Zet­tels Refle­xio­nen: Wenn die Rea­li­tät die Sati­re überholt

Peter Zettel
Peter Zettel

Was kann man dann noch tun? Ver­zwei­feln? Auf­ge­ben? Oder Dienst nach Vor­schrift machen und Gott einen guten Mann sein lassen?

Ja, man könn­te wirk­lich ver­zwei­feln. Wohin man in die Welt schaut, wenig Gutes. Kli­ma­wan­del, krie­ge­ri­sche Kon­flik­te und alles, was damit zusam­men­hängt, die Zunah­me von radi­ka­len Ansich­ten und als ob das nicht genü­gen wür­de, Coro­na. Die einen neh­men es ernst, die ande­ren nicht.

Es scheint wirk­lich so zu sein, wie Hei­sen­berg vor über 100 Jah­ren fest­stell­te: Der Mensch steht vor einer Wand, die er selbst ist. Er ist kon­fron­tiert mit – ja womit eigent­lich? Sei­ner eige­nen Selbst­süch­tig­keit? Sei­nem Unver­ständ­nis, die Din­ge zu sehen, wie sie wirk­lich sind?

Oder alles zusam­men? Wie aber wäre es, wenn es sich voll­kom­men anders ver­hält, vie­le Men­schen das jedoch vor all der Mie­se­pe­trig­keit ein­fach nicht wahr­neh­men oder auch wahr­ha­ben wol­len? Eins steht für mich fest: All die Schwie­rig­kei­ten und Her­aus­for­de­run­gen, denen wir aktu­ell begeg­nen und zu begeg­nen haben, haben nur etwas mit uns selbst als Gesell­schaft zu tun.

Das ist der Moment, in dem ich dann immer ein­wen­de, dass es eine Gesell­schaft nicht gibt, sowe­nig wie es einen Strand gibt; son­dern nur ganz ganz vie­le Sand­kör­ner, die den Strand bil­den – oder eben ganz vie­le Men­schen, die eine Gesell­schaft bilden.

Mei­ne Logik ist ein­fach: Liegt es an der Gesell­schaft, dann liegt es an mir. Auf einen ande­ren habe ich kei­nen Ein­fluss, es sei denn, er gibt mir etwas von sei­ner Macht im Zuge der frei­wil­li­gen Knecht­schaft, wie es Éti­en­ne de La Boë­tie genannt hat, weil er sich etwas von mir verspricht.

Wenn das aber nicht zutrifft und er sich mir nicht unter­wirft und auch mich nicht zu unter­wer­fen sucht, dann, ja dann kommt es dar­auf an, was ich und was er macht.

Anders aus­ge­drückt: Es liegt an jedem Ein­zel­nen. Also höre ich auf zu jam­mern und tue statt des­sen das, was mir rich­tig erscheint. Kant hat uns das ins Stamm­buch geschrie­ben: „Es ist so bequem, unmün­dig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Ver­stand hat, einen Seel­sor­ger, der für mich ein Gewis­sen hat, einen Arzt, der für mich Diät beur­teilt, und so wei­ter, so brau­che ich mich ja nicht selbst zu bemü­hen.

Nur hat er mir oder auch uns ins Stamm­buch geschrie­ben, dass es nicht um das eige­ne Inter­es­se geht, son­dern das Gan­ze: „Hand­le so, daß die Maxi­me dei­nes Wil­lens jeder­zeit zugleich als Prin­zip einer all­ge­mei­nen Gesetz­ge­bung gel­ten könn­te.

Er setzt also mein Inter­es­se mit dem Inter­es­se des Gan­zen gleich. Nur, dass die Quan­ten­me­cha­ni­ker noch eins drauf set­zen und davon aus­ge­hen, dass es nur ein Bewusst­sein gibt. Was den Kant´schen Gedan­ken noch ein­mal einen ordent­li­chen Schub gibt. Jeden­falls fin­de ich das.

Also das bedeu­tet, dass ich für das Gan­ze und das Gan­ze für mich steht. Sagt auch Krish­na­mur­ti. Sie erin­nern sich? „You are the world!“ Das kann ich schon irgend­wie ver­ste­hen, nur was mache ich damit? Viel­leicht soll­te ich mir selbst wie auch dem ein­zel­nen Men­schen ein­fach ein­mal mehr ver­trau­en; ver­trau­en, dass wir die Kur­ve schon och krie­gen wer­den und die schein­ba­re oder auch offen­sicht­li­che Blocka­de im Den­ken überwinden.

Fol­ge ich den Gedan­ken etwa von Gerd Sco­bel, die er in Den­ken durch Nicht­Den­ken beschreibt, dann bedeu­tet das, ich soll­te mei­nen Geist auf­räu­men, auf­hö­ren, unzu­tref­fen­den Ansich­ten und Kon­zep­ten zu fol­gen und dann – aber erst dann – mit dem Nach­den­ken aufhören.

Was für eine Her­aus­for­de­rung für mei­nen Ver­stand. Aber der grinst komi­scher­wei­se gerade.


Peter Zet­tel

ist pen­sio­nier­ter Anwalt. Seit ein paar Jah­ren ist er begei­ster­ter Motor­rad­fah­rer – sein per­sön­li­cher Weg der Selbst­er­kennt­nis. Er inter­es­siert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt dar­über in sei­nem Blog zet​tel​.biz.

Alle bis­her im Wie­sent­bo­ten erschie­nen „Zet­tels Refle­xio­nen