Offe­ner Brief bzgl. „ein­sei­tig nur auf die Rad­fah­rer“? – inFran​ken​.de vom 24. April 2019

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Sehr geehr­te Frau Rudel!

Anläß­lich Ihrer Wahl zur Vor­sit­zen­den Ihres Orts­ver­ban­des bekräf­tig­ten Sie „die For­de­rung der CSU-Stadt­rats­frak­ti­on nach kosten­frei­em Bus­fah­ren am Sams­tag“. Zur Begrün­dung lie­ßen Sie ver­lau­ten: „Wir wol­len uns nicht ein­sei­tig nur auf die Rad­fah­rer kon­zen­trie­ren … wün­schen uns Mobi­li­tät für alle, und des­halb hat die För­de­rung des ÖPNV für uns eine hohe Bedeutung!“

Ich las­se ein­mal dahin­ge­stellt, ob kosten­lo­ses Bus­fah­ren am Sams­tag dem öffent­li­chen Nah­ver­kehr tat­säch­lich Schub ver­lei­hen und die viel­fäl­ti­gen Bela­stun­gen und Schä­den an Gesund­heit, Umwelt und Kul­tur­gü­tern, die der über­bor­den­de moto­ri­sier­te Ver­kehr ver­ur­sacht, spür­bar ver­rin­gern könnte.

Wäh­rend die Fahr­gast­zah­len bei Bahn und Bus deutsch­land­weit all­jähr­lich neue Rekord­wer­te errei­chen, geht ihr Ver­kehrs­an­teil in Bam­berg seit Jahr­zehn­ten kon­ti­nu­ier­lich zurück. Die Ursa­chen sind lan­ge bekannt und wur­den viel­fach benannt: Räum­li­che und zeit­li­che Ange­bots­lücken sowie regel­mä­ßi­ge ‑kür­zun­gen, ver­meid­ba­re Umstei­ge­zwän­ge, mit­ein­an­der unver­träg­li­che Fahr­plan­tak­te, Ver­wei­ge­rung der Ver­net­zung im Umwelt­ver­bund, unat­trak­ti­ves Netz und vie­les ande­re mehr. Ver­ant­wort­lich ist hier­für nicht zuletzt die kom­mu­na­le Poli­tik, in der Ihre Par­tei und die von ihr gestell­te Rats­frak­ti­on seit jeher eine bedeu­ten­de Rol­le spielen.

Daß gegen gel­ten­des Bun­des­recht in der Regi­on täti­gen Fahr­gast­ver­bän­den (z. B. PRO BAHN, Ver­kehrs­club Deutsch­land) die Mit­wir­kung an Erar­bei­tung und Fort­schrei­bung der Nah­ver­kehrs­plä­ne ver­wei­gert wird, trägt nicht gera­de zu einer kun­den­ori­en­tier­ten Wei­ter­ent­wick­lung bei. Die kosten­lo­se Sams­tags­fahr­kar­te erscheint da nur zu über­deut­lich als Pla­ce­bo, das Akti­vi­tät vor­täu­schen, an den fal­schen Grund­struk­tu­ren mit der wei­ter­hin fort­be­stehen­den Domi­nanz des moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehrs aber nichts ändern soll.

Zwar gibt es zwi­schen den Akti­ven, die sich für eine menschen‑, stadt- und umwelt­ver­träg­li­che Ver­kehrs­po­li­tik in und um Bam­berg ein­set­zen, durch­aus deut­li­che Mei­nungs­un­ter­schie­de. Eines aber eint sie bei aller unter­schied­li­chen Schwer­punkt­set­zung ihres Enga­ge­ments: Sie wol­len kei­nes­falls eine ein­sei­ti­ge För­de­rung eines der von ihnen favo­ri­sier­ten Ver­kehrs­mit­tel. Zu-Fuß-Gehen, Rad­fah­ren, Bahn und Bus, bedarfs­wei­se (!) ergänzt durch indi­vi­du­ele Kraft­fahr­zeu­ge, sol­len das Rück­grat der Mobi­li­tät bil­den – ein­zeln und (!) intel­li­gent mit­ein­an­der ver­netzt. Dies muß durch eine ent­spre­chen­de Sied­lungs­po­li­tik unter­stützt wer­den. Tat­säch­lich gewinnt man – als Bei­spie­le mögen Mega­lith und Jung­kreuth dies illu­strie­ren – den Ein­druck, neue Wohn­ge­bie­te in Bam­berg sol­len gar nicht bequem und attrak­tiv für Rad­fah­rer und Bus­be­nut­zer ange­bun­den sein.

Eine grund­sätz­li­che Neu­ori­en­tie­rung ist drin­gendst ange­ra­ten, kos­me­ti­sche Kor­rek­tu­ren genü­gen mit­nich­ten. „Fri­days for Future“, Radent­scheid (unge­ach­tet der Frag­wür­dig­keit eini­ger sei­ner teils unfall­träch­ti­gen For­de­run­gen: bau­lich getrenn­te Rad­fahr­strei­fen, gefähr­li­che Rad­ver­kehrs­füh­rung in Kreu­zungs­be­rei­chen, …), Bür­ger­ent­scheid MUNA / Haupts­moor­wald und das Volks­be­geh­ren „Ret­tet die Bie­nen“ zei­gen über­deut­lich auf: Die Poli­tik ist hin­sicht­lich des Schut­zes unse­rer natür­li­chen Lebens­grund­la­gen, des Erhalts der Schöp­fung (Sie füh­ren das „C“ im Par­tei­na­men) Licht­jah­re von den Men­schen – und Erfor­der­nis­sen der Zeit – entfernt.

Je län­ger das Unaus­weich­li­che hin­aus­ge­zö­gert wird, desto gra­vie­ren­der wer­den not­wen­di­ge Ein­schnit­te und hier­aus resul­tie­ren­de sozia­le Här­ten zu spü­ren sein. Früh­zei­ti­ges Umsteu­ern ermög­lich­te hin­ge­gen eine sanf­te, abge­fe­der­te Neuausrichtung.

Gruß
Wolf­gang Bönig