Bay­reu­ther Mikro­bio­lo­gen nut­zen Bak­te­ri­en für mul­ti­funk­tio­na­le Nanopartikel

Symbolbild Bildung

Ein gene­ti­scher Nano-Bau­ka­sten für neue Biomaterialien

Dr. Frank Mickoleit, Prof. Dr. Dirk Schüler und Clarissa Lanzloth B.Sc. an einem Gerät zur Analyse, Isolation und Reinigung von Proteinen. Foto: Christian Wißler.

Dr. Frank Mick­oleit, Prof. Dr. Dirk Schü­ler und Cla­ris­sa Lanz­loth B.Sc. an einem Gerät zur Ana­ly­se, Iso­la­ti­on und Rei­ni­gung von Pro­te­inen. Foto: Chri­sti­an Wißler.

Magnet­bak­te­ri­en kön­nen zur Her­stel­lung neu­ar­ti­ger Bio­ma­te­ria­li­en genutzt wer­den. Ein Team von Mikro­bio­lo­gen an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth unter der Lei­tung von Prof. Dr. Dirk Schü­ler hat mit die­sem Ziel erst­mals ein Bau­ka­sten-System ent­wickelt, das die gene­ti­sche Umpro­gram­mie­rung der Bak­te­ri­en ermög­licht. Die Bak­te­ri­en wer­den dadurch zu Pro­du­zen­ten magne­ti­scher Nano­par­ti­kel, die ver­schie­de­ne nütz­li­che Funk­tio­nen und Eigen­schaf­ten mit­ein­an­der kom­bi­nie­ren. Erste Stu­di­en las­sen auf eine gute Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät der Par­ti­kel schlie­ßen. Das Anwen­dungs­po­ten­zi­al in der Bio­me­di­zin und Bio­tech­no­lo­gie ist des­halb hoch. In der Zeit­schrift „Small“ stel­len die Wis­sen­schaft­ler ihre Erkennt­nis­se vor.

Von Magne­to­so­men zu viel­sei­tig nütz­li­chen Nanopartikeln

Magnet­bak­te­ri­en der Spe­zi­es Magne­to­spi­r­il­lum gry­phis­wal­den­se rich­ten ihre Fort­be­we­gun­gen am Erd­ma­gnet­feld aus. In ihren Zel­len sind magne­ti­sche Nano­par­ti­kel, die Magne­to­so­men, ket­ten­för­mig ange­ord­net und bil­den damit eine Art Kom­pass-Nadel. Jedes Magne­to­som besteht aus einem magne­ti­schen Eisen­oxid-Kern, wel­cher von einer Mem­bran umge­ben ist. Die­se ent­hält neben Lipi­den (Fet­ten) eine Viel­zahl von Pro­te­inen (Eiwei­ßen).

Den Bay­reu­ther Mikro­bio­lo­gen ist es nun gelun­gen, an die­se Pro­te­ine bio­che­misch akti­ve funk­tio­nel­le Grup­pen anzu­kop­peln, wel­che aus ver­schie­de­nen Fremd­or­ga­nis­men stam­men. Das dabei ange­wen­de­te Ver­fah­ren setzt bei den Genen an, die für die Bio­syn­the­se der Mem­bran-Pro­te­ine zustän­dig sind. Die­se Gene wer­den aus dem Genom (Erb­gut) der Bak­te­ri­en her­aus­ge­löst und mit Genen gekop­pelt, wel­che die Her­stel­lung der jewei­li­gen funk­tio­nel­len Grup­pen steu­ern. Sobald die Gene wie­der in das Genom ein­ge­baut sind, pro­du­zie­ren die umpro­gram­mier­ten Bak­te­ri­en Magne­to­so­men, auf deren Ober­flä­che die­se Grup­pen fest instal­liert sind.

Im Ein­zel­nen wur­den vier unter­schied­li­che funk­tio­nel­le Grup­pen mit Mem­bran-Pro­te­inen gekop­pelt. Hier­zu gehört das Enzym Glu­ko­se-Oxi­da­se aus einem Schim­mel­pilz, das heu­te bereits als „Zucker­sen­sor“ bei Dia­be­tes-Erkran­kun­gen bio­tech­no­lo­gisch ange­wen­det wird. Eben­so konn­ten ein grün-fluo­res­zie­ren­des Pro­te­in aus einer Qual­le sowie ein farb­stoff­bil­d­en­des Enzym aus dem Bak­te­ri­um Esche­ri­chia coli, des­sen Akti­vi­tät sich leicht mes­sen lässt, auf der Ober­flä­che der Magne­to­so­men instal­liert wer­den. Die vier­te funk­tio­nel­le Grup­pe stellt ein Anti­kör­per-Frag­ment aus einem Lama dar.

„Mit die­ser gene­ti­schen Umpro­gram­mie­rung haben wir die Bak­te­ri­en dazu gebracht, Magne­to­so­men zu pro­du­zie­ren, die bei einer Bestrah­lung mit UV-Licht grün leuch­ten und zugleich bio­ka­ta­ly­ti­sche Funk­tio­nen haben. Auf ihren Ober­flä­chen kön­nen ziel­ge­nau ver­schie­de­ne bio­che­mi­sche Funk­tio­nen instal­liert wer­den. So ver­wan­deln sich Magne­to­so­men, die aus leben­den Bak­te­ri­en stam­men, in mul­ti­funk­tio­na­le Nano­par­ti­kel mit fas­zi­nie­ren­den Funk­tio­nen und Eigen­schaf­ten. Die Par­ti­kel blei­ben unver­än­dert, wenn man sie aus den Bak­te­ri­en iso­liert. Dies ist auf­grund ihrer her­aus­ra­gen­den magne­ti­schen Eigen­schaf­ten leicht mög­lich“, sagt Pro­fes­sor Dirk Schü­ler, der die For­schungs­ar­bei­ten koor­di­niert hat.

Ein gene­ti­scher Bau­ka­sten für Anwen­dun­gen in Bio­me­di­zin und Biotechnologie

Die Funk­tio­nen, mit denen die Magne­to­so­men von den Bay­reu­ther Mikro­bio­lo­gen aus­ge­stat­tet wur­den, sind nicht die ein­zi­gen, die auf der Mem­bran instal­liert wer­den kön­nen. Sie kön­nen leicht durch ande­re Funk­tio­nen ersetzt wer­den. Das Ver­fah­ren der gene­ti­schen Umpro­gram­mie­rung eröff­net daher ein wei­tes Spek­trum von Design-Mög­lich­kei­ten. Es stellt die Grund­la­ge für einen „gene­ti­schen Bau­ka­sten“ dar, der die Her­stel­lung maß­ge­schnei­der­ter Magnet-Nano­par­ti­kel erlaubt. Ganz unter­schied­li­che nütz­li­che Funk­tio­nen und Eigen­schaf­ten las­sen sich dabei kom­bi­nie­ren. Jeder die­ser Par­ti­kel hat einen Durch­mes­ser zwi­schen 30 und 50 Nanometern.

„Unser gen­tech­ni­sches Ver­fah­ren zeich­net sich durch eine hohe Selek­ti­vi­tät und Kon­trol­lier­bar­keit aus. Her­kömm­li­che che­mi­sche Kopp­lungs­me­tho­den sind dage­gen längst nicht so lei­stungs­fä­hig“, erklärt der Bay­reu­ther Mikro­bio­lo­ge Dr. Frank Mick­oleit, der Erst­au­tor der Stu­die. Er ver­weist auf einen ent­schei­den­den Vor­teil der neu­en Bio­ma­te­ria­li­en: „Bis­he­ri­ge Stu­di­en zei­gen, dass die Magnet-Nano­par­ti­kel in Zell­kul­tu­ren kei­nen Scha­den anrich­ten. Gute Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät ist eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung, um die Par­ti­kel zukünf­tig in der Bio­me­di­zin anwen­den zu kön­nen, etwa als Kon­trast­mit­tel in Bild­ge­bungs­ver­fah­ren oder als Sen­so­ren in der Dia­gno­stik. Die Par­ti­kel könn­ten so zum Bei­spiel hel­fen, Tumor­zel­len auf­zu­spü­ren und zu zer­stö­ren.“ Ein wei­te­res Anwen­dungs­feld sind Bio­re­ak­tor­sy­ste­me. Hier­für eig­nen sich Magnet-Nano­par­ti­kel, die mit win­zi­gen Kata­ly­sa­to­ren bestückt sind und kom­ple­xe bio­che­mi­sche Pro­zes­se ermöglichen.

„Für die Kopp­lung ver­schie­de­ner funk­tio­nel­ler Grup­pen auf der Ober­flä­che von Nano­par­ti­keln gibt es ins­be­son­de­re in der Bio­tech­no­lo­gie und auch in der Bio­me­di­zin ein enor­mes Anwen­dungs­po­ten­zi­al. Die Magnet­bak­te­ri­en sind die Platt­form für einen fas­zi­nie­ren­den Nano-Bau­ka­sten, der die wis­sen­schaft­li­che Krea­ti­vi­tät auf dem Gebiet der Syn­the­ti­schen Bio­lo­gie beflü­gelt. Er wird wei­te­re inter­es­san­te For­schungs­an­sät­ze ansto­ßen“, ergänzt die Mikro­bio­lo­gin Cla­ris­sa Lanz­loth B.Sc., die als Mit­au­torin wesent­lich an der neu­en Stu­die betei­ligt war und in Bay­reuth den Master­stu­di­en­gang „Bio­che­mie und Mole­ku­la­re Bio­lo­gie“ absolviert.

Ver­öf­fent­li­chung:

Frank Mick­oleit, Cla­ris­sa Lanz­loth, Dirk Schü­ler: A Ver­sa­ti­le Tool­kit for Con­trollable and High­ly Sel­ec­ti­ve Mul­ti­func­tion­a­lizati­on of Bac­te­ri­al Magne­tic Nano­par­tic­les. Small (2020), doi: 10.1002/smll.201906922

Die mikro­bio­lo­gi­sche For­schungs­grup­pe von Pro­fes­sor Dirk Schü­ler an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth trägt schon seit vie­len Jah­ren dazu bei, inne­re Struk­tu­ren, Eigen­schaf­ten und Ver­hal­tens­wei­sen von Magnet­bak­te­ri­en auf­zu­klä­ren. Sie­he dazu u.a.:

Frank Mick­oleit, Valé­rie Jérô­me, Ruth Frei­tag, Dirk Schü­ler: Bac­te­ri­al Magne­to­so­mes as Novel Plat­form for the Pre­sen­ta­ti­on of Immu­no­sti­mu­la­to­ry, Mem­bra­ne-bound Ligan­ds in Cel­lu­lar Bio­tech­no­lo­gy. Advan­ced Bio­sy­stems (2020), doi: 10.1002/adbi.201900231

Dirk Schü­ler, René Uebe: Nano­kri­stal­le für die Magnet­feld­ori­en­tie­rung – Bio­ge­ne­se von Magne­to­so­men. BIOspek­trum (2019), doi: 10.1007/s12268-019‑0997‑y