­al­ter­li­chen Justiz“, erklär­te Dip­pold. Wahr­schein­lich habe bei einem Schöf­fen­ge­richt, der jüng­ste Schöf­fe die Auf­ga­be über­neh­men müssen.

Wie die Ver­ur­teil­te im Hum­mel­gau geret­tet wird, ob ein ita­lie­ni­scher Gast­ar­bei­ter in Plan­ken­fels die gro­ße Lie­be fin­det und, was ein Chat­bot zum Holl­fel­der Kuss­weg zu sagen hat, kön­nen Ein­hei­mi­sche Ende des Jah­res in einem Buch nach­le­sen. Die Kurz­ge­schich­ten-Samm­lung aus der Schreib­werk­statt wird im Win­ter erschei­nen und unter ande­rem in der Genuss­schu­le in Plan­ken­fels erhält­lich sein. Wei­te­re The­men sind unter ande­rem die Muth­manns­reu­ther Blut­tat durch Raub­rit­ter Tho­mas von Absberg, die Legen­de vom Irr­glöck­lein von St. Gan­golf, die Unter­brin­gung von Flücht­lin­gen auf Schloss Wies­ent­fels nach dem Zwei­ten Welt­krieg und der Tafel­berg Neu­bürg als Kunst- und Veranstaltungsraum.