Nano­struk­tu­ren steu­ern Wär­me­trans­port: Bay­reu­ther For­scher ent­decken Ver­fah­ren zur Wärmeregulierung

Symbolbild Bildung

Der For­scher­grup­pe von Prof. Dr. Mar­kus Retsch an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist es erst­mals gelun­gen, die von der Tem­pe­ra­tur abhän­gi­ge Wär­me­leit­fä­hig­keit mit Hil­fe von poly­me­ren Mate­ria­li­en prä­zi­se zu steu­ern. In der Zeit­schrift Sci­ence Advan­ces wer­den die­se fort­schritt­li­chen, zunächst für Labor­un­ter­su­chun­gen her­ge­stell­ten Funk­ti­ons­ma­te­ria­li­en beschrie­ben. Die hier­mit gewon­ne­nen Erkennt­nis­se sind von gro­ßer Rele­vanz für die Ent­wick­lung neu­er Kon­zep­te zur Wärmedämmung.

Von Schmet­ter­lings­flü­geln zu neu­en Funktionsmaterialien

Bei den poly­me­ren Mate­ria­li­en, die eine Steue­rung der Wär­me­leit­fä­hig­keit ermög­li­chen, han­delt es sich um pho­to­ni­sche Kri­stal­le. Sie ver­lei­hen Schmet­ter­lin­gen, Käfern und ande­ren Insek­ten ihre oft­mals schil­lern­den Far­ben und wur­den bis­her haupt­säch­lich auf­grund ihrer Licht­ef­fek­te erforscht. Prof. Dr. Mar­kus Retsch, Lich­ten­berg-Juni­or­pro­fes­sor für Poly­me­re Syste­me, und sein Dok­to­rand Fabi­an Nutz M.Sc. haben vier unter­schied­li­che Ver­fah­ren ent­wickelt, um den tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Wär­me­trans­port in sol­chen pho­to­ni­schen Kri­stal­len zu steuern.

Die­se Ver­fah­ren nut­zen die Tat­sa­che, dass poly­me­re Nano­ma­te­ria­li­en wär­me­durch­läs­si­ger wer­den, wenn sie ihre Nano­struk­tur bei Über­schrei­ten einer bestimm­ten Tem­pe­ra­tur ver­lie­ren. Bei den pho­to­ni­schen Kri­stal­len kommt es dann zu einem sprung­haf­ten Anstieg der Wär­me­leit­fä­hig­keit: Die­se wech­selt auf ein zwei- bis drei­fach höhe­res Niveau. Auf die­ser Grund­la­ge las­sen sich durch Ver­än­de­run­gen in der Nano­struk­tur der Kri­stal­le klar defi­nier­te Effek­te beim Wär­me­trans­port erzielen.

Weich­ma­cher stei­gern die Leitfähigkeit

Bei wel­cher Tem­pe­ra­tur die Wär­me­leit­fä­hig­keit auf ein höhe­res Niveau wech­selt, hängt – wie die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler in ihrer Arbeit zei­gen – ent­schei­dend von der Zusam­men­set­zung der Nano­par­ti­kel ab, die den pho­to­ni­schen Kri­stall bil­den. Die­se Tem­pe­ra­tur kann genau ein­ge­stellt wer­den, indem ein Weich­ma­cher dem Poly­me­r­ge­rüst der Nano­par­ti­kel zuge­führt wird. Ob die Wär­me­leit­fä­hig­keit inner­halb eines schma­len oder brei­ten Tem­pe­ra­tur­be­reichs wech­selt, wäh­rend die Tem­pe­ra­tur ansteigt, lässt sich eben­falls prä­zi­se steu­ern: Hier­für genügt es, Nano­par­ti­kel mit ähn­li­cher Grö­ße, aber unter­schied­li­chem Weich­ma­cher­ge­halt gleich­mä­ßig zu mischen. Dadurch kommt es über einen sehr brei­ten Tem­pe­ra­tur­be­reich zu dem gra­du­el­len Ver­lust der Nano­struk­tur. Folg­lich erstreckt sich der Anstieg der Wär­me­leit­fä­hig­keit über einen grö­ße­ren Tem­pe­ra­tur­be­reich. Dar­über hin­aus ist es den For­schern durch einen schicht­ar­ti­gen Auf­bau der Kri­stal­le gelun­gen, den kon­ti­nu­ier­li­chen Anstieg in eine mehr­stu­fi­ge Erhö­hung der Leit­fä­hig­keit umzu­wan­deln. Zusätz­lich kann man durch die Dicke der ein­zel­nen Kri­stall­schich­ten prä­zi­se beein­flus­sen, auf wel­ches Niveau die Wär­me­leit­fä­hig­keit bei der jewei­li­gen Stu­fe steigt.

Poten­zia­le für Ener­gie­tech­nik und Wärmemanagement

„Die­se For­schungs­er­geb­nis­se zei­gen, dass es prin­zi­pi­ell mög­lich ist, die Wär­me­leit­fä­hig­keit in nano­struk­tu­rier­ten Mate­ria­li­en mit gro­ßer Genau­ig­keit zu regu­lie­ren. Die Ent­wick­lung von Mate­ria­li­en, die eine prä­zi­se Steue­rung des Wär­me­trans­ports erlau­ben, steht jedoch erst am Anfang. Unse­re bis­he­ri­gen Erkennt­nis­se sind sehr ermu­ti­gend, und zei­gen inter­es­san­te Kon­zep­te für die Kon­struk­ti­on ener­gie­ef­fi­zi­en­ter Dämm-Mate­ria­li­en. Lang­fri­stig könn­ten die­se Kon­zep­te für die Ent­wick­lung ther­mi­scher Tran­si­sto­ren oder Dioden wert­voll sein“, erklärt Prof. Retsch.

Aller­dings ver­weist er auch auf eine Hür­de, die noch zu über­win­den ist: Der Anstieg der Wär­me­leit­fä­hig­keit, wie er mit den vier jetzt ent­wickel­ten Ver­fah­ren regu­liert wer­den kann, ist unum­kehr­bar. Dies bedeu­tet, dass die Leit­fä­hig­keit auf dem ein­mal erreich­ten Niveau ver­harrt, selbst wenn die Tem­pe­ra­tur wie­der sinkt. „Nano­sy­ste­me zu kon­stru­ie­ren, die eine rever­si­ble Steue­rung des Wär­me­trans­ports ermög­li­chen, ist eine schwie­ri­ge, aber span­nen­de und zugleich zen­tra­le Auf­ga­be für die wei­te­re For­schung auf die­sem Gebiet“, meint der Bay­reu­ther Nachwuchswissenschaftler.

Ver­öf­fent­li­chung:

Fabi­an A. Nutz and Mar­kus Retsch, Tail­or-made tem­pe­ra­tu­re-depen­dent ther­mal con­duc­ti­vi­ty via inter­par­tic­le con­stric­tion, Sci­ence Advan­ces, Vol. 3, no. 11, DOI: 10.1126/sciadv.aao5238