Offe­ner Brief an Dr. Sil­ke Lau­nert zur Ihrer Kri­tik an der Verantwortungsgemeinschaft

Offe­ner Brief der Bay­reu­ther SPD-Stadtratsfraktion:

Sehr geehr­te Frau Kol­le­gin Dr. Sil­ke Launert,

mit Irri­ta­ti­on und Unver­ständ­nis haben wir Ihre Äuße­run­gen in der Pres­se zu den lobens­wer­ten fami­li­en- und gesell­schafts­po­li­ti­schen Fort­schritts­ge­dan­ken der Ampel­ko­ali­ti­on gelesen.

Natür­lich haben Sie Recht, dass unse­re Ver­fas­sung die Fami­lie beson­ders schützt, „weil die Fami­lie die Gesell­schaft trägt“. Doch wie­so glau­ben gera­de Sie, bestim­men zu dür­fen, wie eine Fami­lie aus­zu­se­hen hat? Völ­lig ohne Grund­la­ge malen Sie Schreck­ge­spen­ster eines frau­en­un­ter­drücken­den Harems an die Wand, in dem „die Frau­en auf lan­ge Sicht ihre Rech­te ver­lie­ren“ wird. Dabei for­mu­liert unse­re künf­ti­ge Regie­rung doch nur, dass sich unse­re Vor­stel­lung von Ver­ant­wor­tung längst ver­än­dert hat. Wir sehen Men­schen, die in lebens­lan­ger inni­ger Freund­schaft Ver­ant­wor­tung für­ein­an­der über­neh­men wol­len; Men­schen, die sich im Alter stüt­zen und zusam­men­le­ben wol­len, weil sie kei­ne Kin­der oder Geschwi­ster haben; Men­schen, die in klei­ne Gemein­schaf­ten ihre Wahl­ver­wandt­schaft erkennen.

Sol­len wir es die­sen Per­so­nen abspre­chen, mehr zu wol­len als eine „testa­men­ta­ri­sche Ver­fü­gung und den Abschluss von Voll­mach­ten“, nur, weil Sie nicht klas­sisch aus Mut­ter-Vater-Kind bestehen? Auch ist es hane­bü­chen zu behaup­ten, hier wür­den die „Inter­es­sen der Erwach­se­nen und nicht die des Kin­des in den Mit­tel­punkt“ gestellt wer­den. Glau­ben Sie wirk­lich, dass ein Kind lei­det, wenn sich meh­re­re Men­schen um es sor­gen, Zeit mit ihm ver­brin­gen und ihm Zunei­gung schen­ken, ohne die leib­li­chen Eltern zu sein? Wie­so ist es für Sie so befremd­lich, dass mehr als zwei Men­schen ein Kind lie­ben und für es Ver­ant­wor­tung über­neh­men wol­len? Gibt es in Ihrer Lebens­rea­li­tät kei­ne Paa­re, die aus eige­nem Wil­len, aus gesund­heit­li­chen Grün­den oder wegen Ihrer Sexua­li­tät kei­ne leib­li­chen Kin­der haben, aber Ihre Zunei­gung den Kin­dern befreun­de­ter Paa­re schen­ken? Ken­nen Sie kei­ne ande­ren Patch­work-Fami­li­en oder geschie­de­ne Paa­re, in denen sich bei­de bio­lo­gi­schen Eltern mit ihren neu­en Part­ner­schaf­ten den Kin­dern in Lie­be ver­bun­den füh­len? Haben Sie noch nie mit Men­schen gespro­chen, die ein­an­der zu dritt lie­ben und sich ihren gemein­sa­men Kin­dern ver­pflich­tet füh­len, egal wes­sen leib­li­che Kin­der es sind? Wenn Sie zu dem Schluss kom­men, dass jetzt „nur für eine Min­der­heit ein neu­es gesetz­li­ches Insti­tut geschaff­ten wer­den“ muss, dann ver­ken­nen Sie, wie sehr die von Ihnen kri­ti­sier­ten Lebens­mo­del­le längst in der Lebens­wirk­lich­keit der Men­schen ange­kom­men sind. Und selbst wenn Sie dies nicht wären, zeigt sich der Wert einer Gesell­schaft gera­de dar­in, wie Sie mit Ihren Min­der­hei­ten umgeht.

Des­halb gehen wir mit Freu­de der Tat­sa­che ent­ge­gen, dass „sich damit die Gesell­schaft auf län­ge­re Sicht ände­re“. Wir sind opti­mi­stisch, dass end­lich eine moder­ne und welt­of­fe­ne Regie­rung die Men­schen mit Ihrem indi­vi­du­el­len Lebens­mo­dell in den Mit­tel­punkt stellt.

Mit freund­li­chen Grüßen
Tho­mas Bau­ske, Fraktionsvorsitzender
Dr. Bea­te Kuhn, Stellv. Fraktionsvorsitzende
Andre­as Zip­pel, Bürgermeister