Leser­brief: „Mit Geld ist es nicht getan – Bür­ger­be­geh­ren Radverkehr“

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Die für die Durch­füh­rung eines Bür­ger­ent­scheids erfor­der­li­chen 80.000 Euro hät­te die Stadt sich tat­säch­lich spa­ren kön­nen. Wäre der Rad­ver­kehr bis­lang behan­delt wor­den, wie es ihm zukommt, hät­te nie­mand das Begeh­ren initi­iert. Doch neben viel­fa­cher Igno­ranz ste­hen reich­lich Maß­nah­men, wel­che das Ver­kehrs­mit­tel Fahr­rad bewußt behin­dern und an den Rand drän­gen: Rad­we­ge, die Kon­flik­te mit Fuß­gän­gern befeu­ern, Rad­fahr- und soge­nann­te „Schutz„streifen, die Kraft­fah­rer zum haut­engen Über­ho­len gera­de­zu ein­la­den, nahe­zu alle zu schmal oder gera­de an Min­dest­ma­ßen ori­en­tiert. Unfall­ri­si­ken neh­men die Ver­ant­wort­li­chen sehen­den Auges in Kauf.

Dies zeigt zudem: Mit Geld allein ist es nicht getan – wenn es schlicht­weg falsch aus­ge­ge­ben wird. So redu­ziert die FPD das Anlie­gen ohne­hin auf „den Aus­bau der Rad­we­ge“. Auch der Radent­scheid setzt fata­ler­wei­se auf bau­lich abge­trenn­te Fahr­rad­be­rei­che an allen Haupt­stra­ßen. Nicht nur fehlt hier­für weit­ge­hend der Raum. An jeder Kreu­zung, Ein­mün­dung und Grund­stücks­zu­fahrt droht Gefahr – durch Miß­ach­tung der Rad­ler­vor­fahrt. Die sei­tens des Radent­scheids gefor­der­te Kreu­zungs­ge­stal­tung mit weit in die Quer­stra­ße ver­setz­ten Rad­fur­ten erhöht das Risi­ko weiter.

Der Ver­kehrs­raum muß neu ver­teilt wer­den, zu Gun­sten des Umwelt­ver­bunds (Gehen, Rad­fah­ren, Bahn und Bus mit­ein­an­der ver­netzt). Dabei darf das Fahr­rad eben nicht an den Rand gedrückt wer­den, son­dern gehört gleich­be­rech­tigt auf die Fahr­bahn (Schutz­be­rei­che für Kin­der und unsi­che­re Peda­li­sten sind damit nicht aus­ge­schlos­sen; doch sie dür­fen nicht für alle Rad­fah­rer benut­zungs­pflich­tig sein). Erfor­der­lich ist, daß dies durch Min­de­rung der Kfz-Geschwin­dig­kei­ten und – poli­zei­lich über­wacht – rück­sichts­vol­les Ver­hal­ten der Kraft­fah­rer gewähr­lei­stet wird. Lei­der hat sich über­dies die Bam­ber­ger Fahr­rad­lob­by in den letz­ten Jah­ren trotz zahl­rei­cher Anstö­ße sehr zurück­ge­hal­ten, wenn es um Offen­le­gung und Dar­stel­lung der unzäh­li­gen „klei­nen“ Miß­stän­de ging, wel­che den Rad­fah­rern das Leben schwer machen.

Die Attrak­ti­vi­tät der Ver­kehrs­mit­tel muß schritt­wei­se umge­kehrt wer­den. Statt Auto­vor­rangs ist dem moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehr die Rol­le zuzu­wei­sen, für die er geeig­net ist: Lücken schlie­ßen, wel­che der Umwelt­ver­bund tat­säch­lich nicht fül­len *_​kann_​*. Wenn der Kraft­ver­kehr deut­lich abnimmt, gewin­nen alle: Gesund­heit, Lebens­qua­li­tät – und Mobi­li­tät. Denn der Auto­fah­rer steht nicht im Stau. Er ist der Stau.

Nicht nur erheb­li­che Kosten kann ech­te Rad­ver­kehrs­för­de­rung ein­spa­ren. Mehr Arbeits­plät­ze zöge eine zukunfts­fä­hi­ge Ver­kehrs­po­li­tik gleich­falls nach sich, aller­dings oft ande­re als die bis­he­ri­gen. Um sozia­le Här­ten zu ver­mei­den, muß daher zeit­nah umge­steu­ert wer­den – bevor die Not­wen­dig­kei­ten eine abrup­te Wen­de erzwingen.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig