Stadt­wer­ke Bay­reuth: Tech­ni­sche Pio­nier­lei­stung geht in den Probebetrieb

Die Stadt­wer­ke Bay­reuth haben gut fünf Mil­lio­nen Euro in die Moder­ni­sie­rung der Wär­me- und Käl­te­ver­sor­gung der Uni­ver­si­tät Bay­reuth inve­stiert. Ent­stan­den ist in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren eines der ersten inno­va­ti­ven Kraft-Wär­me-Kopp­lungs-Syste­me in Deutsch­land, das künf­tig jedes Jahr rund 5.000 Ton­nen CO2 ver­mei­den wird. Am Mitt­woch hat der Pro­be­be­trieb der Anla­ge begonnen.

Im Win­ter woh­lig warm und im Som­mer ange­nehm kühl – so sind es die Stu­die­ren­den von den Hör­sä­len, Semi­nar­räu­men und Biblio­the­ken der Uni­ver­si­tät Bay­reuth gewöhnt. Dass es auch so bleibt, dafür sor­gen die Stadt­wer­ke Bay­reuth, die die Uni­ver­si­tät über ein Nah­wär­me- und Nah­käl­te­netz ver­sor­gen. Für die not­wen­di­ge Ener­gie sor­gen zwei gro­ße Gas­bren­ner – immer­hin 7.500-mal so stark wie ein Cam­ping-Kocher – und meh­re­re Käl­te­ma­schi­nen auf dem Cam­pus, die in etwa so viel lei­sten wie 3.500 durch­schnitt­li­che Kli­ma­ge­rä­te. Schon bald unter­stüt­zen die Gas­bren­ner nur noch, erklärt Jür­gen Bay­er, Geschäfts­füh­rer der Stadt­wer­ke Bay­reuth. „Wir haben an der Uni Bay­reuth ein deutsch­land­weit ein­zig­ar­ti­ges Pro­jekt auf die Bei­ne gestellt.“ Rund 5.000 Ton­nen CO2 spa­ren Stadt­wer­ke und Uni­ver­si­tät dadurch ein – pro Jahr ver­steht sich. Dar­über freut sich auch Rein­hard Schat­ke, Lei­ter der Zen­tra­len Tech­nik der Uni­ver­si­tät Bay­reuth: „Das passt genau zum Hand­lungs­feld Infra­struk­tur unse­rer Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie, die wir uns im Rah­men der Green Cam­pus Initia­ti­ve gesetzt haben: Opti­mie­rung des Ener­gie­be­darfs durch Ein­satz inno­va­ti­ver Tech­nik – mit dem Ziel einer Redu­zie­rung der Treibhausgasemissionen.“

Das ehr­gei­zi­ge Pro­jekt der Stadt­wer­ke Bay­reuth, das am Mitt­woch den Pro­be­be­trieb auf­ge­nom­men hat: Zusätz­lich zu den Gas­bren­nern hat das Unter­neh­men ein gro­ßes Block­heiz­kraft­werk (BHKW) instal­liert. Das funk­tio­niert wie ein gro­ßer Motor, der über einen Gene­ra­tor Strom her­stellt, nur dass die dabei ent­ste­hen­de Abwär­me eben­falls genutzt wird. Dadurch wird die im Erd­gas ent­hal­te­ne Ener­gie nahe­zu voll­stän­dig genutzt. „Es hat eine elek­tri­sche Lei­stung von knapp 3,5 Mega­watt, was in etwa 45 durch­schnitt­lich moto­ri­sier­ten Autos ent­spricht“, sagt Jür­gen Bay­er. „Allein der Anlas­ser für das BHKW ist so groß wie ein Auto­mo­tor.“ Neben dem BHKW sind zwei gro­ße Wär­me­pum­pen instal­liert wor­den, die der Luft Wär­me ent­zie­hen und die­se ins Uni-Netz ein­spei­sen – wie ein umge­kehrt arbei­ten­der Kühl­schrank. Ein wei­te­rer Bestand­teil des Pro­jekts ist ein soge­nann­ter Elek­tro­den­kes­sel, im Prin­zip nichts ande­res als ein Was­ser­ko­cher im XXL-For­mat. „Der ist dann im Ein­satz“, erklärt Bay­er, „wenn im Netz zu viel Strom pro­du­ziert wird, bei­spiels­wei­se weil Wind­kraft­an­la­gen und Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen mehr Strom lie­fern, als momen­tan gebraucht wird.“ Der Elek­tro­den­kes­sel erhitzt in die­sem Fall das Was­ser des Nah­wär­me­net­zes der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. „So kön­nen wir die Ener­gie nut­zen. Das ist bes­ser, als bei­spiels­wei­se Wind­rä­der aus­zu­schal­ten.“ Auch für den Fall, dass mehr Strom im Netz gebraucht wird, als momen­tan ver­füg­bar ist, kann die Anla­ge an der Uni­ver­si­tät hel­fen: Dann näm­lich kann der vom BHKW pro­du­zier­te Strom direkt ins Strom­netz ein­ge­speist wer­den und es so sta­bi­li­sie­ren. „Damit hilft unse­re Anla­ge gleich bei meh­re­ren Pro­ble­men – sie ist eine Art Schwei­zer Taschen­mes­ser für die Ener­gie­wen­de.“ Damit die Kom­po­nen­ten ide­al mit­ein­an­der har­mo­nie­ren, ver­net­zen die Stadt­wer­ke Bay­reuth sie mit einer intel­li­gen­ten Steue­rung. So kann jede Kom­po­nen­te auto­ma­tisch auf Ände­run­gen reagie­ren und die Stadt­wer­ke kön­nen jeder­zeit nach­voll­zie­hen, was gera­de pas­siert und not­falls ein­grei­fen. Durch das Block­heiz­kraft­werk, die Wär­me­pum­pen, den Elek­tro­den­kes­sel und die intel­li­gen­te Ver­net­zung jener Anla­gen ent­steht in Bay­reuth eines der ersten inno­va­ti­ven Kraft-Wär­me-Kopp­lungs-Syste­me (iKWKS) in Deutschland.

Beson­ders mache das iKWKS vor allem das Zusam­men­spiel aller Anla­gen­be­stand­tei­le, betont der Stadt­wer­ke-Chef. „Die Ener­gie­wen­de ist tech­nisch sehr kom­plex. Natür­lich ist es schön, dass mitt­ler­wei­le knapp die Hälf­te unse­res Stroms nach­hal­tig erzeugt wird. Lei­der steht uns die­se Ener­gie nicht gleich­mä­ßig zur Ver­fü­gung. Im Gegen­teil: Mal gibt es zu viel und mal gibt es zu wenig davon. Vor­rei­ter­kon­zep­te, wie das unse­re, hel­fen, das Pro­blem zu ver­rin­gern.“ Und das iKWKS der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hel­fe bei einem oft­mals ver­nach­läs­sig­ten The­ma. „Wir tun als Gesell­schaft gut dar­an, die Wär­me­wen­de in den Fokus zu neh­men.“ Denn nach Anga­ben der Arbeits­ge­mein­schaft Ener­gie­bi­lan­zen (AGEB) wird in Deutsch­land über die Hälf­te der bezo­ge­nen Ener­gie als Wär­me ein­ge­setzt – um Räu­me zu hei­zen, um Was­ser zu erwär­men und als Pro­zess­wär­me für die Indu­strie. Über zwei Drit­tel die­ser für die Wär­me benö­tig­te Ener­gie stammt nach wie vor aus fos­si­len Quel­len. „Hier schlum­mert ein rie­si­ges Poten­ti­al, wie wir unse­ren CO2-Aus­stoß sen­ken kön­nen. Genau das tun wir künf­tig an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Da wir unser iKWKS mit einer moder­nen und voll auto­ma­ti­sier­ten Mess- und Regel­tech­nik aus­ge­stat­tet haben, sind wir eines von sehr weni­gen Pro­jek­ten in Deutsch­land, das die Hei­zung von Gebäu­den in gro­ßem Maß­stab mit dem Strom­netz kop­pelt. Pro­jek­te wie das unse­re brin­gen die PS der Ener­gie­wen­de auf die Stra­ße. Mit­tel­fri­stig, da bin ich über­zeugt, lässt sich die Uni­ver­si­tät Bay­reuth nicht sinn­vol­ler mit Wär­me und Käl­te versorgen.“

Dass die Stadt­wer­ke Bay­reuth bun­des­weit zu den Vor­rei­tern in punc­to iKWKS zäh­len, ist auch ein Ver­dienst des Insti­tuts für Ener­gie­tech­nik (IFE) der Ost­baye­ri­schen Tech­ni­schen Hoch­schu­le Amberg-Wei­den. „Gemein­sam mit dem IFE haben wir uns schon in den ver­gan­ge­nen Jah­ren dar­an gemacht, das bestehen­de Netz der Uni zu opti­mie­ren“, erzählt Bay­er. „Im Zuge die­ser Arbei­ten hat sich her­aus­ge­stellt, dass unse­re Anla­ge für ein iKWKS infra­ge kommt. Das IFE hat uns dann auch bei den fol­gen­den Schrit­ten inten­siv unter­stützt – von der Mach­bar­keits­stu­die bis hin zur Inter­pre­ta­ti­on der För­der­richt­li­ni­en. Mit Sicher­heit wird uns das IFE bei die­sem und künf­ti­gen Pro­jekt eng beglei­ten“, betont Bay­er. Der Lei­ter des IFE, Prof. Dr.-Ing. Mar­kus Braut­sch, freut sich eben­falls über die Ent­wick­lung der Zusam­men­ar­beit: „Zunächst freut es uns, dass unse­re For­schungs­ar­bei­ten tech­nisch und wirt­schaft­lich wich­ti­ge Impul­se bei den Stadt­wer­ken lie­fern kön­nen. Die wei­te­re wis­sen­schaft­li­che Beglei­tung des Pro­jek­tes lie­fert uns eine wich­ti­ge Rück­kopp­lung für den wei­te­ren Technologietransfer.“

Auch den Stadt­wer­ken ist es wich­tig, For­schung und Pra­xis eng mit­ein­an­der zu ver­zah­nen. „Die Wis­sen­schaft­ler lie­fern mit ihrer Arbeit wich­ti­ge Erkennt­nis­se, die wir für den nach­hal­ti­gen und wirt­schaft­li­chen Betrieb der Wär­me- und Käl­te­ver­sor­gung der gesam­ten Uni­ver­si­tät Bay­reuth ein­set­zen kön­nen“, betont Jür­gen Bay­er. Damit das gelin­gen kann, arbei­ten Stadt­wer­ke Bay­reuth, das IFE und das Zen­trum für Ener­gie­tech­nik (ZET) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth im Rah­men eines For­schungs­pro­jek­tes zusam­men, das vom baye­ri­schen Wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um geför­dert wird. Ziel ist eine Ana­ly­se und Opti­mie­rung des Ener­gie­sy­stems im lau­fen­den Betrieb. „In die­sem Zusam­men­hang moti­viert es uns Wis­sen­schaft­ler, wenn die ent­wickel­ten Ideen aus Labor und Simu­la­tio­nen auch in gro­ßen, rea­len Syste­men Anwen­dung fin­den und wir einen Bei­trag zum Wis­sens­trans­fer zwi­schen Uni­ver­si­tät und Indu­strie lei­sten kön­nen“, stellt Dr.-Ing. Flo­ri­an Heber­le, Geschäfts­füh­rer des ZET, heraus.