Poli­tik­wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bam­berg erfor­schen gesell­schaft­li­ches Kli­ma in Deutschland

Symbolbild Bildung

Gra­ben­kämp­fe der Par­tei­en spal­ten die Gesellschaft

Wie neh­men sich ver­schie­de­ne gesell­schaft­li­che Grup­pen gegen­sei­tig wahr? Und was bedeu­tet das für den Zusam­men­halt in der Gesell­schaft? Die­se Fra­gen unter­such­ten die Bam­ber­ger Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Prof. Dr. Marc Helb­ling und Seba­sti­an Jung­kunz in einer aktu­el­len Stu­die, für die sie 1229 Per­so­nen in Deutsch­land reprä­sen­ta­tiv befrag­ten. Die For­scher fan­den her­aus, dass die stär­ker wer­den­de Pola­ri­sie­rung der Par­tei­en das gesell­schaft­li­che Kli­ma in Deutsch­land nega­tiv beein­flusst. Eine beson­de­re Rol­le spielt dabei die AfD.

„Die Pola­ri­sie­rung in der Par­tei­en­land­schaft nimmt zu und wird von der AfD maß­geb­lich vor­an­ge­trie­ben“, sagt Marc Helb­ling, Inha­ber des Lehr­stuhls für Poli­tik­wis­sen­schaft, ins­bes. Poli­ti­sche Sozio­lo­gie. Die AfD habe Poten­zia­le akti­viert, die vor­her schon vor­han­den, aber noch in der CDU ein­ge­bun­den waren. Seba­sti­an Jung­kunz erklärt: „Durch die zuneh­men­de Radi­ka­li­sie­rung der AfD und ihre inten­si­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on über die sozia­len Medi­en ist auch die gesell­schaft­li­che Debat­te immer stär­ker pola­ri­siert worden.“

Ableh­nung ist asymmetrisch

Dass die unter­schied­li­chen Par­tei­en sich gegen­sei­tig ableh­nen, ist kein Geheim­nis. Marc Helb­ling und Seba­sti­an Jung­kunz unter­such­ten nun erst­mals, in wie­weit sich das auch im gesell­schaft­li­chen Mit­ein­an­der zeigt. Dafür erstell­ten sie eine Vignet­ten-Stu­die: Bei einer Kurz­be­schrei­bung einer Per­son ver­än­der­ten sie jeweils ein­zel­ne Per­so­nen­merk­ma­le des Prot­ago­ni­sten wie Her­kunfts­land oder Wahl­ver­hal­ten und gaben die Ver­sio­nen der Beschrei­bung ver­schie­de­nen Grup­pen von Befrag­ten. Auf die­se Kurz­be­schrei­bung bezo­gen sich Aus­sa­gen, wel­che die Teil­neh­men­den im Fra­ge­bo­gen anschlie­ßend ein­ord­nen sollten.

Helb­ling und Jung­kunz fan­den her­aus: Die befrag­ten Bür­ge­rin­nen und Bür­ger neh­men die Mei­nun­gen der Par­tei­en auf und tra­gen sie wei­ter. Dabei ver­in­ner­li­chen sie nicht nur Inhal­te, son­dern auch die ableh­nen­de Hal­tung gegen­über ande­ren Par­tei­en. Allein die Tat­sa­che, dass jemand einer ande­ren Par­tei ange­hört, führt dazu, dass man die­ser Per­son deut­lich weni­ger Sym­pa­thie ent­ge­gen­bringt. In einem zwei­ten Schritt ver­gli­chen die Wis­sen­schaft­ler die Anhän­ger der Mit­te-Par­tei­en SPD und CDU mit denen der AfD. Die­se bei­den Lager lehn­ten sich gegen­sei­tig beson­ders stark ab. Dabei stell­ten die For­scher fest, dass die Ableh­nung asym­me­trisch ist: Die Anhän­ge­rin­nen und Anhän­ger der gemä­ßig­ten Par­tei­en leh­nen Per­so­nen, die der AfD nahe­ste­hen, deut­lich stär­ker ab als umgekehrt.

„Die Ursa­che der Pola­ri­sie­rung ist nicht, dass Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler sich mit ihrer Par­tei und deren Zie­len immer stär­ker ver­bun­den füh­len“, erklärt Jung­kunz. Die poli­ti­sche Zuord­nung funk­tio­nie­re mitt­ler­wei­le ver­stärkt dar­über, wem man nicht nahe­steht und von wem man sich distan­zie­ren möch­te. „Sich von der AfD zu distan­zie­ren ist für die Mit­te-Par­tei­en ein Muss. Das konn­te man bei der letz­ten Bun­des­tags­wahl 2017 gut beob­ach­ten.“ Je stär­ker die gegen­sei­ti­ge Ableh­nung, desto eher gehe der sozia­le Zusam­men­halt in einer Gesell­schaft ver­lo­ren und auch die Kon­sens­bil­dung im poli­ti­schen Pro­zess lei­de unter Umständen.

FPÖ ver­gleichs­wei­se etabliert

Die For­scher haben eben­falls 1094 Öster­rei­che­rin­nen und Öster­rei­cher befragt. Im Nach­bar­land ist der gesell­schaft­li­che Gra­ben nicht ganz so tief. Die rechts­po­pu­li­sti­sche FPÖ exi­stiert schon län­ger und ist dort eta­blier­ter. Um die Spal­tun­gen in einer Gesell­schaft zu über­win­den, gibt es kei­ne ein­fa­chen Lösun­gen. „Letzt­lich muss die Poli­tik die Fol­gen der Glo­ba­li­sie­rung abschwä­chen“, sagt Jung­kunz. „Sie muss durch über­zeu­gen­des Han­deln eine Mög­lich­keit zur posi­ti­ven Iden­ti­fi­ka­ti­on bie­ten, die sozia­le Ungleich­heit in unse­rer Gesell­schaft bekämp­fen und so der Pola­ri­sie­rung ihre Grund­la­ge entziehen.“

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zur voll­stän­di­gen Stu­die unter: https://​www​.tand​fon​line​.com/​d​o​i​/​f​u​l​l​/​1​0​.​1​0​8​0​/​0​1​4​0​2​3​8​2​.​2​0​1​9​.​1​6​7​4​578