Bam­ber­ger „Fami­li­en­bund der Katho­li­ken“ für mehr Kin­der­rech­te ohne Verfassungsänderung

Die Dis­kus­si­on um die Ver­fas­sungs­än­de­rung reißt nicht ab. Wie das ARD-Haupt­stadt­stu­dio am Mon­tag mel­de­te, sol­len die Kin­der­rech­te in das Grund­ge­setz auf­ge­nom­men wer­den – eine ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung ist im Koali­ti­ons­ver­trag ent­hal­ten. Der Fami­li­en­bund der Katho­li­ken ist einer der weni­gen Ver­bän­de, der klar Stel­lung gegen eine Ver­fas­sungs­än­de­rung bezieht.

Die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on ist in Deutsch­land seit 1992, als der Ver­trag von Deutsch­land rati­fi­ziert wur­de und seit 2010 die zunächst erklär­ten Vor­be­hal­te zurück­ge­nom­men wur­den, voll gül­tig und hat den Rang eines ein­fa­chen Bun­des­ge­set­zes. Durch das Grund­ge­setz wer­den alle Staats­or­ga­ne in den Dienst der Durch­set­zung des Völ­ker­rechts, also auch der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on gestellt. Der Fami­li­en­bund der Katho­li­ken im Erz­bis­tum Bam­berg for­dert daher von den Ver­ant­wort­li­chen, die gel­ten­den Rech­te umzu­set­zen und Fami­li­en bes­ser zu för­dern, anstatt Sym­bol­po­li­tik zu betrei­ben. Die Aner­ken­nung der Kin­der­rech­te ist bereits erfolgt, es man­gelt aber vor allem an der Umset­zung. Dies soll mit die­sem Vor­stoß kaschiert werden.

Die Men­schen­rech­te im deut­schen Grund­ge­setz sind eine der her­aus­ra­gend­sten Errun­gen­schaf­ten unse­rer Demo­kra­tie. Sie stel­len die Gemein­sam­kei­ten aller Men­schen her­aus und garan­tie­ren jedem Indi­vi­du­um die glei­chen Rech­te – auch unse­ren Kin­dern. Eine Ver­fas­sungs­än­de­rung durch eine Umfor­mu­lie­rung des Arti­kels 6 wür­de bedeu­ten, dass die­ser Grund­ge­dan­ke auf­ge­ho­ben wird – die Fol­gen sind der­zeit nicht abzu­se­hen. Wer­den bei­spiels­wei­se ein­zel­ne Aspek­te der Grund­rech­te wie Mei­nungs­frei­heit nicht ein­deu­tig auch für Kin­der fest­ge­schrie­ben, sind die­se dann noch gewähr­lei­stet? Durch die­se ‚Son­der­grund­rech­te‘ wür­de das Gleich­heits­prin­zip des Grund­ge­set­zes aus­ge­he­belt wer­den. Auch ande­re Grup­pen von Schutz­be­dürf­ti­gen wie z. B. alte oder behin­der­te Men­schen könn­ten dann die Auf­nah­me eige­ner Grund­rech­te for­dern, was dazu füh­ren wür­de, dass es kei­ne Garan­tie der Gleich­heit und eine Beto­nung der Gemein­sam­kei­ten, son­dern eine Zer­split­te­rung in ein­zel­ne Inter­es­sens­grup­pen gäbe.

Zudem ist eine Ver­fas­sungs­än­de­rung über­flüs­sig, da der beson­de­re Schutz der Fami­lie bereits in Arti­kel 6 des Grund­ge­set­zes ver­an­kert ist. Absatz 2 lau­tet: Pfle­ge und Erzie­hung der Kin­der sind das natür­li­che Recht der Eltern und die zuvör­derst ihnen oblie­gen­de Pflicht. Über ihre Betä­ti­gung wacht die staat­li­che Gemein­schaft. Die­ser Arti­kel defi­niert den beson­de­ren Schutz, den Kin­der in unse­rer Gesell­schaft genie­ßen müs­sen bereits, aller­dings ‚sei­ten­ver­kehrt‘ aus Sicht der Eltern. Diö­ze­san­vor­sit­zen­de Chri­stia­ne Kömm zeigt sich schockiert dar­über, wie häu­fig die­ser Umstand in der aktu­el­len poli­ti­schen Debat­te igno­riert wird. Eine Ver­fas­sungs­än­de­rung, wie sie im Koali­ti­ons­ver­trag fest­ge­schrie­ben ist, bedeu­tet, dass der Staat weit­rei­chen­de Befug­nis­se bekä­me, die die der Eltern weit­ge­hend ein­schrän­ken könnten.

Aus Sicht der Eltern und auch unse­rer Gesell­schaft ist dies nicht wün­schens­wert, da es das Drei­ecks­ge­fü­ge zwi­schen Eltern, Kin­der und Staat aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen wür­de. Dar­an ändert auch eine Ände­rung des Ent­wurfs nichts. „Wenn der Staat Kin­der und Fami­li­en stär­ken möch­te (was wün­schens­wert ist), soll­te die­ser die bereits vor­han­de­nen Mit­tel aus­bau­en – hier­für ist kei­ne Ver­fas­sungs­än­de­rung nötig.“, meint Kömm. Das Recht aber auch die Pflicht der Eltern sind die Erzie­hung ihrer Kin­der, die sie jedoch indi­vi­du­ell gestal­ten kön­nen. Das Ent­zie­hen des elter­li­chen Erzie­hungs­rech­tes ist aber auch für den Staat als sol­chen nicht wün­schens­wert. Eine Ent­zie­hung der Kin­der oder eine Ein­schrän­kung des Umgangs­rech­tes ist in man­chen Fäl­len zum Schutz des Kin­des nötig, es ist jedoch nicht der Nor­mal­fall. Kömm stellt klar: „Grund­sätz­lich gilt: Ein sol­cher Ein­griff in das Erzie­hungs­recht der Eltern darf kei­ne Nor­ma­li­tät wer­den, son­dern muss die Ulti­ma Ratio sein.“

Eine spe­zi­el­le Ein­bin­dung der Kin­der­rech­te in das Grund­ge­setz ist somit über­flüs­sig und kann im Gegen­teil kon­tra­pro­duk­tiv sein, da die ver­fas­sungs­recht­li­chen Fol­gen nicht zu über­blicken sind.