Ver­un­treu­ung bei GTO Bay­reuth – Gesell­schaft bezieht Stellung

Bei der Gewer­be-Treu­hand Ober­fran­ken Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft mbH (GTO), bei der die Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken Haupt­an­teils­eig­ner ist, wur­den Ver­un­treu­un­gen, die wohl ein Mit­ar­bei­ter der GTO began­gen hat, aufgedeckt.

Die GTO berät und betreut seit 1978 vor allem unse­re Hand­werks­un­ter­neh­men in steu­er­li­chen Fra­gen. Haupt­tä­tig­keits­fel­der der GTO sind die Erstel­lung von Bilan­zen, Jah­res­ab­schlüs­sen und Steu­er­erklä­run­gen. Dane­ben hat die GTO im Jahr 2010 die Gewer­be-Treu­hand Unter­neh­mens- und Wirt­schafts­be­ra­tungs­ge­sell­schaft (GTU) als Toch­ter­ge­sell­schaft errich­tet. Die GTU über­nimmt für die Man­dan­ten der GTO – d.h. im Wesent­li­chen eben­falls für unse­re Hand­werks­be­trie­be – vor allem Lei­stun­gen im Bereich der Finanz­buch­hal­tung und der Lohn- und Gehaltsabrechnung.

Bei der GTO wur­den Steu­er­ver­kür­zun­gen und Ver­un­treu­un­gen auf­ge­deckt, für die nach aktu­el­lem Kennt­nis­stand ein frü­he­rer kauf­män­ni­scher Mit­ar­bei­ter der GTO, der zugleich Geschäfts­füh­rer der GTU war, ver­ant­wort­lich ist. Die straf­recht­li­che Auf­klä­rung und Ver­fol­gung die­ser Vor­komm­nis­se hat bereits begon­nen. Die GTO hat die­sen Mit­ar­bei­ter am 4. Juli 2019 frist­los gekündigt.

Chro­no­lo­gie

Der Geschäfts­füh­rer der GTO hat HWK-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Tho­mas Kol­ler in sei­ner Funk­ti­on als Mit­glied des GTO-Auf­sichts­rats am Frei­tag, 21. Juni 2019 infor­miert, dass bei einer Betriebs­prü­fung der GTO durch das Finanz­amt Bay­reuth für die Jah­re 2013, 2014 und 2015 Unre­gel­mä­ßig­kei­ten bei den Umsatz­steu­er­vor­anmel­dun­gen fest­ge­stellt wor­den sind. Dabei ging es um zu nied­rig ange­ge­be­ne Umsät­ze in den Vor­steu­er­an­mel­dun­gen und den Umsatzsteuerjahreserklärungen.

Auf­sichts­rats­mit­glied Tho­mas Kol­ler hat umge­hend die wei­te­ren Mit­glie­der des Auf­sichts­rats infor­miert. Der Auf­sichts­rat der GTO bestand damals aus Horst Eggers als geschäfts­füh­ren­der Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der sowie aus HWK-Prä­si­dent Tho­mas Zim­mer und Tho­mas Kol­ler. Nach ersten inter­nen Recher­chen wur­de sodann am 4. Juli 2019 die frist­lo­se Kün­di­gung des Mit­ar­bei­ters ausgesprochen.

Am 8. Juli 2019 hat die Hand­werks­kam­mer einen exter­nen und unab­hän­gi­gen Wirt­schafts­prü­fer beauf­tragt, der als ersten Schritt für die Jah­re 2013 bis 2019 die Jah­res­ab­schlüs­se und die Umsatz­steu­er­vor­anmel­dun­gen der Gewer­be-Treu­hand Ober­fran­ken GmbH geprüft hat. Die Ergeb­nis­se der Prü­fung wur­den dem Finanz­amt Bay­reuth zur Ver­fü­gung gestellt.

Erste Ergeb­nis­se die­ser Über­prü­fung und inter­ne Recher­chen haben erge­ben, dass der lei­ten­de kauf­män­ni­sche Ange­stell­te die ent­spre­chen­den Steu­er­erklä­run­gen ohne Mit­wir­kung ande­rer Mit­ar­bei­ter der GTO ange­fer­tigt und beim Finanz­amt Bay­reuth ein­ge­reicht hat. Die­se Vor­gän­ge waren bis zu die­sem Zeit­punkt weder dem Geschäfts­füh­rer der GTO noch den Auf­sichts­rats­mit­glie­dern bekannt.

Horst Eggers hat für die­se, für alle Betei­lig­ten sehr uner­freu­li­chen Vor­gän­ge die poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung über­nom­men und trat im Rah­men einer außer­or­dent­li­chen Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung / Auf­sichts­rats­sit­zung von GTO und GTU am 31. Juli 2019 von sei­nem Amt als Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der bei der Gewer­be-Treu­hand Ober­fran­ken zurück. Zeit­gleich ist er auch aus dem Auf­sichts­rat der GTO ausgeschieden.

Am 26. Sep­tem­ber 2019 stell­te der Wirt­schafts­prü­fer sei­nen Bericht vor. Die­ser wur­de in der Schluss­be­spre­chung der Betriebs­prü­fung vom Finanz­amt akzep­tiert und floss auch in den Abschluss­be­richt der Finanz­be­hör­den ein, der der GTO am 22. Okto­ber 2019 über­mit­telt wur­de. Fest­ge­stellt wur­de, dass sei­tens der GTO kurz­fri­stig eine Umsatz­steu­er­nach­zah­lung für die Jah­re 2013 – Mai 2019 (inklu­si­ve Nach­zah­lungs­zin­sen) in Höhe von 598.409,24 Euro gelei­stet wer­den muss.

Die zusätz­li­chen Ver­bind­lich­kei­ten von GTO/GTU gegen­über Drit­ten (hier vor allem Bank­dar­le­hen), so wur­de ermit­telt, belau­fen sich – ohne Berück­sich­ti­gung der Steu­er­schuld – aktu­ell auf 586.000 Euro (Stich­tag: 30.11.2019).

Bei der Unter­su­chung der Zah­lungs­flüs­se zwi­schen der Hand­werks­kam­mer und der GTO wur­de fest­ge­stellt, dass die Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken in den Jah­ren 2006 bis 2011 mehr­fach Kre­di­te in Höhe von ins­ge­samt 730.000 Euro gewährt hat, ohne dass hier­zu Vor­stand und Voll­ver­samm­lung der Hand­werks­kam­mer infor­miert / betei­ligt wor­den waren. Auch die­ser Vor­gang wird durch den exter­nen Prü­fer unter­sucht. Die Kre­di­te sind bis zum Jahr 2011 weit­ge­hend zurück­ge­zahlt bzw. umge­schul­det wor­den. Für das umge­schul­de­te Dar­le­hen hat die Hand­werks­kam­mer 2010 eine Bürg­schaft übernommen.

Die­ses Dar­le­hen läuft noch bis 31.12.2022 und die offe­ne Dar­le­hens­sum­me beläuft sich zum Stich­tag 30.11.2019 auf 141.260 Euro. Dazu kommt ein wei­te­res offe­nes Dar­le­hen der Hand­werks­kam­mer in Höhe von 56.881 Euro. Bei­de Beträ­ge sind in der o.g. Sum­me der Ver­bind­lich­kei­ten enthalten.

Wei­te­re Unre­gel­mä­ßig­kei­ten und Mani­pu­la­tio­nen – HWK stellt Strafanzeige

Die GTO hat den exter­nen Wirt­schafts­prü­fer am 10. Okto­ber 2019 beauf­tragt, wei­te­re Ermitt­lun­gen durch­zu­füh­ren, um den Scha­den für die GTO und ggf. für die HWK fest­zu­stel­len und zu ermit­teln, ob wei­te­re Untreueh­an­d­lun­gen erfolgt sind. Das erste Teil­ergeb­nis der Unter­schla­gungs­prü­fung lag am 17. Novem­ber 2019 vor.

Im Zuge die­ser und wei­te­rer Unter­su­chun­gen, die bis heu­te noch nicht abge­schlos­sen sind, wur­den neben den Steu­er­kür­zun­gen wei­te­re Mani­pu­la­tio­nen und Untreueh­an­d­lun­gen des frü­he­ren lei­ten­den kauf­män­ni­schen Mit­ar­bei­ters der GTO aufgedeckt.

Bei sei­nen Kre­dit­kar­ten­ab­rech­nun­gen der Jah­re 2013 bis 2019 wur­den Buchun­gen getä­tigt, für die bis­lang kein Zusam­men­hang mit der Geschäfts­tä­tig­keit der GTO/GTU erkenn­bar ist. Dabei wur­den Aus­zah­lun­gen in Höhe von 145.414 Euro fest­ge­stellt.  Zudem erge­ben sich vor­aus­sicht­lich wei­te­re Untreueh­an­d­lun­gen des frü­he­ren GTO-Mit­ar­bei­ters im Zuge von mani­pu­lier­ten Sam­mel­über­wei­sun­gen. Die­se wur­den erst vor weni­gen Tagen durch eige­ne inter­ne Prü­fun­gen fest­ge­stellt. Der damit ver­bun­de­ne Scha­den ist bis­lang noch nicht final ermit­telt. Fun­dier­te Bele­ge für die Jah­re 2009 – Juni 2019 lie­gen seit dem 10. Dezem­ber 2019 vor. Danach muss für den Zeit­raum 2009 bis Mit­te 2019 mit wei­te­ren Ver­un­treu­un­gen in Höhe von 1,95 Mio. Euro gerech­net werden.

Eben­falls am 10. Okto­ber 2019 hat die Hand­werks­kam­mer eine Anwalts­kanz­lei mit der Unter­su­chung und recht­li­chen Prü­fung etwa­igen Fehl­ver­hal­tens und hier­aus resul­tie­ren­der Scha­dens­er­satz­an­sprü­che der GTO beauf­tragt. Die erste Stel­lung­nah­me dazu ist am 22. Novem­ber 2019 ein­ge­gan­gen. Vor dem Hin­ter­grund der Ergeb­nis­se die­ser Prü­fung hat die Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken am 26. Novem­ber 2019 gegen den frist­los ent­las­se­nen kauf­män­ni­schen Mit­ar­bei­ter der Gewer­be-Treu­hand Ober­fran­ken (GTO) und frü­he­ren Geschäfts­füh­rer der GTU und gege­be­nen­falls wei­te­re Per­so­nen Straf­an­zei­ge wegen Untreue erstattet.

Des Wei­te­ren wur­den am 5. Dezem­ber 2019 durch die beauf­trag­ten Anwäl­te veri­fi­zier­te Scha­dens­er­satz­an­sprü­che in Höhe von 522.164,52 Euro gegen den ehe­ma­li­gen GTO-Mit­ar­bei­ter gericht­lich gel­tend gemacht.

Die Prü­fung, ob ggf. wei­te­re Per­so­nen für den ent­stan­de­nen Scha­den haft­bar gemacht wer­den müs­sen, so etwa die Geschäfts­füh­rung der GTO sowie frü­he­re und heu­ti­ge Mit­glie­der des Auf­sichts­rats ist noch nicht abge­schlos­sen. Dies gilt auch für die ggf. bestehen­de Deckung durch die von der Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken für ihre Organ­mit­glie­der geschlos­se­ne Versicherung.

Zur Zukunft der GTO: Voll­ver­samm­lung entscheidet

Neben der Ermitt­lung des ent­stan­de­nen Scha­dens küm­mert sich die Hand­werks­kam­mer der­zeit um die betrieb­li­chen Kon­se­quen­zen der Ver­un­treu­ung für die GTO und GTU.Der Vor­stand der Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken hat sich am 2. Dezem­ber 2019 in einer Son­der­sit­zung, zu der auch die ober­frän­ki­schen Kreis­hand­werks­mei­ster ein­ge­la­den waren, mit der Situa­ti­on und der Zukunft der GTO befasst.

Hin­sicht­lich der Zukunft der GTO bestehen drei Hand­lungs­op­tio­nen: 1. Wei­ter­füh­rung mit einer zusätz­li­chen Gesell­schaf­te­rin (Betei­li­gung einer Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft) 2. Wei­ter­füh­rung mit einer zusätz­li­chen Gesell­schaf­te­rin, ver­bun­den mit der Opti­on zur voll­stän­di­gen Über­nah­me (d.h. HWK wäre lang­fri­stig nicht mehr an der GTO betei­ligt) 3. Insol­venz von GTO/GTU

Die Hand­werks­kam­mer kann, nach­dem der bis­he­ri­ge allei­ni­ge Geschäfts­füh­rer der GTO aus Alters­grün­den aus­schei­den wird, die Fort­set­zung der GTO, nicht zuletzt auf­grund der Vor­ga­ben des Steu­er­be­ra­tungs­ge­set­zes, nicht allei­ne bewerk­stel­li­gen. Mit der Betei­li­gung einer Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft wür­de zum einen die fach­li­che Kom­pe­tenz (Berufs­trä­ger sowie Geschäfts­füh­rung) der GTO gesi­chert und zum ande­ren die finan­zi­el­le Basis der GTO ver­bes­sert. Sie hat daher im Rah­men einer beschränk­ten Aus­schrei­bung sie­ben, in der Regi­on ansäs­si­ge, inha­ber­ge­führ­te Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaf­ten gebe­ten, für eine Betei­li­gung an der GTO Ange­bo­te abzugeben.

Aus den ein­ge­gan­ge­nen Bewer­bun­gen wur­den drei, an einer Betei­li­gung inter­es­sier­te Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaf­ten aus­ge­wählt und zur Vor­stel­lung ihrer Betei­li­gungs­kon­zep­te zur Son­der­sit­zung von Vor­stand und Kreis­hand­werks­mei­stern am 2. Dezem­ber 2019 eingeladen.

In den Gesprä­chen mit den Kanz­lei­en wur­de deut­lich, dass eine Sanie­rung und Fort­füh­rung der GTO grund­sätz­lich mög­lich und nach heu­ti­gem Stand auch wirt­schaft­lich sinn­voll ist. Die Hand­werks­kam­mer hat sich daher ent­schlos­sen, mit einer die­ser ober­frän­ki­schen Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaf­ten in nähe­re Ver­hand­lun­gen über eine Betei­li­gung zu treten.

Vor­aus­set­zung für eine Fort­füh­rung der GTO mit Betei­li­gung einer exter­nen Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft ist aller­dings die Gewäh­rung einer Bürg­schaft oder eines Über­brückungs­dar­le­hens durch die HWK für die Dau­er von bis zu zwei Jah­ren in Höhe von bis zu 600.000 Euro. Das Dar­le­hen wür­de aus der all­ge­mei­nen Rück­la­ge der Hand­werks­kam­mer entnommen.

Alle Hand­lungs­op­tio­nen ber­gen Chan­cen und Risi­ken bzw. haben Vor- und Nachteile.

Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on

Die GTO/GTU hat fünf Nie­der­las­sun­gen in Bay­reuth, Kulm­bach, Hof, Selb und Plau­en mit ins­ge­samt ca. 500 Man­dan­ten. Der weit über­wie­gen­de Teil der Man­dan­ten (368) ent­fällt auf Hand­werks­be­trie­be unse­rer Regi­on (ent­spricht 73% der Man­dan­ten, 84% des Umsatz­vo­lu­mens). Ins­ge­samt sind 26 Mit­ar­bei­ter (ent­spricht 18 Voll­zeit- Beschäf­tig­ten) bei der GTO/GTU beschäf­tigt. Das Stamm­ka­pi­tal der GTO beläuft sich auf 792.000 Euro, davon hält die HWK 766.000 Euro. Der Jah­res­um­satz der GTO im Jahr 2018 belief sich auf 1.027.656 Euro. Das Stamm­ka­pi­tal der GTU beläuft sich auf 25.000 Euro und wird von der GTO gehal­ten. Der Jah­res­um­satz der GTU im Jahr 2018 belief sich auf 545.630 Euro.