Osterpredigt in der Bayreuther Stadtkirche von Regionalbischöfin Dr. Greiner
(Redemanuskript, es gilt das gesprochene Wort)
Die Rettung am Schilfmeer!
Warum diese Geschichte am Osterfest in allen lutherischen Kirchen Deutschlands als Bibelwort?
Es ist die Rettungsgeschichte schlechthin für die jüdischen Gemeinden – so wie die Auferstehung Jesu die Rettungsgeschichte schlechthin ist für die christlichen Gemeinden.
Beide Geschichten sagen: Gott rettet aus dem Tod.
Beide Geschichten gehören zum Kernbestand an Wundern, die unser Gottvertrauen nähren.
So groß wie die unmittelbare Todesgefahr damals für das Volk Israel war, ist die Todesgefahr durch die Pandemie für uns definitiv nicht. Trotzdem sind da Parallelen.
Schauen wir auf die Menschen im Volk Israel in der damaligen Situation:
Sie haben die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten hinter sich – auch ein großes Wunder Gottes – und sie haben die Verheißung des gelobten Landes vor sich. Und doch haben sie größte Angst um ihr Leben. Und diese Angst ist realistisch. Der Pharao mit seinen Streitwagen verfolgt sie und das Schilfmeer versperrt ihnen den Weg. Sie sind in einer Falle.
Auch wir haben schon so viel Hilfe Gottes in unserem Leben erfahren und die meisten – auch ich – haben die Hoffnung auf baldiges Geimpftwerden vor uns. Trotzdem haben wir Sorge um unser Leben und auch das unserer Lieben. Zumindest gestehe ich das ein. Über 75.000 Menschen sind schon an der Pandemie gestorben. Viele sind mit anhaltenden Schäden erkrankt. Keiner unter uns will leiden oder gar sterben an diesem Virus oder an anderen Krankheiten. Wir wollen leben.
Was tut nun das Volk Israel? Es heißt: „Und sie fürchteten sich sehr und schrien zum Herrn“. Das ist das erste, was sie tun – und das ist gut so. Denn Gott hört offensichtlich. Nur, das wissen sie noch nicht.
Darum klagen sie Mose an: „Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast… Es wäre besser für uns den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben.“ So schnell geht es, dass das Volk die Leiden der Sklaverei vergisst. So schnell kippt die Stimmung in Anklage gegenüber der Führungsperson, die bisher gut geholfen hat.
Was tut Mose? Er verteidigt sich nicht. Er hilft dem Volk auf Gott zu trauen: „Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr … an euch tun wird.“ „Der Herr wird für Euch streiten und ihr werdet stille sein.“
Ob Sie sich eher in der Rolle des Volkes als in der Rolle des Mose sehen? Vielleicht stehen wir auch mal da und mal dort. Manchmal erfasst uns die Sorge und manchmal haben wir Gottvertrauen und es gelingt uns sogar, anderen Mut zu manchen.
Das Bibelwort lässt uns hinter die Kulissen schauen und Mose kommt uns dadurch näher. „Der Herr sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen.“
Aha! Mose ist also gar nicht so ruhig und stark, wie er gegenüber dem Volk auftritt. Er ist selbst wie gelähmt und schreit voll Angst zu Gott.
Es ist auch meine Lebenserfahrung und vielleicht auch Ihre: Es ist diese Verbindung zu Gott, die in Drucksituationen und Angst über Wasser hält und sogar dann und wann trotz eigener Sorge, Kraft gibt anderen Mut zu machen.
Das war auch die Weise Jesu zu leben. Nur war seine Beziehung zum himmlischen Vater unvergleichlich stabiler als unsere. Er lebte vollkommen in dieser vertrauensvollen innigen Verbindung zu ihm.
Doch selbst er spürt die Nähe Gottes am Kreuz nicht mehr und ruft: „Mein Gott mein Gott, warum hast Du mich verlassen.“
Wichtig: Er redet mit Gott, obwohl er ihn nicht fühlt. Er bleibt mit Gott in Verbindung und kann so trotz seiner Todesangst dem Verbrecher, der neben ihm am Kreuz hängt, Mut machen: „Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein.“
Einerseits sind wir klüger; denn wir kennen den Ausgang beider Geschichten. Wir wissen, dass Gott Wind aufkommen ließ, der das seichte Meer für eine Zeit wegdrückte. Wir wissen, dass Gott bei Jesus am Kreuz war, mit ihm litt, ihn nie verließ und von den Toten auferweckte.
Andererseits sind wir doch nicht klüger. Wir haben – wie das Volk – Erfahrungen der Hilfe Gottes im Rücken und die Verheißung des Himmels vor uns. Und doch verlässt uns zwischendurch der Mut und wir können nur noch zu Gott schreien.
Wir können auch nichts Besseres tun als das. Das muss immer das erste sein.
Und das zweite kann der Blick auf diese Geschichten der Bibel sein, besonders diese beiden – aber auch viele andere darum herum, die eins ums andere Mal sagen:
Gerade dann, wenn Du die Nähe des rettenden Gottes nicht fühlst, ist er doch da. Er wird Dich retten. Er will, dass Du lebst. Er wird Dich durch das Meer, das vor Dir liegt führen, sodass Du Lieder der Rettung singst wie Miriam. Miriam nahm eine Pauke in die Hand, sang und viele stimmten ein: Lasst uns dem Herrn singen, denn er ist hoch erhaben. Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.
Und manchmal gibt es ja auch Geschichten in unserem eigenen Leben, die machen uns still, weil wir erkennen, dass Gott für uns gekämpft hat. Vor wenigen Wochen wurde eine christliche Iranerin verhaftet und zur Abschiebung zum Flughafen transportiert. Ich war voll Angst um sie, habe alle Hebel, die ich kannte in Bewegung gesetzt.
Ich habe zum Herrn geschrien, aber ehrlicherweise ohne Hoffnung. Zwei Stunden vor Abflug wurde die Abschiebung gestoppt. Ich war beschämt, weil ich ohne Hoffnung gebetet hatte. Doch Gott hat trotzdem gerettet. Inzwischen darf sie arbeiten und verdient ihren Lebensunterhalt. Gott hilft zum Leben.
Trotzdem gibt es genug Geschichten, die nicht gut ausgehen. Dass Jesus so starb ist grauenvoll. Wir leben in einer Welt, in der Krankheit, Krieg, Unmenschlichkeit, Hass und Feindschaft und auch der Tod mächtig sind.
Aber unser Gott ist eindeutig. Er will das Leben in Liebe und sucht Menschen, die ihm vertrauen und so Blick den öffnen dafür, dass er da ist und so manches tut, worüber wir uns wundern, freuen und dankbar sind. Die biblischen Geschichten helfen uns, dies zu sehen. Sie helfen auch mir Humor und Gelassenheit behalten, wie sie sich zum Beispiel in folgender Szene ausdrückt:
Snoopy und sein Freund sitzen nebeneinander und schauen in die Ferne. Man sieht nur beider Rücken. Der Freund sagt: „Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy!“ Die Antwort: „Ja, aber an allen anderen Tagen nicht.“
Unser Bibelwort heute ist eine Geschichte, die hilft Abstand zu gewinnen von übermächtiger Angst. Angst ist da. Doch auch die Zusage: Gott wird für Euch streiten und Ihr werdet stille sein.
Es regt an Abstand zu nehmen, wenn Führungspersönlichkeiten angegangen werden, die unser Volk durch die Krise verantwortlich führen.
Es gibt den Impuls Abstand zu gewinnen zu Bewegungen im Volk, die alte Fleischtöpfe glorifizieren: z.B. den Fleischtopf: Deutschland für Deutsche, so wie es früher mal war. Aber jetzt ist nicht mehr früher. Und unser Gott ist nicht ein Gott, der mit uns in die Vergangenheit zurückgeht, sondern in die Zukunft, mitten durchs Schilfmeer.
Vor allem lehrt unsere Geschichte in Verbindung mit Gott zu sein, zu beten, auf ihn zu schauen und sogar anderen Mut zu machen.
Einmal werden wir alle sterben. Ja, aber an allen anderen Tagen nicht. Und wenn es dann soweit ist, auch dann wird Gott uns retten, wie er den gestorbenen Jesus gerettet hat. Wir werden leben.
Amen.
Neueste Kommentare