Netz­wer­ke statt Selbst­ver­sor­gung: Wie­sen­or­chi­deen über­ra­schen Bay­reu­ther Forscher

Symbolbild Bildung

Wie­sen­or­chi­deen, die im vol­len Son­nen­licht durch Pho­to­syn­the­se aus­rei­chend Nähr­stof­fe für sich pro­du­zie­ren könn­ten, gehen oft zusätz­lich eine Sym­bio­se mit Pil­zen ein, um ihren Nähr­stoff­be­darf zu decken. Sie erzeu­gen nur einen Teil des benö­tig­ten Koh­len­stoffs selbst und bezie­hen den ande­ren Teil von Pil­zen, mit denen ihre Wur­zeln unter­ir­di­sche Netz­wer­ke bil­den. Dies haben Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zusam­men mit For­schungs­part­nern in Groß­bri­tan­ni­en jetzt her­aus­ge­fun­den. Im Jour­nal of Eco­lo­gy stel­len sie ihre uner­war­te­ten Erkennt­nis­se vor.

Das For­schungs­team um Prof. Dr. Ger­hard Gebau­er an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hat erst vor weni­gen Jah­ren ent­deckt, dass grün­blätt­ri­ge Orchi­deen, die auf Wald­bö­den unter stark ein­ge­schränk­ten Licht­ver­hält­nis­sen leben, mit ihren Wur­zeln benach­bar­te Pil­ze ‚anzap­fen‘. So stocken sie den durch eige­ne Pho­to­syn­the­se erzeug­ten Koh­len­stoff­vor­rat auf und kön­nen ihren Bedarf voll­stän­dig decken. Dabei kommt es häu­fig zu Drei­er­be­zie­hun­gen, weil eini­ge der von Orchi­deen ‚ange­zapf­ten‘ Pilz­ar­ten ihrer­seits in einer Sym­bio­se mit Wald­bäu­men leben. Die Wis­sen­schaft­ler kön­nen sol­che unter­ir­di­schen Ver­sor­gungs­netz­wer­ke auf­klä­ren, indem sie die Häu­fig­kei­ten ana­ly­sie­ren, mit der Koh­len­stoff- und Stick­stoff-Iso­to­pe in benach­bar­ten Orchi­deen, Pil­zen, Bäu­men und wei­te­ren Pflan­zen vor­kom­men. Iso­to­pe sind Ato­me des glei­chen Ele­ments, die sich allein durch die Anzahl der Neu­tro­nen in ihrem Kern unter­schei­den. Das Labor für Iso­to­pen-Bio­geo­che­mie am Bay­reu­ther Zen­trum für Öko­lo­gie und Umwelt­wis­sen­schaf­ten (Bay­CE­ER) bie­tet alle tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen, um Iso­to­pen-Häu­fig­kei­ten von Orga­nis­men zu bestimmen.

Die Unter­su­chun­gen wur­den nun erst­mals in gro­ßem Umfang auf Orchi­deen aus­ge­wei­tet, die auf Wie­sen wach­sen und ohne Ein­schrän­kun­gen dem Son­nen­licht aus­ge­setzt sind. Dabei stell­te sich her­aus, dass sich Orchi­deen kei­nes­wegs nur unter Licht­ar­mut teil­wei­se von Pil­zen ver­sor­gen las­sen. Eine sol­che ‚par­ti­ell myko­het­ero­tro­phe Ernäh­rungs­wei­se‘ kommt auch bei Orchi­deen vor, die sich im Prin­zip ganz selb­stän­dig ernäh­ren könn­ten. Im ein­zel­nen ver­gli­chen die Wis­sen­schaft­ler vier auf Wald­bö­den hei­mi­sche Orchi­deen­ar­ten, die Koh­len­stoff teil­wei­se von Pil­zen bezie­hen, und drei­zehn Orchi­deen­ar­ten auf son­ni­gen Berg­wie­sen in den Alpen. Die­se unter­schei­den sich zwar von den Wald­or­chi­deen durch einen deut­lich gerin­ge­ren Anteil des Koh­len­stoff-Iso­tops 13C. Doch die Was­ser­stoff- und Stick­stoff-Iso­to­pe 2H und 15N sowie die Stick­stoff-Kon­zen­tra­tio­nen sind bei den Wie­sen­or­chi­deen signi­fi­kant erhöht. „Die­se Ergeb­nis­se haben uns über­rascht. In Ver­bin­dung mit Iso­to­pen-Ana­ly­sen an wei­te­ren Pflan­zen erlau­ben sie den Schluss, dass die mit Son­nen­licht gut ver­sorg­ten Orchi­deen sich den­noch lie­ber mit Pil­zen zusam­men­tun, als sich – wie sie es könn­ten – ganz selb­stän­dig zu ernäh­ren“, erklärt Prof. Gebau­er, Lei­ter des Labors für Iso­to­pen-Bio­geo­che­mie. Was ver­an­lasst die Orchi­deen dazu, die eige­nen Pho­to­syn­the­se-Poten­zia­le nicht aus­zu­schöp­fen? „Wir ver­mu­ten, dass die Koh­len­stoff­ver­sor­gung durch Pil­ze den Wie­sen­or­chi­deen Kon­kur­renz­vor­tei­le ver­schafft. Zudem kön­nen sie mit Hil­fe der Pilz­part­ner ungün­sti­ge kli­ma­ti­sche Bedin­gun­gen über meh­re­re Jah­re hin­weg unter der Boden­ober­flä­che über­ste­hen“, sagt die Bay­reu­ther Bio­lo­gin Juli­en­ne Schie­bold M.Sc., Erst­au­torin der neu­en Veröffentlichung.

Bei ihren Unter­su­chun­gen, die von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) geför­dert wur­den, haben die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler mit Kol­le­gen vom Impe­ri­al Col­lege in Lon­don und den Roy­al Bota­nic Gar­dens, Kew zusam­men­ge­ar­bei­tet. Zugleich waren auch Bay­reu­ther Stu­die­ren­de aus den Master­stu­di­en­gän­gen „Bio­di­ver­si­tät und Öko­lo­gie“ und „Mole­ku­la­re Öko­lo­gie“ betei­ligt – nicht allein bei Labor­un­ter­su­chun­gen, son­dern auch bei Exkur­sio­nen der Stu­di­en­gän­ge nach Vor­arl­berg. Die Ergeb­nis­se eini­ger Abschluss­ar­bei­ten sind in die Publi­ka­ti­on im Jour­nal of Eco­lo­gy ein­ge­flos­sen. „Unse­re Bay­reu­ther Stu­di­en­gän­ge in der Bio­lo­gie und den Umwelt­wis­sen­schaf­ten sind so auf­ge­baut, dass die Stu­die­ren­den immer wie­der die Gele­gen­heit erhal­ten, sich mit eige­nen Ideen und Kon­zep­ten an anspruchs­vol­len For­schungs­pro­jek­ten zu betei­li­gen“, sagt Prof. Gebau­er, der sich schon seit vie­len Jah­ren mit den Nah­rungs­netz­wer­ken von Pflan­zen und Pil­zen befasst.

Ver­öf­fent­li­chung:

Juli­en­ne M.-I. Schie­bold, Mar­tin I. Bid­ar­ton­do, Flo­ri­an Len­hard, Andre­as Makio­la und Ger­hard Gebau­er, Exploi­ting mycorrhi­zas in broad day­light: Par­ti­al myco­het­ero­tro­phy is a com­mon nut­ri­tio­nal stra­tegy in mea­dow orchi­ds, Jour­nal of Eco­lo­gy (2017),
DOI: 10.1111/1365–2745.12831