Astra­ze­ne­ca-Son­der­impf­tag in Forch­heim – ein ech­tes Erlebnis

Ich habe ja schon geschrie­ben wie dor­nig der Weg zum Impf­ter­min war … daher war ich sehr gespannt wie es dann erst bei der Imp­fung zuge­hen könn­te. „Mul­mig“ wäre der fal­sche Aus­druck, eher „leicht ner­vö­se Ange­spannt­heit“ nach all den nega­ti­ven Berich­ten über Astra­ze­ne­ca. Aber, mal ehr­lich, jedes Jahr ster­ben welt­weit mehr Men­schen weil sie auf hoher See beim Pin­keln über Bord fal­len und ertrin­ken als durch eine Imp­fung mit Astra­ze­ne­ca … so what?

„Schatz, du musst mich fah­ren … es könn­ten ja Neben­wir­kun­gen auf­tre­ten und dann sit­ze ich in Forch­heim, und sicher habe ich dann wie­der mein Han­dy ver­ges­sen …“ Die beste Lebens­ge­fähr­tin von allen ist nicht erfreut. „Das sagst Du mir jetzt??“ Na, ok, ich dach­te das wär eh klar. Aber sie machts, natürlich.

Was fehlt noch? Ah, die Unter­la­gen aus­drucken und unter­schrei­ben … no pro­blem. Ha! Weit gefehlt. Ich schwörs: gestern hat der Drecks­drucker noch funk­tio­niert, jetzt schal­te ich ihn ein und … Hard­ware-Feh­ler. Nix geht mehr. „Dass Du immer alles auf den letz­ten Moment schie­ben musst!“ feixt die Lebens­ge­fähr­tin. Jaja, schon gut, aber wer hät­te das geahnt? Gestern ging das Drecks­teil ja noch. Wat nu? Ich rufe einen Freund in Forch­heim an: „Kann ich Dir schnell drei Datei­en mai­len und Du druckst sie mir aus?“ Mein Freund winkt ab: Einen Drucker hät­te er schon lan­ge nicht mehr … oko­kok … näch­ster Freund. Der ist gott­sei­dank zuhau­se, hat einen funk­tio­nie­ren­den Drucker und beru­higt mich: „Kein Pro­blem, schicks her“. Uff. Sicher­heits­hal­ber zie­he ich die Datei­en auf einen Stick und stecke ihn ein. Man weiss ja nie.

Es ist 18:45, um 19:15 ist der Ter­min. Die Che­fin ist noch nicht ganz fer­tig … ich wer­de ner­vös. Wenn jetzt der ande­re Drucker auch nicht … end­lich fah­ren wir los, ich mitt­ler­wei­le mit gemisch­ten Gefüh­len. Pink Floyds „Sheep“ fällt mir ein: „Only dim­ly awa­re of a cer­tain unea­se in the air“ – wie wahr. Ich fah­re etwas schnel­ler als erlaubt. In Forch­heim emp­fängt mich mein Freund bereits mit den aus­ge­druck­ten Unter­la­gen, alles in But­ter. Ich het­ze zurück zum Auto, die Che­fin schaut ungläu­big: „Wir haben doch noch ewig Zeit …“. Egal, wer weiss was sonst noch dazwi­schen kommt!

Am Impf­zen­trum ange­kom­men stei­ge ich erst­mal aus und son­die­re die Lage. Eine Schlan­ge von ca 20 Leu­ten steht im Frei­en an, ein Typ von einer Secu­ri­ty-Fir­ma wuselt her­um. Secu­ri­ty? Secu­ri­ty?? Sind Anschlä­ge von Impf­geg­nern geplant??? Ich stel­le mich an, bekom­me aber dann mit dass wirk­lich noch Zeit ist. Ange­sichts der Schlan­ge der Impfling:innen vor mir gehe ich zum Auto zurück und rate mei­ner Hol­den doch bes­ser bei unse­rem Freund zu war­ten – „das kann sich hin­zie­hen“. Ich gebe ihr den Auto­schlüs­sel, sie ruft mir noch was nach, was ich aber nicht ver­ste­he. Schwe­rer Fehler!

Ich rei­he mich wie­der ein und war­te. Es wird die läng­ste Vier­tel­stun­de mei­nes Lebens. Gott­sei­dank reg­net es nicht. End­lich gibt die Secu­ri­ty den Ein­gang frei, aber viel wei­ter kom­men wir auch nicht und ste­hen jetzt auf der Trep­pe her­um. Hin­ter uns macht die Secu­ri­ty dicht, „Schluss für heu­te“. End­lich gehts wei­ter, wir gehen in den Regi­strier-Raum und ste­hen wie­der Schlan­ge. Aber es geht fix, wir bekom­men jeder eine Num­mer und sol­len war­ten. Wor­auf? Ah, an der Wand hängt ein gro­ßer Moni­tor, und dar­auf wer­den die Num­mern und Impfräu­me ange­zeigt – fast wie am Flughafen.

Die Situa­ti­on emp­fin­de ich als alter Sci­ence-Fic­tion-Fan gera­de­zu gespen­stisch: Ich sit­ze in einem Raum mit vie­len ande­ren Mas­kier­ten. Ab und zu ertönt ein dis­so­nan­ter Gong, auf dem Moni­tor ändern sich die Num­mern. Dar­auf­hin ste­hen Leu­te auf und ver­schwin­den, ohne jemals wie­der­zu­kom­men … näch­ster Gong, näch­ste Num­mer, und wie­der ver­schwin­det einer auf Nim­mer­wie­der­se­hen … Pink Floyds „Sheep“ lässt mich nicht mehr los:

What do you get for pre­ten­ding the danger’s not real
Meek and obe­dient you fol­low the leader
Down well trod­den cor­ri­dors into the val­ley of steel
What a surprise
The look of ter­mi­nal shock in your eyes
Now things are real­ly what they seem
No, this is no bad dream

Das War­ten zer­mürbt ein biss­chen. Noch fünf Num­mern vor mir. Plötz­lich wird der Bild­schirm dun­kel. Was? Schluss für heu­te?? Ich wer­de nicht geimpft??? Gott­sei­dank nur ein tech­ni­scher Defekt, ausser­halb des Rau­mes gibt es noch einen wei­te­ren Moni­tor. Ich war­te drau­ßen bis sich dran komme.

Ich bin tat­säch­lich der letz­te der an die­sem Tag geimpft wird. Mit gespann­ter Erwar­tung betre­te ich „mei­nen“ Impf­raum. Dort erwar­tet mich ein über­ra­schend gut gelaun­ter jun­ger Assi­stent der mit mir die Prä­li­mi­na­ri­en durch­geht. „Die Frau Dok­tor kommt gleich“. Die Sprit­ze liegt bereits auf­ge­zo­gen auf einem Tablett, ein eigen­ar­ti­ger Anblick. Scha­de, kei­ne Impf­pi­sto­le, hät­te mir sicher Spaß gemacht: Pfffft und fer­tig. Die Frau Dok­tor kommt und … es ist mei­ne Nach­ba­rin. Haha. Auch sie ist trotz der spä­ten Stun­de – noch dazu an einem Sonn­tag – bestens gelaunt. „Es macht jetzt dann einen klei­nen Pieks“. Naja, das ken­nen wir schon. Ich unter­hal­te mich noch kurz mit dem Assi­sten­ten und bemer­ke auf ein­mal dass die Frau Dok­tor schon ein Pfla­ster auf den Arm pappt. Was? Das wars schon? Ich habe gar nichts mit­be­kom­men! Der Assi­stent und Frau Dok­tor über­le­gen künf­tig etwas dra­ma­ti­sche Musik zu unter­le­gen damit das Impf­erleb­nis deut­li­cher wird …?

Was soll man sagen? Das sind halt ech­te Pro­fis, die nach einem lan­gen Arbeits­tag per­fek­te Arbeit ablie­fern und auch noch dar­über wit­zeln kön­nen. Ich bin schwer beein­druckt. Ich fra­ge noch ob ich irgend­was beach­ten müs­se? Nö. „Aber in den näch­sten zwei Wochen kein Hoch­lei­stungs­sport und kei­ne Sau­na.“ Damit kann ich leben.

Ich ver­ab­schie­de mich und gehe in den War­te­saal zu den ande­ren Geimpf­ten, wir sol­len kurz war­ten falls irgend­wel­che Pro­ble­me auf­tre­ten soll­ten. Ich spür nix. Gar nix. Viel­leicht haben sie mich ja nur gefoppt und gar kei­ne Sprit­ze gege­ben, son­dern ein­fach nur das Pfla­ster drauf­ge­pappt? Schließ­lich habe ich ja gar nix gemerkt …

Ich mer­ke wei­ter­hin nichts und ver­las­se das Impf­zen­trum durch den unte­ren Aus­gang. Ein schwe­rer Feh­ler! Ich mache mich auf den Weg zu unse­rem Freund, wo ich mei­ne Lebens­ge­fähr­tin wäh­ne. Dort ange­kom­men fragt mich unser Freund war­um ich allein käme …? Mir däm­mert dass ich bes­ser hät­te fra­gen sol­len was die Che­fin mir nach­ge­ru­fen hat … ich lau­fe also zurück und rich­tig: Im Auto vor dem obe­ren Aus­gang des Impf­zen­trums sitzt die beste Lebens­ge­fähr­tin von allen und war­tet auf ihren schwer geimpf­ten Schatz, mitt­ler­wei­le aber leicht säuerlich …

Nach kur­zer „Dis­kus­si­on“ besu­chen wir noch unse­re Freun­de, ich trin­ke zwei „Schlöb­ber­la“ auf die gelun­ge­ne Imp­fung („ein­fach wei­ter­le­ben wie bis­her“ hat Frau Dok­tor schließ­lich gesagt) und schließ­lich fährt die Che­fin uns nach Hau­se wäh­rend mir sied­end­heiß ein­fällt dass ich ver­ges­sen habe den Haus­schlüs­sel mit­zu­neh­men … ich freue mich schon auf den zwei­ten Termin.

Sheep von Pink Floyd: