AWO-Pfle­ge­ge­spräch mit Bay­reu­ther MdB Anet­te Kram­me: „Es ist 5 vor 12 wenn es um die Bela­stung der Pfle­ge­kräf­te geht“

MdB Anette Kramme
MdB Anette Kramme © anette-kramme.de

Rea­le Per­so­nal­schlüs­sel, bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen und Ent­la­stung durch weni­ger Büro­kra­tie: das sind nur zwei der ins­ge­samt acht For­de­run­gen, die der AWO-Bezirks­ver­band Ober- und Mit­tel­fran­ken an die Lan­des- und Bun­des­po­li­tik stellt und in einer Peti­ti­on an den Baye­ri­schen Land­tag gerich­tet hat. Mari­on Tost, Vor­stän­din des AWO Kreis­ver­ban­des Bay­reuth-Stadt, such­te hier­zu das Gespräch mit der par­la­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tä­rin Anet­te Kram­me und mit dem 2. Bür­ger­mei­ster der Stadt Bay­reuth, Andre­as Zippel.

AWO-Pflegegespräch: Anette Kramme (rechts), parlamentarische Staatssekretärin, und Andreas Zippel (Mitte), Stadtrat und 2. Bürgermeister der Stadt Bayreuth, informierten sich bei Marion Tost (links), Vorständin der AWO Bayreuth-Stadt, über die Situation in der Pflege und zu den Forderungen der AWO-Gliederungen, wie man den Pflegeberuf verbessern kann. Foto: AWO Kreisverband Bayreuth-Stadt e.V.

AWO-Pfle­ge­ge­spräch: Anet­te Kram­me (rechts), par­la­men­ta­ri­sche Staats­se­kre­tä­rin, und Andre­as Zip­pel (Mit­te), Stadt­rat und 2. Bür­ger­mei­ster der Stadt Bay­reuth, infor­mier­ten sich bei Mari­on Tost (links), Vor­stän­din der AWO Bay­reuth-Stadt, über die Situa­ti­on in der Pfle­ge und zu den For­de­run­gen der AWO-Glie­de­run­gen, wie man den Pfle­ge­be­ruf ver­bes­sern kann. Foto: AWO Kreis­ver­band Bay­reuth-Stadt e.V.

„Es ist 5 vor 12 wenn es um die Bela­stung der Pfle­ge­kräf­te geht“, sag­te Mari­on Tost, Vor­stän­din des AWO Kreis­ver­ban­des Bay­reuth-Stadt im Gespräch mit Kram­me und Zip­pel. Nicht erst durch die Coro­na-Pan­de­mie habe sich die Situa­ti­on in der Pfle­ge ver­schlech­tert, die vor­han­de­nen Pfle­ge­kräf­te wür­den wei­ter­hin am psy­chi­schen und phy­si­schen Limit arbei­ten, eine Ent­span­nung auf dem Pfle­ge­markt sei nicht abzu­se­hen. Viel­mehr befürch­tet die Vor­stän­din, dass sich der Fach­kräf­te­man­gel in der Pfle­ge wei­ter ver­schär­fen wird. „Das Poli­ti­ker-Klat­schen für die Men­schen in Pfle­ge­be­ru­fen kann nie­mand mehr von ihnen hören. Die Pfle­ge­kräf­te müs­sen end­lich auch spü­ren, dass es die Poli­tik erst meint“, sagt Tost. Die­se habe zwar erkannt, dass etwas pas­sie­ren müs­se, von der Umset­zung ist die Vor­stän­din der AWO Bay­reuth jedoch nicht über­zeugt. „Die Pfle­ge­re­form von Gesund­heits­mi­ni­ster Spahn wer­de kein gro­ßer Wurf son­dern klei­nes Stück­werk, das weder eine beruf­li­che Ent­la­stung für die Pfle­ge­kräf­te noch eine finan­zi­el­le Ent­la­stung für die Men­schen brin­gen wer­de, die auf Pfle­ge heu­te und in Zukunft ange­wie­sen sind.“

Gro­ße Pro­ble­me könn­ten dem­nach auf Pfle­ge­ein­rich­tun­gen in Bay­ern zukom­men, denn durch Spahns Plä­ne könn­te der Per­so­nal­schlüs­sel sin­ken und Plan­stel­len für Pfle­ge­kräf­te weg­fal­len. „Für unse­re Ein­rich­tung wür­de das plötz­lich zwei Stel­len weni­ger bedeu­ten. Das wäre eine Kata­stro­phe und kei­nem mehr erklär­bar, der in der Pfle­ge arbei­tet.“ Die AWO Bay­reuth-Stadt habe mit vie­len ande­ren Ein­rich­tun­gen in Deutsch­land bei einer Stu­die von Prof. Dr. Heinz Roth­gang von der Uni­ver­si­tät Bre­men teil­ge­nom­men – Ziel war es dort, ein wis­sen­schaft­lich fun­dier­tes Ver­fah­ren zur bun­des­weit ein­heit­li­chen Per­so­nal­be­mes­sung in Pfle­ge­ein­rich­tun­gen zu ent­wickeln. Tost dazu: „Ergeb­nis war, dass in der Pfle­ge eine Stei­ge­rung von 40 Pro­zent an Per­so­nal erfor­der­lich ist. Da fragt man sich schon, ob die Poli­tik aus sol­chen Ergeb­nis­sen nichts ler­nen will.“

Dabei habe es auch von­sei­ten der Arbei­ter­wohl­fahrt auf Lan­des- und Bun­des­ebe­ne genug Vor­schlä­ge und gute Ansät­ze gege­ben, macht Tost klar. Mit sei­nen acht For­de­run­gen und der dazu­ge­hö­ri­gen Peti­ti­on an den Baye­ri­schen Land­tag mit über 23.000 Unter­schrif­ten hat der AWO-Bezirks­ver­band Ober- und Mit­tel­fran­ken sei­ne For­de­run­gen klar for­mu­liert und deut­lich Nach­druck ver­lie­hen: Stär­kung der Attrak­ti­vi­tät des Berufs­bil­des, ein rea­ler Per­so­nal­schlüs­sel, eine Ent­la­stung durch viel weni­ger Büro­kra­tie, höhe­re Gehäl­ter und Zula­gen für alle Beschäf­tig­ten, bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen, ein strik­tes Gegen­steu­ern der Flucht aus dem Pfle­ge­be­ruf und mehr Rea­li­täts­nä­he von Prüf­be­hör­den und kein Her­ab­set­zen der fach­li­chen Standards.

Mari­on Tost dazu: „Unse­re For­de­run­gen grei­fen inein­an­der. Mehr Geld für die Pfle­ge­kräf­te zu ver­spre­chen reicht nicht, man muss auch etwas bei den Arbeits­be­din­gun­gen tun und für bes­se­re Per­so­nal­schlüs­sel sor­gen. Geld gleicht nicht die schwin­den­de Gesund­heit unse­rer Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter aus“, erklärt Tost. Des­halb spre­che sie sich – wie vie­le ihrer Ver­bands­kol­le­gin­nen und ‑Kol­le­gen auch – für eine 35 Stun­den­wo­che in der Pfle­ge aus. „Wenn kei­ne Ent­la­stung kommt, wird die Pfle­ge noch wei­ter in den Fach­kräf­te­man­gel abrut­schen. Leid­tra­gen­de wer­den dann die Men­schen sein, die auf Hil­fe ange­wie­sen sind. Die Poli­tik darf das nicht zulas­sen“, stellt Tost klar.