„Gerich­te mit Geschich­te“: Spei­chers­dor­fer Neu­bür­ger ver­öf­fent­li­chen Kochbuch

„Inte­gra­ti­on ist kein abge­schlos­se­ner Pro­zess. Es braucht tag­täg­lich immer wie­der neue Anstren­gun­gen und einen lan­gen Atem“, so Dolo­res Lon­ga­res Bäum­ler. Einen wei­te­ren wich­ti­gen Bei­trag zur Inte­gra­ti­ons­ar­beit lei­stet das jüngst prä­sen­tier­te Buch des Sozi­al­raum­teams „Gerich­te mit Geschich­te“, das Koch­ge­schich­ten über Men­schen mit aus­län­di­schen Wur­zeln in Spei­chers­dorf erzählt.

Aintha Longchin, Roland Scheurer, Beatrix Riedl, Waltraud Prischenk, Eugenia Brehm, Pfarrer Sven Grillmeier, Ava Lex, Bozena Schiepert, Ulrike Sommerer, Dolores Longares-Bäumler, Christian Porsch, Ioana Motoc, Eckard Bodner, Samar Al Saman, Bürgermeister Manfred Porsch, Fazli Yilmaz.

Ain­tha Longchin, Roland Scheu­rer, Bea­trix Riedl, Wal­traud Pri­schenk, Euge­nia Brehm, Pfar­rer Sven Grill­mei­er, Ava Lex, Boze­na Schie­pert, Ulri­ke Som­me­rer, Dolo­res Lon­ga­res-Bäum­ler, Chri­sti­an Porsch, Ioa­na Motoc, Eckard Bod­ner, Samar Al Saman, Bür­ger­mei­ster Man­fred Porsch, Faz­li Yil­maz. Foto: Wolf­gang Hübner

„Wer zusam­men am Tisch sitzt, ist kein Frem­der mehr“, heißt es im Vor­wort des Büch­leins, das im Zuge des Pro­jekts Demo­kra­tie leben ent­stand. Es wur­de von Ulri­ke Som­me­rer, Dolo­res Lon­ga­res-Bäum­ler und Chri­sti­an Porsch her­aus­ge­ge­ben. Sie hat­ten auch ins katho­li­sche Pfarr­heim ein­ge­la­den, um es der Öffent­lich­keit vor­zu­stel­len. Hin­ter­grund ist, dass es in der 5700 Ein­woh­ner zäh­len­den Groß­ge­mein­de im Land­kreis Bay­reuth knapp 30 Natio­nen leben. Bereits nach dem Zwei­ten Welt­krieg waren Flücht­lin­ge und Ver­trie­be­ne nach Kir­chen­lai­bach und Spei­chers­dorf gekom­men. In den 60er Jah­ren kamen Gast­ar­bei­ter aus der Tür­kei hin­zu. In den 90er Jah­ren Spät­aus­sied­ler aus der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on. Unter den vie­len Natio­na­li­tä­ten fin­den sich auch US-Ame­ri­ka­ner, die im Dienst des US-Mili­tärs auf dem Trup­pen­übungs­platz in Gra­fen­wöhr ste­hen, fin­den immer wie­der vor­über­ge­hend eine neue Hei­mat in Spei­chers­dorf. Vor allem für den seit den 90er Jah­ren erfolg­rei­chen Inte­gra­ti­ons­pro­zess brauch­te es, auch auf­grund immer wie­der dra­ma­ti­scher Rück­schlä­ge, teils einen lan­gen Atem. Wesent­li­chen Anteil hat­te der Cari­tas­ver­band, der seit 1993 vor Ort war und haupt­amt­lich die Inte­gra­ti­ons­ar­beit über­nom­men hat­te. „Inte­gra­ti­ons­ar­beit ist ein wech­sel­sei­ti­ger Pro­zess und bedarf vie­ler Unter­stüt­zer“, so Inte­gra­ti­ons­be­auf­trag­te Dolo­res Lon­ga­res Bäum­ler. Vie­le Ehren­amt­li­che und vie­le Ver­ei­ne haben zu einer gelun­ge­nen Inte­gra­ti­on bei­tra­gen. So wur­de 2003 das mitt­ler­wei­le sechs­mal orga­ni­siert Feste der Kul­tu­ren und der Jugend­treff ins Leben gerufen.

Einen wich­ti­gen Bei­trag unter allen Inte­gra­ti­ons­be­mü­hun­gen, um vor allem aus den kri­sen­ge­schüt­tel­ten 90er Jah­ren ein Mit­ein­an­der wer­den zu las­sen, lei­ste­te die von Lon­ga­res Bäum­ler im Janu­ar 2011 gegrün­de­te inter­kul­tu­rel­le Koch­grup­pe. Inter­es­sier­te Frau­en aus ver­schie­de­nen Län­dern wie Rumä­ni­en, Chi­na, Ame­ri­ka, Hon­du­ras, Russ­land, Kasach­stan, Marok­ko, Spa­ni­en, Polen und Tür­kei woll­ten Rezep­te kochen, die aus ande­ren Län­dern kom­men. Posi­ti­ver Neben­ef­fekt: Gemein­sa­mes Kochen bringt Men­schen zusam­men und beim Kochen lern­te man sich unter­ein­an­der und gleich­zei­tig das Land des ande­ren mit all sei­nen Tra­di­tio­nen und Ess­kul­tu­ren ken­nen. „Wir haben schon 62-mal mit­ein­an­der gekocht, und mitt­ler­wei­le sind tie­fe Freund­schaf­ten ent­stan­den“, berich­te­te sie. Gegen­sei­ti­ge Hil­fe und Unter­stüt­zung, wenn man sich braucht, sei­en selbst­ver­ständ­lich gewor­den. Unter­stützt wur­den auch ver­schie­de­ne Fei­er­lich­kei­ten und Feste.

Eine Errun­gen­schaft der Koch­grup­pe war ein erstes „Koch­buch der Kul­tu­ren“, eine Rezep­te­samm­lung in gebun­de­ner Form. Danach folg­te im Jahr 2015 das Buch „Ange­kom­men“ über die Spei­chers­dor­fer Fami­li­en mit aus­län­di­schen Wur­zeln. Auch das jetzt erschie­ne­ne, knapp fünf­zig Sei­ten umfas­sen­de Büch­lein „Gerich­te mit Geschich­te“ will bei­tra­gen, etwas über ande­re Län­der und Kul­tu­ren zu erfah­ren. Dazu will das Koch­buch „Gerich­te mit Geschich­te“ anre­gen. Es erzählt Koch­ge­schich­ten über neun Men­schen mit aus­län­di­schen Wur­zeln in Spei­chers­dorf. Ulri­ke Som­me­rer hat aus­ge­wähl­te Lieb­lings­ge­rich­te von neun Spei­chers­dor­fern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund als Auf­hän­ger genom­men und dazu auch die Geschich­ten der Men­schen hin­ter den Rezep­ten auf­ge­schrie­ben. So fin­den sich in dem Buch völ­lig ver­schie­de­ne Lebens­läu­fe und Schick­sa­le skiz­ziert. Gewürzt am Ende mit Rezep­ten aus deren Hei­mat, mit denen sich vie­le Erin­ne­run­gen ver­bin­den, wie etwa an die­sem Abend das Inter­view mit Ava Lex aus Hon­du­ras zeig­te. Die Idee zu dem inter­kul­tu­rel­len Koch­buch ist bereits kurz nach Weih­nach­ten 2017 ent­stan­den, wie Chri­sti­an Porsch bei der Buch­prä­sen­ta­ti­on im katho­li­schen Pfarr­heim erzähl­te. Die Umset­zung dau­er­te fast zwei Jah­re. Er dank­te allen Por­trä­tier­ten für die Bereit­schaft, Ein­blicke in ihre Küchen und ihr Leben gewährt zu haben.

Mit dabei ist auch die in Spei­chers­dorf leben­de gebür­ti­ge Kenia­ne­rin Anna Leh­ner mit dem Mais­ge­richt Uga­li, Ioa­na Motoc (Rumä­ni­en) mit dem Mais­mehl­ge­richt mit geräu­cher­ten Wür­sten und Käse und Ali Sema­ry (Ägyp­ten) mit einem pikan­te Pfann­ku­chen die mit Rin­der­hack, Zwie­beln, Papri­ka, Toma­ten und gerie­be­nem Käse ser­viert wer­den. Ein Auber­gi­nen­pü­ree steu­er­te die Fami­lie Sha­Ra­bi, Thai-Cur­ry mit Hähn­chen Roland Scheu­rer und Ain­tha Lon­ge­hin (Thai­land), das Tila­pia (Fisch-Filet) Ava Lex (Hon­du­ras) bei. Unter den zwölf por­trä­tier­ten Spei­chers­dor­fern sind auch Bür­ger­mei­ster Man­fred Porsch (Karp­fen­fi­lets), Pfar­rer Sven Grill­mei­er („Erd­äp­fel ganz und haaß“) und die Schwe­stern Wal­traud Pri­schenk und Bea­trix Rie­del (Salat­va­ria­tio­nen aus Oma´s Zei­ten). Ein Rezept für Hähn­chen nach syri­scher Art fin­det sich von Fami­lie Sha­Ra­bi und für Reis mit Hühn­chen von Ksi­ri Saliha.

„Für mich ist Inte­gra­ti­on gelun­gen, wenn man dar­über gar nicht mehr reden muss, son­dern wenn Men­schen respekt­voll und ohne jeg­li­ches Vor­ur­teil neben­ein­an­der ohne Gewalt und Kon­flik­te leben kön­nen“, so Lon­ga­res Bäum­ler zum Abschluss. In Spei­chers­dorf kön­ne man ganz klar sagen, die Inte­gra­ti­on sei gelun­gen. „Wenn man die Welt ken­nen­ler­nen will, muss man nach Spei­chers­dorf kom­men!“ Sicher gebe es immer wie­der mal den ein oder ande­ren Streit oder sogar auch Straf­tat. Aber das habe nichts unbe­dingt mit den unter­schied­li­chen Her­kunfts­län­dern zu tun, mein­te sie. Das fin­de sich auch unter Nach­barn, die deutsch sind und hier seit Kind­heit leben und auf­ge­wach­sen seien.

Info: „Gerich­te mit Geschich­te“, her­aus­ge­ge­ben von Ulri­ke Som­me­rer, Dolo­res Lon­ga­res-Bäum­ler und Chri­sti­an Porsch. Erhält­lich für zehn Euro im Spei­chers­dor­fer Rat­haus und beim Ver­lag Eck­hard Bod­ner (Pres­sath). ISBN: 978–3‑939247–62‑3.