Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Wär­me­iso­lie­ren­des und gleich­zei­tig wär­me­lei­ten­des Mate­ri­al entwickelt

Symbolbild Bildung

Minia­tur-Dop­pel­ver­gla­sung

Das neu entwickelte Material leitet Wärme gut entlang der Schichten, während es senkrecht dazu wärmeisolierend wirkt. Foto: MPI-P, Lizenz CC-BY-SA

Das neu ent­wickel­te Mate­ri­al lei­tet Wär­me gut ent­lang der Schich­ten, wäh­rend es senk­recht dazu wär­me­iso­lie­rend wirkt. Foto: MPI‑P, Lizenz CC-BY-SA

Sty­ro­por oder Kup­fer – bei­de Mate­ria­li­en wei­sen stark unter­schied­li­che Eigen­schaf­ten auf, was ihre Fähig­keit betrifft, Wär­me zu lei­ten. Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler des Max-Planck-Insti­tuts für Poly­mer­for­schung (MPI‑P) in Mainz und der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben nun gemein­sam ein neu­ar­ti­ges, extrem dün­nes und trans­pa­ren­tes Mate­ri­al ent­wickelt und cha­rak­te­ri­siert, wel­ches rich­tungs­ab­hän­gig unter­schied­li­che Wär­me­lei­t­ei­gen­schaf­ten auf­weist. Wäh­rend es in einer Rich­tung extrem gut Wär­me lei­ten kann, zeigt es in der ande­ren Rich­tung gute Wärmeisolation.

Wär­me­iso­la­ti­on und Wär­me­lei­tung spie­len in unse­rem All­tag eine ent­schei­den­de Rol­le – ange­fan­gen von Com­pu­ter­pro­zes­so­ren, bei denen es wich­tig ist, Wär­me schnellst­mög­lich abzu­lei­ten, bis hin zu Häu­sern, wo eine gute Iso­la­ti­on für die Ener­gie­ko­sten essen­ti­ell ist. Oft­mals wer­den für die Iso­la­ti­on extrem leich­te, porö­se Mate­ria­li­en ver­wen­det wie bei­spiels­wei­se Sty­ro­por, für die Wär­me­ab­lei­tung schwe­re Mate­ria­li­en wie Metal­le. Ein neu ent­wickel­tes Mate­ri­al, wel­ches Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler des MPI‑P mit der Uni­ver­si­tät Bay­reuth gemein­sam ent­wickelt und cha­rak­te­ri­siert haben, kann nun bei­de Eigen­schaf­ten verbinden.

Das Mate­ri­al besteht aus sich abwech­seln­den Schich­ten hauch­dün­ner Glas­plätt­chen zwi­schen wel­che ein­zel­ne Poly­me­r­ket­ten ein­ge­scho­ben sind. „Im Prin­zip ent­spricht unser so her­ge­stell­tes Mate­ri­al dem Prin­zip einer Dop­pel­ver­gla­sung“, so Mar­kus Retsch, Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. „Es zeigt nur den Unter­schied, dass wir nicht nur zwei Schich­ten haben, son­dern hunderte“.

Senk­recht zu den Schich­ten zeigt sich eine gute Wär­me­iso­la­ti­on. Mikro­sko­pisch betrach­tet ist Wär­me eine Bewe­gung bzw. Schwin­gung ein­zel­ner Mole­kü­le in dem Mate­ri­al, die sich an die benach­bar­ten Mole­kü­le über­trägt. Indem vie­le Schich­ten auf­ein­an­der auf­ge­baut wer­den, ver­rin­gert sich die­se Über­tra­gung: Durch jede neue Grenz­schicht wird ein Teil der Wär­me­über­tra­gung blockiert. Im Gegen­satz dazu kann die Wär­me inner­halb einer Schicht gut gelei­tet wer­den – hier exi­stie­ren kei­ne Grenz­flä­chen, die den Wär­me­fluss blockie­ren wür­den. So ist die Wär­me­über­tra­gung inner­halb einer Schicht um den Fak­tor 40 höher als senk­recht dazu.

Die Wär­me­leit­fä­hig­keit ent­lang der Schich­ten ist hier­bei ver­gleich­bar mit der Wär­me­leit­fä­hig­keit von Wär­me­leit­pa­ste, die unter ande­rem zur Auf­brin­gung von Kühl­kör­pern bei Com­pu­ter­pro­zes­so­ren ver­wen­det wird. Für elek­trisch iso­lie­ren­de Mate­ria­li­en auf Polymer/​Glas Basis ist die­ser Wert außer­ge­wöhn­lich hoch – er über­steigt den von han­dels­üb­li­chen Kunst­stof­fen um den Fak­tor sechs.

Damit das Mate­ri­al effi­zi­ent funk­tio­niert und zudem trans­pa­rent ist, muss­ten die Schich­ten mit sehr hoher Prä­zi­si­on auf­ein­an­der auf­ge­bracht wer­den – jede Inho­mo­ge­ni­tät wür­de die Trans­pa­renz ähn­lich wie ein Krat­zer in einem Stück Ple­xi­glas stö­ren. Jede Schicht hat nur eine Höhe im Bereich von einem mil­li­on­stel Mil­li­me­ter – also einem Nano­me­ter. Um die Homo­ge­ni­tät der Schicht­fol­ge zu unter­su­chen, wur­de das Mate­ri­al in der Grup­pe von Josef Breu, Pro­fes­sor für Anor­ga­ni­sche Che­mie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, cha­rak­te­ri­siert. „Wir nut­zen hier­für Rönt­gen­strah­len, mit denen wir das Mate­ri­al beleuch­ten“, so Breu. „Durch Über­la­ge­rungs­ef­fek­te die­ser Strah­len, die von den ein­zel­nen Schich­ten reflek­tiert wer­den, konn­ten wir zei­gen, dass die Schich­ten sehr prä­zi­se her­ge­stellt wer­den konnten“.

Eine Ant­wort, war­um die­se schicht­ar­ti­ge Struk­tur so außer­ge­wöhn­lich unter­schied­li­che Eigen­schaf­ten ent­lang bzw. senk­recht zu den ein­zel­nen Glas­plätt­chen auf­weist, konn­te Prof. Fytas im Arbeits­kreis von Prof. H.-J. Butt geben. Mit einer spe­zi­el­len Laser-basier­ten Mes­sung konn­te sei­ne Grup­pe die Aus­brei­tung von Schall­wel­len cha­rak­te­ri­sie­ren, die ähn­lich wie Wär­me durch die Betrach­tung der Schwin­gun­gen ein­zel­ner Mole­kü­le im Mate­ri­al zu ver­ste­hen ist. „Die­ses struk­tu­rier­te, aber den­noch trans­pa­ren­te Mate­ri­al, eig­net sich her­vor­ra­gend, um zu ver­ste­hen, wie unter­schied­lich der Schall sich ent­lang der ver­schie­de­nen Rich­tun­gen aus­brei­tet“, so Fytas. Aus den unter­schied­li­chen Schall­ge­schwin­dig­kei­ten kann direkt auf die rich­tungs­ab­hän­gi­gen mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten geschlos­sen wer­den, wel­che mit kei­ner ande­ren Metho­de zugäng­lich sind.

In ihrer wei­te­ren Arbeit möch­ten die For­scher noch bes­ser ver­ste­hen, wie Schall- und Wär­me­aus­brei­tung durch den Auf­bau der Glas­plat­ten-Poly­mer Struk­tur beein­flusst wer­den kann. Eine mög­li­che Anwen­dung sehen die For­scher in dem Bereich lei­stungs­star­ker Leucht­di­oden, in dem die Glas-Poly­mer­schicht einer­seits als trans­pa­ren­te Ver­kap­se­lung dient, ande­rer­seits die frei­ge­setz­te Wär­me seit­lich abfüh­ren kann.

Ihre Ergeb­nis­se haben die Wis­sen­schaft­ler nun in der renom­mier­ten Fach­zeit­schrift „Ange­wand­te Che­mie – Inter­na­tio­nal Edi­ti­on“ veröffentlicht.