Erz­bis­tum Bam­berg zur MHG-Miss­brauchs­stu­die: „Das Mit­ge­fühl gilt allen Opfern“

Symbolbild Religion

41 Hin­wei­se auf Miss­brauchs­tä­ter in 1711 Per­so­nal­ak­ten des Erz­bis­tums Bam­berg entdeckt

Der Bam­ber­ger Gene­ral­vi­kar Georg Kestel ruft nach der Ver­öf­fent­li­chung der MHG-Miss­brauchs­stu­die dazu auf, „scho­nungs­los und offen den Tat­sa­chen ins Auge zu schau­en, den Opfern Gerech­tig­keit wider­fah­ren zu las­sen, die Täter zur Ver­ant­wor­tung zu zie­hen und als Insti­tu­ti­on Kir­che die gebo­te­nen Kon­se­quen­zen zu zie­hen“. Auf einer Pres­se­kon­fe­renz am Diens­tag in Bam­berg zeig­te sich Kestel erschüt­tert über das Aus­maß der sexu­el­len Über­grif­fe und Miss­brauch­sta­ten durch Geist­li­che. „Hier gibt es nichts zu beschö­ni­gen“, beton­te Kestel und füg­te hin­zu: „Das Mit­ge­fühl gilt allen Opfern aus der Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart. Ihr Schick­sal ist für die Kir­che eine drin­gen­de Ver­pflich­tung dazu, alles zu tun, dass sol­ches Leid in Zukunft ver­hin­dert wird.“ Das umfang­rei­che Prä­ven­ti­ons­pro­gramm wer­de des­halb fort­ge­setzt und andau­ernd evaluiert.

Die Miss­brauchs­be­auf­trag­te des Erz­bis­tums, Rechts­an­wäl­tin Eva Hasten­teu­fel-Knörr, erläu­ter­te, dass im Rah­men des For­schungs­pro­jekts für den Bereich des Erz­bis­tums Bam­berg 1711 Per­so­nal­ak­ten aus dem Zeit­raum 1946 bis 2015 unter­sucht wur­den. Hin­wei­se auf sexu­el­len Miss­brauch und Grenz­ver­let­zun­gen wur­den in 41 Per­so­nal­ak­ten (2,4 Pro­zent) ent­deckt. Dabei wur­den ins­ge­samt 88 Opfer im Alter zwi­schen 4 und 20 Jah­ren gezählt. 37 waren jün­ger als 13 Jah­re. 56 Opfer waren männ­lich und 32 weib­lich. In 41 Fäl­len han­del­te es sich nach Akten­la­ge um ein­ma­li­ge Taten, in min­de­stens 7 Fäl­len gescha­hen die Über­grif­fe über Jah­re hin­weg. 20 der Opfer waren Mini­stran­ten, 20 waren Reli­gi­ons- oder Inter­nats­schü­ler, 7 Opfer befan­den sich in der offe­nen Kin­der- und Jugend­ar­beit. In 24 Fäl­len wur­den auf Antrag Lei­stun­gen in Aner­ken­nung des Leids in Höhe von ins­ge­samt 119.500 Euro gezahlt, außer­dem wur­den The­ra­pie­ko­sten in Höhe von 11.600 Euro übernommen.

Um Miss­brauchs­fäl­le durch kirch­li­che Mit­ar­bei­ten­de zu ver­mei­den, setzt das Erz­bis­tum Bam­berg auf ein umfas­sen­des Prä­ven­ti­ons­pro­gramm. In unter­schied­li­chem Stun­den­um­fang wer­den alle Mit­ar­bei­ten­den, die Kon­takt mit Kin­dern und Jugend­li­chen haben, geschult. Prie­ster, Dia­ko­ne, Gemein­de- und Pastoralreferent/​innen, Lehr­kräf­te, Kir­chen­mu­si­ker mit Lehr­tä­tig­keit u.a. wer­den in zwölf Zeit­stun­den über die­se The­men geschult: Grund­wis­sen über sexua­li­sier­te Gewalt, Wahr­neh­men von Gren­zen, Täter­stra­te­gien, Ver­hal­ten bei ver­mu­te­ten Grenz­ver­let­zun­gen, Acht­sa­mer Umgang, Maß­nah­men zur struk­tu­rel­len Prä­ven­ti­on. „Seit Beginn der Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men ist die Sen­si­bi­li­tät für Grenz­ver­let­zun­gen und über­grif­fi­ges Ver­hal­ten deut­lich gestie­gen“, sag­te die Prä­ven­ti­ons­be­auf­tra­ge im Ordi­na­ri­at, Moni­ka Rudolf. Inzwi­schen sei fast das gesam­te pasto­ra­le Per­so­nal geschult. Ab 2020 sei­en zudem Auf­fri­schungs­ver­an­stal­tun­gen geplant. „Prä­ven­ti­on ist ein dau­er­haf­ter Pro­zess“, beton­te Rudolf.

Gene­ral­vi­kar Kestel beton­te, dass die in der Stu­die aus­ge­spro­che­nen Emp­feh­lun­gen Grund­la­ge für das Nach­den­ken über künf­ti­ges Han­deln der Kir­che sein wer­den. Dazu gehör­ten auch die Dis­kus­si­on über den Umgang mit Homo­se­xua­li­tät, die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Wei­he­amt und dem Rol­len­ver­ständ­nis der Prie­ster sowie die Ver­pflich­tung zum Zöli­bat. Zudem sol­len die The­men Miss­brauch, Über­grif­fe und Sexua­li­tät ver­stärkt in die Aus­bil­dung der Prie­ster­amts­kan­di­da­ten und der pasto­ra­len Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ein­be­zo­gen werden.

Das MHG-For­schungs­kon­sor­ti­um hat­te bun­des­weit 38.156 Per­so­nal­ak­ten aus dem Zeit­raum 1946 bis 2014 unter­sucht und bei 1670 Kle­ri­kern Hin­wei­se auf Beschul­di­gun­gen des sexu­el­len Miss­brauchs ent­deckt. Die Gesamt­stu­die wur­de am Diens­tag in Ful­da der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt, wo die Voll­ver­samm­lung der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz tagt.

Gene­ral­vi­kar Kestel: „Kir­che steht in der Pflicht, sol­ches Leid in Zukunft zu verhindern“

State­ment Gene­ral­vi­kar Georg Kestel:

„Die wis­sen­schaft­li­che Stu­die zu den Miss­brauchs­fäl­len ist von den deut­schen Bischö­fen nach den zahl­rei­chen Mel­dun­gen, vor allem seit dem Jahr 2010, über sexu­el­len Miss­brauch im kirch­li­chen Kon­text in Auf­trag gege­ben wor­den. Es geht dar­um, scho­nungs­los und offen den Tat­sa­chen ins Auge zu schau­en, soweit als mög­lich den Opfern Gerech­tig­keit wider­fah­ren zu las­sen, die Täter zur Ver­ant­wor­tung zu zie­hen sowie auch dar­um, als Insti­tu­ti­on Kir­che für die Zukunft die gebo­te­nen Kon­se­quen­zen zu zie­hen. Die wis­sen­schaft­li­chen Insti­tu­te mit ihrer spe­zi­el­len Fach­kom­pe­tenz soll­ten hier noch ein­mal aus Sicht der For­scher wei­ter­füh­ren­de Erkennt­nis­se lie­fern. Auf der Basis einer umfang­rei­chen Ana­ly­se der Per­so­nal­ak­ten der Geist­li­chen für den Zeit­raum 1949 bis 2015 lie­gen nun die Ergeb­nis­se vor. Es ist erschüt­ternd, zur Kennt­nis neh­men zu müs­sen, in wel­chem Aus­maß sexu­el­le Über­grif­fe und Miss­brauch­sta­ten durch Geist­li­che gesche­hen sind. Hier gibt es nichts zu beschö­ni­gen. Das Mit­ge­fühl gilt allen Opfern aus der Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart. Ihr Schick­sal ist für die Kir­che eine drin­gen­de Ver­pflich­tung dazu, auf ver­schie­de­nen Hand­lungs­ebe­nen Maß­nah­men zu ergrei­fen, dass durch Inter­ven­ti­on und Prä­ven­ti­on alles getan wird, um sol­ches Leid in Zukunft zu ver­hin­dern. Auf dem Weg dazu sind die in der MHG-Stu­die aus­ge­spro­che­nen Emp­feh­lun­gen die Grund­la­ge für inten­si­ves Nach­den­ken, Pla­nen und Han­deln aller in der Kir­che Ver­ant­wort­li­chen. Die bereits in gro­ßem Umfang seit eini­gen Jah­ren ange­lau­fe­nen Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men haben die­se Her­aus­for­de­rung bereits erkannt und befin­den sich in der Umset­zung und in andau­ern­der Evaluierung.“