Leser­brief: Logo für die Image­kam­pa­gne „Fahr­rad­stadt Bamberg“

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Die Stadt Bam­berg sucht ein Logo für ihre Image­kam­pa­gne als selbst­er­nann­te „Fahr­rad­stadt“. Anders, als in der kom­mer­zi­el­len Wer­bung oder im Wahl­kampf der Par­tei­en üblich, soll­te die­ses Logo tat­säch­li­che, real exi­stie­ren­de Inhal­te über­mit­teln und nicht lee­re Ver­spre­chen in die Welt set­zen. Die Aus­sa­ge des Logos muß also mit sol­cher Sub­stanz unter­füt­tert sein, die dem Han­deln der ver­ant­wort­li­chen Gestal­ter ent­springt und nicht etwa zufäl­lig oder gar ent­ge­gen der beab­sich­tig­ten Ent­wick­lung existiert.

Laut städ­ti­scher Erhe­bung beträgt der Fahr­rad­an­teil am Bam­ber­ger Ver­kehrs­auf­kom­men rund 30% (Stand 2015) und ist in den vor­aus­ge­gan­ge­nen 18 Jah­ren um die Hälf­te ange­stie­gen (1997: 20%). Den­noch, das mag auf den ersten Blick ver­wun­dern, kann es nur ein Sinn beinhal­ten­des Logo für die Bam­ber­ger Kam­pa­gne geben: Ver­kehrs­zei­chen 254.

Die Grün­de für die­se Ent­schei­dung sind unschwer zu erkennen:

  • Der Anstieg des Rad­ver­kehrs resul­tiert zu mehr als zwei Drit­teln aus dem Rück­gang des Zu-Fuß-Gehens (von 24%% auf 20%) und der Nut­zung öffent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel (von 13% auf 10%). Es fin­det also ledig­lich eine Umschich­tung inner­halb des Umwelt­ver­bunds statt, die sich leicht aus den durch die kom­mu­na­le Ver­kehrs­po­li­tik ver­ur­sach­ten schlech­ten Rah­men­be­din­gun­gen erklärt.
  • Der gerin­ge Rück­gang des moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehrs (von 43% auf 40%) geht nicht mit einem Weni­ger an Auto­fahr­ten ein­her. Viel­mehr rea­li­siert sich der Anstieg des Ver­kehrs­auf­kom­mens über­pro­por­tio­nal beim Fahr­rad, weil ein­fach nicht mehr Kraft­fahr­zeu­ge auf die städ­ti­schen Stra­ßen pas­sen. Die Bela­stung der Anwoh­ner und Pas­san­ten mit Lärm und Abga­sen ist uner­träg­lich hoch geblieben.
  • Der hohe Fahr­rad­an­teil erklärt sich nicht aus fahr­rad­ge­rech­ter Poli­tik oder guter Infra­struk­tur – kei­ne Anla­ge für den flie­ßen­den Rad­ver­kehr erfüllt auch nur annä­hernd die recht­li­chen und bau­li­chen Anfor­de­run­gen, wel­che in den ein­schlä­gi­gen Regel­wer­ken vor­ge­ge­ben sind. Ursäch­lich sind neben den bereits erwähn­ten Grün­den die gerin­ge Aus­deh­nung der Stadt sowie der hohe Anteil Stu­die­ren­der. Nicht umsonst pen­delt sich das Ergeb­nis des ADFC-Fahr­rad­kli­ma­tests in den letz­ten Jah­ren mit fal­len­der Ten­denz bei Note 3,9 („aus­rei­chend“ bei ste­tig stei­gen­der Teil­neh­mer­zahl) ein – „Fahr­rad­stadt“ geht anders.
  • Falsch­par­ken auf Rad- und Geh­we­gen (letz­te­re müs­sen von radeln­den Kin­dern und dür­fen von deren Begleit­per­so­nen befah­ren wer­den) wird in Bam­berg groß­zü­gig gedul­det. Über­dies ist Geh­weg­par­ken in wei­ten Berei­chen der Stadt auch bei deut­li­cher Unter­schrei­tung des freí­zu­hal­ten­den Quer­schnitts angeordnet.
  • Die Ver­net­zung des Fahr­rads im Umwelt­ver­bund stößt auf offe­ne Ableh­nung. Obgleich der Ver­kehrs­ver­bund die Rad­mit­nah­me seit Jah­ren erlaubt, sehen die Ver­kehrs­be­trie­be der Stadt­wer­ke kei­ne Ver­an­las­sung, ihre Bus­flot­te ent­spre­chend aus­zu­stat­ten. Es kommt vor, daß die Mit­nah­me in nahe­zu lee­ren Bus­sen ver­wei­gert wird.
  • Bike & Ride ist eben­falls kein The­ma für die Ver­ant­wort­li­chen. Die Stadt­wer­ke sehen nach eige­nem Bekun­den kei­nen Bedarf, Fahr­rad­stell­plät­ze an Hal­te­stel­len vor­zu­hal­ten. Die­se aber könn­ten vie­le Umweg­fahr­ten, wel­che das weit­ge­hend radi­al aus­ge­rich­te­te Lini­en­netz mit sich bringt, ver­mei­den sowie die nicht weni­gen zeit­li­chen und räum­li­chen Erschlie­ßungs­lücken über­brücken helfen.
  • Zwar ver­ab­schie­de­te der Stadt­rat im Jah­re 2012 sei­ne Rad­ver­kehrs­stra­te­gie. Doch, abge­se­hen von deren dürf­ti­gen Inhal­ten, ver­wei­ger­te er in der Fol­ge­zeit jeg­li­che Ent­schei­dung, die das Rad­fah­ren in Bam­berg siche­rer und kom­for­ta­bler hät­te gestal­ten kön­nen. Statt des­sen wur­den – neben der Bei­be­hal­tung frag­wür­di­ger, teils die Sicher­heit gröb­lichst gefähr­den­der Rad­weg­be­nut­zungs­pflich­ten – an meh­re­ren Stel­len Rad­fahr­strei­fen (benut­zungs­pflich­tig) und soge­nann­te „Schutz­strei­fen“ (nicht benut­zungs­pflich­tig, was aber kaum einem Kraft­fah­rer bekannt ist, so daß es immer wie­der zu aggres­si­vem Ver­hal­ten gegen­über ver­meint­lich regel­wid­rig die Kern­fahr­bahn benut­zen­den Rad­fah­rern kommt) mar­kiert. Die­se füh­ren dank ihrer (meist zu) gerin­gen Dimen­sio­nie­rung und des Feh­lens aus­rei­chen­der seit­li­cher Sicher­heits­räu­me häu­fig zu gefähr­li­chen Situa­tio­nen: Die Rad­ler wer­den an den Rand gedrängt, ris­kie­ren, in acht­los auf­ge­ris­se­ne Auto­tü­ren zu fah­ren, und wer­den viel­fach nahe­zu haut­eng über­holt. Denn kein Auto­fah­rer akzep­tiert die Rechts­la­ge, nicht über­ho­len zu dür­fen, wenn er zwar kei­nen aus­rei­chen­den Sei­ten­ab­stand ein­hal­ten kann, sei­ne mar­kier­te Fahr­spur aber frei ist.
  • Die neu gefaß­te Stell­platz­sat­zung der Stadt Bam­berg sieht für das Fahr­rad nur das Aller­not­wen­dig­ste vor – das Mini­mum, wel­ches die Sat­zung noch geneh­mi­gungs­fä­hig erschei­nen läßt. Von einem Impuls zu Gun­sten des Ver­kehrs­mit­tels Fahr­rad kann kei­ne Rede sein – und jeg­li­che Anfor­de­run­gen bezüg­lich beson­de­rer Bau­for­men (Hän­ger­ge­span­ne, Lasten- und Lie­ge­rä­der, mehr­spu­ri­ge Fahr­zeu­ge u. a.) feh­len vollständig.
  • Als der Stadt­rat trotz eini­ger frag­wür­di­ger Inhal­te (gefähr­li­che Rad­ver­kehrs­füh­rung in Kreu­zungs­be­rei­chen; bau­lich getrenn­te Rad­fahr­strei­fen, die das Unfall­ri­si­ko an Kreu­zun­gen, Ein­mün­dun­gen und Zufahr­ten spür­bar erhö­hen – selbst in der Vor­zei­ge­stadt Kopen­ha­gen ist hier­zu, unge­ach­tet ungleich bes­se­rer Rah­men­be­din­gun­gen, kei­ne Lösung abseh­bar) die mei­sten For­de­run­gen des Radent­scheids über­nom­men hat­te, lie­ßen bereits Stim­men aus der loka­len Poli­tik erken­nen: Der Rats­be­schluß soll­te ledig­lich den – vor­aus­sicht­lich erfolg­rei­chen – Bür­ger­ent­scheid ver­hin­dern. Mehr­heit­lich hoff­te man, die Initia­ti­ve wer­de im Lau­fe der Zeit durch Zer­mür­bung aufgerieben.
  • Jüng­sten Medi­en­be­rich­ten zu Fol­ge wer­den inzwi­schen For­de­run­gen, auch aus der Kom­mu­nal­po­li­tik, laut, die – nicht ein­mal ernst­haft begon­ne­ne – Fahr­rad­för­de­rung rasch zurück­zu­fah­ren. Wäh­rend der fuß­läu­fi­ge Ver­kehr hier­bei kaum Erwäh­nung fin­det, der Lini­en­bus, seit Jahr­zehn­ten klein gehal­ten, zumin­dest genannt wird, steht in erster Linie die geäu­ßer­te Befürch­tung, Auto­fah­rer könn­ten zu sehr behin­dert oder gar Restrik­tio­nen aus­ge­setzt wer­den. Wohl­ge­merkt: „Mehr Autos“ geht ange­sichts der begrenz­ten Flä­che nicht, an ein Weni­ger ist noch nie­mand her­an­ge­gan­gen. Doch die Lob­by gibt ver­nehm­bar Laut.
  • Das Ver­kehrs­zei­chen 254 („Ver­bot für Rad­ver­kehr“) ist in den letz­ten Jah­ren ver­mehrt im Stadt­ge­biet auf­ge­taucht, mit­nich­ten nur an Bau­stel­len. So ver­bie­tet es die Fahr­bahn des Regens­bur­ger Rings in Rich­tung Gau­stadt auch den Rad­lern, die den links­sei­tig gele­ge­nen Zwei­rich­tungs­rad­weg nicht benut­zen müs­sen oder kön­nen. Die­ser weist nicht die zwin­gend durch­gän­gig ein­zu­hal­ten­de, an „nor­ma­len“ Fahr­rä­dern aus­ge­rich­te­te Min­dest­brei­te von 2 m auf (der ver­blei­ben­de Geh­weg unter­schrei­tet über wei­te Strecken sogar einen Meter Quer­schnitt – benut­zungs­pflich­ti­ge Rad­we­ge dür­fen nur ange­ord­net wer­den, wenn 2,50 m ver­blei­ben). Somit sind bei­spiels­wei­se mehr­spu­ri­ge Fahr­rä­der und Anhän­ger­ge­span­ne von der Benut­zungs­pflicht aus­ge­nom­men. Aber auch Lie­ge- und Lasten­rä­der sowie Tan­dems haben mit den engen Kur­ven­ra­di­en an der ohne­hin hoch­ge­fähr­lich gestal­te­ten Ein­mün­dung des Wei­den­damms ihre Pro­ble­me. Zudem kann der Rad­weg an sei­nem Ende (Schwein­fur­ter Stra­ße) wegen des 15 cm hohen Bord­steins nicht ver­las­sen werden.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig