Aus der Gau­stadter Leser­post: Schmückt sich der Frän­ki­sche Tag mit „frem­den Federn“?

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Bam­berg-Gau­stadt, 12. August 2020

Sehr geehr­te Damen und Herren!

„Für Auto- und Rad­fah­rer machen sich eini­ge Grup­pie­run­gen stark. Doch wer setzt sich für die Fuß­gän­ger ein? Der Frän­ki­sche Tag!“ lese ich im Lokal­teil Bam­berg-Stadt vom 12. August. Es ent­steht der unzu­tref­fen­de Ein­druck, die Redak­ti­on habe das The­ma eigen­stän­dig ent­deckt und in die Öffent­lich­keit getragen.

Nach­dem im Jah­re 2007 ein neu­er Kreis­vor­stand des Ver­kehrs­club Deutsch­land (VCD) gewählt wor­den war, fan­den sich der Vor­sit­zen­de und der als Pres­se­spre­cher fun­gie­ren­de Stell­ver­tre­ter zur Vor­stel­lung in der FT-Redak­ti­on ein. Da der Ver­band sich – unter der Prä­mis­se einer städ­te­bau­lich ver­träg­li­chen, gesund­heit­lich und öko­lo­gisch zukunfts­fä­hi­gen Poli­tik – als Inter­es­sen­ver­tre­ter aller Ver­kehrs­ar­ten ver­steht, brach­ten sie selbst­ver­ständ­lich auch den fuß­läu­fi­gen Ver­kehr zur Spra­che. Beant­wor­tet wur­de das mit der das The­ma in die Nähe des Lächer­li­chen zie­hen­den Bemer­kung, es sol­le sogar einen Fuß­gän­ger­schutz­ver­ein geben. Gemeint war der heu­ti­ge FUSS e.V. – Fach­ver­band Fuß­ver­kehr (www​.FUSS​-eV​.de) mit Sitz in Ber­lin, Mit­her­aus­ge­ber der Fach­zeit­schrift mobi­lo­gisch! (www​.mobi​lo​gisch​.de).

Jah­re spä­ter durf­te sich ein nam­haf­ter, noch immer amtie­ren­der CSU-Rats­herr mit der Bemer­kung, Fuß­gän­ger brauch­ten kei­ne Inter­es­sen­ver­tre­tung, gehen kön­ne schließ­lich jeder, hervortun.

Weni­ge Jah­re erst ist es her, daß im Stadt­rat auf Betrei­ben des VCD das Par­ken auf Geh­weg­flä­chen the­ma­ti­siert wur­de. Die star­ke Auto­lob­by im Gre­mi­um wie in der Stadt­ver­wal­tung ver­hin­der­te die Besei­ti­gung der Miß­stän­de: groß­zü­gi­ge Dul­dung des ille­ga­len Geh­weg­par­kens sowie der Über­schrei­tung der mar­kier­ten Geh­weg­stell­plät­ze auf Kosten des ver­blie­be­nen Geh­steigs, unzu­läs­si­ge Anord­nung des Geh­weg­par­kens auf hier­zu zu schma­len Gehsteigen.

Auch der schon davor unter­nom­me­ne Ver­such mei­ner­seits, zunächst über die Kom­mu­nal­po­li­tik und ‑ver­wal­tung auf die Behin­de­rung und Gefähr­dung (!) durch ille­ga­les wie ange­ord­ne­tes Geh­weg­par­ken auf­merk­sam zu machen, blieb ergeb­nis­los. Die Stadt ant­wor­te­te erst nach Ein­schal­ten der Kom­mu­nal­auf­sicht und teil­te mit, die Beach­tung der gel­ten­den Regel­wer­ke (!) koste­te zu vie­le Stell­plät­ze. Auf die ent­ste­hen­den Unfall­ri­si­ken ins­be­son­de­re für Kin­der ging der ver­ant­wort­li­che Spit­zen­be­am­te mit kei­nem Wort ein. Weder Bezirks­re­gie­rung noch Innen­mi­ni­ste­ri­um fan­den hier­an etwas aus­zu­set­zen. Bei den Medi­en bestand kein Inter­es­se an Berichterstattung.

Auf die Mög­lich­keit, unter Wah­rung denk­mal­schüt­ze­ri­scher Belan­ge das Kopf­stein­pfla­ster für Rol­la­to­ren und Roll­stüh­le durch Glät­tung benutz­bar zu machen, hat­te ich unter Ver­weis auf ent­spre­chen­de Fach­pu­bli­ka­tio­nen eben­falls schon vor Jah­ren hin­ge­wie­sen. Hier­von pro­fi­tie­ren auch vie­le ande­re, deren Fort­be­we­gungs­mit­tel Räder besit­zen: Roll­schuh­fah­rer, Inline­ska­ter, (nicht nur) Kin­der auf Fahr­rä­dern und Tret­rol­lern, Eltern (und ande­re) mit Kin­der­wa­gen, aber auch Men­schen, die, durch Alter oder Gesund­heit bedingt, ein­fach nicht mehr gut zu Fuß sind. Die kaum mehr als ein- bis ein­ein­halb Meter brei­ten Strei­fen, wel­che in Bam­berg zwi­schen­zeit­lich so gestal­tet wer­den, genü­gen dem Platz­be­dürf­nis jedoch bei wei­tem nicht.

Auch Kon­flik­te, ihre Ursa­chen und Ansät­ze zur Lösung hat­te ich in der Ver­gan­gen­heit wie­der­holt ange­spro­chen: So ist die star­ke Nut­zung der Fuß­gän­ger­zo­ne ein­schließ­lich Austra­ße durch Rad­fah­rer nicht zuletzt dadurch bedingt, daß die par­al­le­len Rou­ten über Kapu­zi­ner­stra­ße und Wil­ly-Les­sing-Stra­ße höchst fahr­rad­feind­lich gestal­tet sind. Geän­dert hat sich sub­stan­ti­ell nichts – als wäre beab­sich­tigt, die Streit­quel­le am Köcheln zu hal­ten. Ähn­li­ches gilt für das augen­schein­lich zuneh­men­de Geh­weg­ra­deln: Poli­zei und Justiz zei­gen sich bis­lang nicht wil­lens, gefähr­den­des Ver­hal­ten von Kraft­fah­rern gegen­über Rad­lern vor­beu­gend zu unter­bin­den oder, solan­ge es nicht zum Unfall kommt, zu ahn­den. Die wei­chen aus Angst um ihr eige­nes Wohl­erge­hen auf den Geh­weg aus und gefähr­den so unbe­ab­sich­tigt nicht nur ande­re, son­dern auch sich selbst.

Seit den jüng­sten Kom­mu­nal­wah­len habe ich eben­falls mehr­fach auf die Belan­ge des fuß­läu­fi­gen Ver­kehrs hin­ge­wie­sen – die Redak­ti­on des Frän­ki­schen Tags zeig­te sich nicht inter­es­siert. Bei­spiel­haft sei­en nach­fol­gen­de Schrei­ben erwähnt:

  • 16. April: Stra­ßen für Menschen
    Unter Bezug­nah­me auf Ver­öf­fent­li­chun­gen des VCD-Bun­des­ver­bands, der mobi­lo­gisch! sowie des FUSS e.V hat­te ich die Miß­ach­tung gel­ten­der Vor­ga­ben zur Frei­hal­tung aus­rei­chend brei­ter Geh­weg­flä­chen durch unzu­läs­si­ge Anord­nung von Geh­weg­park­plät­zen und benut­zungs­pflich­ti­gen Rad­we­gen sei­tens der Bam­ber­ger Ver­kehrs­be­hör­den the­ma­ti­siert. Beson­de­re Aktua­li­tät hat­te das The­ma durch die koro­nabe­ding­ten Vor­ga­ben für ein­zu­hal­ten­de Min­dest­ab­stän­de erhalten.
  • 16. Mai: zum Koope­ra­ti­ons­pa­pier Grün – Volt – ÖDP – SPD
    Unter Her­bei­zie­hung vor­ge­nann­ter Quel­len bemän­gel­te ich die kaum vor­han­de­ne Berück­sich­ti­gung des fuß­läu­fi­gen Ver­kehrs in der Ver­ein­ba­rung der genann­ten Par­tei­en. Neben schon erwähn­ten Pro­blem­be­rei­chen habe ich die über­eil­te Ein­füh­rung und in Bam­berg beab­sich­tig­te umfang­rei­che Anwen­dung des grü­nen Rechts­ab­bie­ge­pfeils für Rad­fah­rer kri­ti­siert, da er wei­te­re Gefähr­dun­gen für Fuß­gän­ger mit sich bringt. Ent­spre­chen­de Beden­ken hat­te der ört­li­che VCD bereits geäu­ßert, als noch der vor­he­ri­ge Stadt­rat das The­ma diskutierte.
  • 17. Mai: Wert eines Lebens
    In einem offe­nen Brief an die ört­li­chen Man­dats­trä­ger der CSU in Bund und Land hat­te ich ver­deut­licht, daß die Geschwin­dig­keits­dif­fe­renz eines Kraft­fahr­zeugs von 20 km/​h für Fuß­gän­ger (und Rad­fah­rer) den Unter­schied zwi­schen Leben und Tod bzw. lebens­lan­ger Behin­de­rung bedeu­tet. Sie soll­ten daher ihren Par­tei­freund, Bun­des­ver­kehrs­mi­ni­ster Scheu­er, dar­an hin­dern, die bei ent­spre­chen­der Über­schrei­tung der ange­ord­ne­ten Höchst­ge­schwin­dig­keit dro­hen­den Fahr­ver­bo­te wie­der zurückzunehmen.

Die Ver­nach­läs­si­gung der Fuß­gän­ger­belan­ge in der (städ­ti­schen) Poli­tik ist stark begün­stigt durch das bis­he­ri­ge Des­in­ter­es­se der mei­sten Medi­en am The­ma – und dies gilt ganz beson­ders auch für den Frän­ki­schen Tag. Berich­tet wur­de meist nur, wenn es galt, schlag­zei­len­träch­tig die Kon­flik­te mit dem Rad­ver­kehr in den Vor­der­grund zu stel­len – und hier, wenn über­haupt, nur sel­ten Ursa­chen suchend und lösungsorientiert.

Doch auch die wei­te­ren berech­tig­ten Anlie­gen, wel­che im aktu­el­len Arti­kel sei­tens der Arbeits­ge­mein­schaft der älte­ren Bür­ger Bam­bergs vor­ge­bracht wer­den, sind kei­nes­wegs neu, wie vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen ent­nom­men wer­den kann. Es hat sich nur nie­mand dafür interessiert.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig