Mit Bal­dri­an auf der Suche nach Bay­erns wil­der Katze!

Wildkatze im Gras. Fotograf: Thomas Stephan
Wildkatze im Gras. Fotograf: Thomas Stephan

Hun­der­te Frei­wil­li­ge sind zur­zeit in den Wäl­dern Nord­bay­erns unter­wegs auf der Suche nach Wild­kat­zen – mit Lock­stöcken, Pin­zet­te und geschul­tem Auge.

In 23 Land­krei­sen Nord­bay­erns zwi­schen der Rhön und dem Ober­pfäl­zer Wald suchen der­zeit rund 180 ehren­amt­li­che Naturschützer*Innen des BUND Natur­schutz (BN) mit Unter­stüt­zung durch För­ster und Jäger nach Spu­ren der scheu­en Wild­kat­ze. Acht Wochen lang ver­su­chen sie in der Paa­rungs­zeit der Wild­kat­ze, Wild­kat­zen­haa­re an mit Bal­dri­an besprüh­ten Lock­stöcken zu fin­den und zu sichern. Die Ergeb­nis­se wer­den von allen Betei­lig­ten mit Span­nung erwar­tet, denn vor fünf Jah­ren fand die erste der­ar­ti­ge Wild­kat­zen­er­fas­sung-Akti­on in Nord­bay­ern statt.

Damals wur­den Wild­kat­zen in vie­len Regio­nen, wie dem Fran­ken­wald, Stei­ger­wald oder der Frän­ki­schen Schweiz erst­ma­lig nach­ge­wie­sen. Ob die­se Tie­re nur „auf der Durch­rei­se“ waren oder mitt­ler­wei­le in den Wäl­dern hei­misch gewor­den sind, soll die dies­jäh­ri­ge Unter­su­chung zei­gen. Die gesam­mel­ten Haar­pro­ben wer­den zur gene­ti­schen Ana­ly­se an das Sen­cken­berg-Insti­tut gesen­det. Der „gene­ti­sche Fin­ger­ab­druck“ der gesam­mel­ten Haa­re erlaubt dort nicht nur die Unter­schei­dung von Wild­kat­zen und Haus­kat­zen, son­dern sogar auch die ein­zel­ner Individuen.

Die bis­he­ri­gen Erfah­run­gen zei­gen, dass allein die­ses Jahr ca. 4.000 Stun­den ehren­amt­li­cher For­schungs­ar­beit gelei­stet wer­den. Neben erwach­se­nen Wildkatzenliebhaber*Innen sind auch Kin­der- und Jugend­grup­pen des BN sowie eini­ge Wald­kin­der­gär­ten aktiv. Prof. Dr. Kai Fro­bel, der Arten­schutz­re­fe­rent des BN: „Es han­delt sich hier­bei um die aktu­ell größ­te Mit­mach­ak­ti­on zur Erfas­sung einer sel­te­nen Tier­art in Bay­ern! Vie­le für den erfolg­rei­chen Wild­kat­zen­schutz not­wen­di­gen Erkennt­nis­se kön­nen wir nur durch die­ses gro­ße ehren­amt­li­che Enga­ge­ment erlangen.“

Die Euro­päi­sche Wild­kat­ze ist eine ech­te Urein­woh­ne­rin – sie durch­streif­te unse­re Wäl­der schon lan­ge bevor die Römer die ersten Haus­kat­zen aus Afri­ka mit­brach­ten. In Bay­ern war die Wild­kat­ze um 1940 durch falsch ver­stan­de­ne jagd­li­che Ver­fol­gung aus­ge­rot­tet. 1984 star­te­te der BUND Natur­schutz eine erfolg­rei­che Wie­der­ein­bür­ge­rungs-Akti­on und setz­te bis 2009 vor allem im Spes­sart Hun­der­te von Wild­kat­zen aus. Dort ent­wickel­te sich das erste repro­du­zie­ren­de baye­ri­sche Wild­kat­zen­vor­kom­men. Von den laub­holz­rei­chen Wäl­dern des Spes­sarts, der Rhön und den Haß­ber­gen brei­tet sich die Art seit etwa zehn Jah­ren in Bay­ern über den Jura­bo­gen in Rich­tung Süd­bay­ern aus. Der­zeit wird die baye­ri­sche Popu­la­ti­on auf etwa 600–700 Tie­re geschätzt.

Um an die Haa­re für die Gen­pro­ben zu gelan­gen, kommt die soge­nann­te Lock­stock­me­tho­de zum Ein­satz. Lock­stöcke sind säger­aue Dach­lat­ten­stücke, die im Wald an geeig­ne­ten Stel­len in den Boden geschla­gen wer­den. Sie wer­den mit Bal­dri­an besprüht, des­sen Geruch Kat­zen so fas­zi­niert, dass sie zu den Lock­stöcken kom­men und sich dar­an rei­ben. Die dabei hän­gen­blei­ben­den Haa­re wer­den bei den wöchent­li­chen Kon­trol­len von den Ehren­amt­li­chen ein­ge­sam­melt. Der­zeit sind ca. 750 Lock­stöcke in nord­baye­ri­schen Wäl­dern auf­ge­stellt. Es ist die ein­zi­ge bewähr­te Metho­de, um der nacht­ak­ti­ven und kaum jemals zu sehen­den Wild­kat­ze auf die Schli­che zu kommen.

Die gro­ße Bereit­schaft vie­ler Men­schen, an die­sem Citi­zen-Sci­ence Pro­jekt mit­zu­ma­chen und die damit gewon­ne­nen Daten hal­fen schon vor fünf Jah­ren, den Wild­kat­zen­schutz zu ver­bes­sern: Es wur­den neue Erkennt­nis­se zu bevor­zug­ten Wald­le­bens­räu­men gewon­nen und nach­ge­wie­sen, dass sich Wild­kat­zen wie­der bay­ern­weit aus­brei­ten und all­mäh­lich ihre alten Lebens­räu­me zurück erobern. Nach­ge­wie­sen ist aber auch, dass die Bestän­de in Bay­ern im Ver­gleich zu ande­ren Bun­des­län­dern nach wie vor so nied­rig sind, dass sie wei­ter unter­stützt wer­den müs­sen. Im näch­sten Jahr soll die Unter­su­chung in Süd­bay­ern stattfinden.