Inter­na­tio­na­les For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­deckt neu­es zwei­di­men­sio­na­les Mate­ri­al durch Hochdruck-Technologien

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Einem inter­na­tio­na­len Team mit Forscher*innen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist es erst­mals gelun­gen, durch den Ein­satz moder­ner Hoch­druck-Tech­no­lo­gien ein bis­her unbe­kann­tes zwei­di­men­sio­na­les Mate­ri­al zu ent­decken. Das neue Mate­ri­al, Beryl­lo­ni­t­ren, besteht aus regel­mä­ßig ange­ord­ne­ten Stick­stoff- und Beryl­li­um-Ato­men. Es besitzt eine unge­wöhn­li­che, für Anwen­dun­gen in der Quan­ten­tech­no­lo­gie hoch­at­trak­ti­ve elek­tro­ni­sche Git­ter­struk­tur. Für die Syn­the­se war ein Kom­pres­si­ons­druck erfor­der­lich, der rund eine Mil­li­on Mal höher ist als der Druck der Erd­at­mo­sphä­re. In der Zeit­schrift „Phy­si­cal Review Let­ters“ stel­len die Wissenschaftler*innen ihre Ent­deckung vor.

Eine einzelne Beryllonitren-Schicht besteht aus BeN₄-Fünfecken und Be₂N₄-Sechsecken. Die Beryllium-Atome sind als graue Bällchen, Stickstoff-Atome als blaue Bällchen dargestellt. Grafik: M. Bykov.

Eine ein­zel­ne Beryl­lo­ni­t­ren-Schicht besteht aus BeN₄-Fünf­ecken und Be₂N₄-Sechs­ecken. Die Beryl­li­um-Ato­me sind als graue Bäll­chen, Stick­stoff-Ato­me als blaue Bäll­chen dar­ge­stellt. Gra­fik: M. Bykov.

Seit der Ent­deckung des aus Koh­len­stoff-Ato­men auf­ge­bau­ten Gra­phens ist das Inter­es­se an zwei­di­men­sio­na­len Mate­ria­li­en in For­schung und Indu­strie stän­dig gewach­sen. Unter extrem hohen Drücken von bis zu 100 Giga­pas­cal haben Forscher*innen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth jetzt gemein­sam mit inter­na­tio­na­len Part­nern neu­ar­ti­ge Ver­bin­dun­gen her­ge­stellt, die sich aus Stick­stoff- und Beryl­li­um-Ato­men zusam­men­set­zen. Es han­delt sich um Beryl­li­um-Poly­ni­tri­de, von denen eini­ge dem mono­kli­nen, ande­re dem trik­li­nen Kri­stall­sy­stem ange­hö­ren. Die trik­li­nen Beryl­li­um-Poly­ni­tri­de legen, wenn der Druck sinkt, ein unge­wöhn­li­ches Ver­hal­ten an den Tag: Sie neh­men eine aus Schich­ten auf­ge­bau­te Kri­stall­struk­tur an. Jede Schicht ent­hält zick­zack­för­mi­ge Stick­stoff­ket­ten, die durch Beryl­li­um-Ato­me ver­bun­den sind. Sie kann des­halb als eine flä­chi­ge Struk­tur beschrie­ben wer­den, die aus BeN₄-Fünf­ecken und Be₂N₄-Sechs­ecken besteht. Somit stellt jede Schicht ein zwei­di­men­sio­na­les Mate­ri­al dar, Beryllonitren.

Das sechseckige elektronische Gitter (grün) des Beryllonitrens beruht auf seiner Kristallstruktur und sieht wie eine leicht verzerrte Bienenwabe aus. Daraus ergeben sich elektronische Eigenschaften, die für quantentechnologische Anwendungen genutzt werden könnten. Grafik: M. Bykov.

Das sechs­ecki­ge elek­tro­ni­sche Git­ter (grün) des Beryl­lo­ni­t­rens beruht auf sei­ner Kri­stall­struk­tur und sieht wie eine leicht ver­zerr­te Bie­nen­wa­be aus. Dar­aus erge­ben sich elek­tro­ni­sche Eigen­schaf­ten, die für quan­ten­tech­no­lo­gi­sche Anwen­dun­gen genutzt wer­den könn­ten. Gra­fik: M. Bykov.

Beryl­lo­ni­t­ren ist ein qua­li­ta­tiv neu­es 2D-Mate­ri­al. Im Unter­schied zum Gra­phen ergibt sich aus der zwei­di­men­so­na­len Kri­stall­struk­tur des Beryl­lo­ni­t­rens ein elek­tro­ni­sches Git­ter, das leicht ver­zerrt ist. Wegen der dar­aus resul­tie­ren­den elek­tro­ni­schen Eigen­schaf­ten wäre Beryl­lo­ni­t­ren, falls es sich eines Tages im Indu­strie­maß­stab her­stel­len lie­ße, her­vor­ra­gend für Anwen­dun­gen in der Quan­ten­tech­no­lo­gie geeig­net. In die­sem noch jun­gen Gebiet von For­schung und Ent­wick­lung geht es dar­um, quan­ten­me­cha­ni­sche Eigen­schaf­ten und Struk­tu­ren von Mate­rie für tech­ni­sche Inno­va­tio­nen zu nut­zen – bei­spiels­wei­se für den Bau von Hoch­lei­stungs­com­pu­tern oder für neu­ar­ti­ge Ver­schlüs­se­lungs­tech­ni­ken mit dem Ziel einer siche­ren Kommunikation.

„Erst­mals ist es jetzt der Hoch­druck-For­schung gelun­gen, in enger inter­na­tio­na­ler Zusam­men­ar­beit eine che­mi­sche Ver­bin­dung her­zu­stel­len, die zuvor völ­lig unbe­kannt war. Die­se Ver­bin­dung kann als Prä­kur­sor für ein 2D-Mate­ri­al mit ein­zig­ar­ti­gen elek­tro­ni­schen Eigen­schaf­ten die­nen. Die­ser fas­zi­nie­ren­de Erfolg war nur mit Hil­fe eines im Labor erzeug­ten Kom­pres­si­ons­drucks mög­lich, der nahe­zu eine Mil­li­on Mal höher ist als der Druck der Erd­at­mo­sphä­re. Unse­re Stu­die beweist damit erneut das außer­or­dent­li­che Poten­zi­al der mate­ri­al­wis­sen­schaft­li­chen Hoch­druck-For­schung“, sagt Ko-Autorin Prof. Dr. Nata­lia Dubro­vins­ka­ia vom Labor für Kri­stal­lo­gra­phie der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

„Ein Ver­fah­ren für die Her­stel­lung von Beryl­lo­ni­t­ren im Indu­strie­maß­stab wird es nicht geben kön­nen, solan­ge dafür extrem hohe Drücke erfor­der­lich sind, die sich nur im For­schungs­la­bor erzeu­gen las­sen. Es ist jedoch sehr wich­tig, dass die neue Ver­bin­dung bei der Dekom­pres­si­on ent­stan­den ist und unter Umge­bungs­be­din­gun­gen exi­stie­ren kann. Grund­sätz­lich kön­nen wir nicht aus­schlie­ßen, dass es eines Tages mög­lich sein wird, Beryl­lo­ni­t­ren oder ein ähn­li­ches 2D-Mate­ri­al mit tech­nisch weni­ger auf­wän­di­gen Ver­fah­ren nach­zu­bau­en und indu­stri­ell zu nut­zen. Mit unse­rer Stu­die haben wir der Hoch­druck-For­schung eine neue Per­spek­ti­ve für die Ent­wick­lung tech­no­lo­gisch attrak­ti­ver 2D-Mate­ria­li­en eröff­net, die das Gra­phen mög­li­cher­wei­se über­tref­fen wer­den“, sagt Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky vom Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, kor­re­spon­die­ren­der Autor der Studie.

Inter­na­tio­na­le For­schungs­zu­sam­men­ar­beit und Forschungsförderung

Die in den „Phy­si­cal Review Let­ters“ publi­zier­ten For­schungs­er­geb­nis­se sind aus einer welt­wei­ten Koope­ra­ti­on nam­haf­ter Uni­ver­si­tä­ten und For­schungs­ein­rich­tun­gen her­vor­ge­gan­gen. An die­ser Zusam­men­ar­beit haben mit­ge­wirkt: die Uni­ver­si­tät Bay­reuth und das Deut­sche Elek­tro­nen-Syn­chro­tron in Ham­burg (Deutsch­land); die Uni­ver­si­tät Lin­kö­ping (Schwe­den); die Rad­boud Uni­ver­si­tät in Nim­we­gen (Nie­der­lan­de); die Euro­pean Syn­chro­tron Radia­ti­on Faci­li­ty in Gre­no­ble (Frank­reich); die Natio­nal Uni­ver­si­ty of Sci­ence and Tech­no­lo­gy in Mos­kau sowie die Ural Fede­ral Uni­ver­si­ty in Eka­te­rin­burg (Russ­land); die Wuhan Uni­ver­si­ty (Chi­na); die Car­ne­gie Insti­tu­ti­on for Sci­ence in Washing­ton, die Howard Uni­ver­si­ty in Washing­ton, das Cen­ter for Advan­ced Radia­ti­on Sources an der Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go und das Argon­ne Natio­nal Labo­ra­to­ry (USA). Die For­schungs­ar­bei­ten an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wur­den von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG), dem Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) und der Alex­an­der von Hum­boldt-Stif­tung gefördert.

Ver­öf­fent­li­chung:

Maxim Bykov et al.: High-Pres­su­re Syn­the­sis of Dirac Mate­ri­als: Laye­red van der Waals Bond­ed Be₂N₄-Poly­morph. Phy­si­cal Review Let­ters (2021), DOI: https://​doi​.org/​1​0​.​1​1​0​3​/​P​h​y​s​R​e​v​L​e​t​t​.​1​2​6​.​1​7​5​501