Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Neue Erkennt­nis­se zu Bridgma­nit, einem Haupt­be­stand­teil unse­res Planeten

Symbolbild Bildung

Ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team unter der Lei­tung von Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zeigt in einer neu­en Stu­die: Eisen hat eine sta­bi­li­sie­ren­de Wir­kung auf die Kri­stall­struk­tur von Bridgma­nit und somit auf den Erd­man­tel. Ein erst­mals im Labor her­ge­stell­ter Eisen-Bridgma­nit lie­fert einen neu­en Erklä­rungs­an­satz für die Aus­brei­tung von Erdbebenwellen.

Kein ande­res Mine­ral kommt in der Erde so häu­fig vor wie Bridgma­nit, ein nach dem U.S.-amerikanischen Phy­sik-Nobel­preis­trä­ger Per­cy Wil­liams Bridgman benann­ter Sili­kat-Perow­skit, der Eisen und Alu­mi­ni­um ent­hält. Ins­ge­samt füllt die­ses kri­stal­li­ne Mate­ri­al ein Drit­tel des Volu­mens unse­res Pla­ne­ten. Wie hoch die inne­re Sta­bi­li­tät der Erde ist und wie schnell sich tie­fe Erd­be­ben bis zur Ober­flä­che aus­brei­ten, hängt daher wesent­lich von den phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten die­ses Mine­rals ab. Sei­ne Eigen­schaf­ten beein­flus­sen zudem die geo­che­mi­schen Pro­zes­se, durch die sich unter der Erd­ober­flä­che wert­vol­le Mine­ra­li­en­vor­kom­men bilden.

Trotz sei­ner Bedeu­tung für das Leben auf der Erde ist jedoch bis­her nur wenig über Bridgma­nit bekannt. Haupt­säch­lich kommt es im Erd­man­tel vor, wo sehr hohe Drücke und Tem­pe­ra­tu­ren herr­schen. Will man her­aus­fin­den, wel­che phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten Bridgma­nit in die­sen unzu­gäng­li­chen Tie­fen besitzt, muss es im Labor den glei­chen extre­men Bedin­gun­gen aus­ge­setzt wer­den. Hier kön­nen Rönt­gen­strah­len, die von Syn­chro­tron­strah­lungs­quel­len erzeugt wer­den und die Kri­stall­struk­tur des Mine­rals durch­drin­gen, Auf­schluss über des­sen Eigen­schaf­ten und Ver­hal­tens­wei­sen geben.

Inter­na­tio­na­le Forschungskooperation

Ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team unter der Lei­tung von Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist bei die­sen For­schungs­ar­bei­ten jetzt ent­schei­den­de Schrit­te vor­an­ge­kom­men. For­schungs­part­ner waren das Deut­sches Elek­tro­nen-Syn­chro­tron (DESY) in Ham­burg, die Euro­pean Syn­chro­tron Radia­ti­on Faci­li­ty (ESRF) in Gre­no­ble, das Cen­ter for Advan­ced Radia­ti­on Sources an der Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go, die Abtei­lung für Petro­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Mos­kau sowie das Insti­tut für Mine­ra­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Mün­ster. Im Wis­sen­schafts­ma­ga­zin „Sci­ence Advan­ces“ stel­len die Wis­sen­schaft­ler ihre neu­en Erkennt­nis­se vor.

Eisen sta­bi­li­siert den Erdmantel

Um eine mög­lichst gro­ße Viel­falt an Infor­ma­tio­nen über Bridgma­nit zu erhal­ten, wur­den diver­se Pro­ben des Mine­rals zunächst syn­the­ti­siert und mit ver­schie­den­sten Tech­ni­ken ana­ly­siert. Die Pro­ben wur­den dabei einem Druck von min­de­stens 45 Giga­pas­cal – dies ent­spricht dem Druck in einer Tie­fe von rund 1350 Kilo­me­tern unter der Erd­ober­flä­che – aus­ge­setzt. Dabei stell­te sich her­aus: Das in Bridgma­nit ent­hal­te­ne Eisen hat unter die­sen extre­men Bedin­gun­gen, wie sie für den Erd­man­tel cha­rak­te­ri­stisch sind, eine sta­bi­li­sie­ren­de Wir­kung auf die Kri­stall­struk­tur von Bridgmanit.

„Unse­re For­schungs­ar­bei­ten zei­gen damit, dass und wes­halb die eisen- und alu­mi­ni­um­hal­ti­gen Sili­kat-Perow­ski­te im Erd­in­ne­ren außer­or­dent­lich sta­bil sind“, erklärt Prof. Dubro­vin­sky. „Die­se Mine­ra­le tra­gen offen­bar wesent­lich dazu bei, dass der gesam­te Erd­man­tel, der sich von rund 670 Kilo­me­tern unter der Erd­ober­flä­che bis zu einer Tie­fe von 2.700 Kilo­me­tern erstreckt, eine außer­ge­wöhn­li­che Sta­bi­li­tät besitzt. Dabei ist zu berück­sich­ti­gen, dass der unte­re Erd­man­tel sogar zu 80 Pro­zent aus Bridgma­nit besteht.“

Erst­mals im Labor syn­the­ti­siert: ein Eisen-Bridgma­nit – Neu­er Erklä­rungs­an­satz für die Aus­brei­tung von Erdbebenwellen

Dar­über hin­aus ist es der For­scher­grup­pe erst­mals gelun­gen, einen Bridgma­nit zu syn­the­ti­sie­ren, der nur Eisen und kein Alu­mi­ni­um ent­hält. Die­ses Mine­ral hat im Ver­gleich mit ande­ren Bridgma­ni­ten eine sehr nied­ri­ge Kom­pres­si­bi­li­tät: Das heißt: Selbst bei extrem hohen Drücken wird er nur gering­fü­gig zusam­men­ge­presst, so dass sich sei­ne Dich­te kaum erhöht.

„Wenn man annimmt, dass die­ser im Labor her­ge­stell­te Eisen-Bridgma­nit in grö­ße­ren Men­gen im Erd­man­tel tat­säch­lich vor­kommt, hät­ten wir einen Erklä­rungs­an­satz für das unge­wöhn­li­che Phä­no­men, dass sich man­che Erd­be­ben­wel­len nicht gleich­mä­ßig ent­lang von Bridgma­nit­schich­ten im Erd­in­ne­ren aus­brei­ten“, meint Ley­la Ismai­l­o­va, Dok­to­ran­din an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und Haupt­au­to­rin der neu­en Stu­die. „Denn infol­ge der gerin­gen Kom­pres­si­bi­li­tät ist die Schall­ge­schwin­dig­keit in Eisen-Bridgma­nit um etwa zwei Pro­zent gerin­ger als in nor­ma­lem Bridgma­nit. Die­se Ent­deckung ist beson­ders für die Aus­wer­tung seis­mi­scher Tomo­gra­phie­da­ten inter­es­sant, an denen sich die Stär­ke und Aus­brei­tung von Erd­be­ben­wel­len able­sen lässt“, so Ley­la Ismailova.

Bridgma­nit – ein fle­xi­bles und viel­ge­stal­ti­ges Mineral

Schließ­lich beob­ach­te­ten die Wis­sen­schaft­ler, dass Bridgma­nit-Kri­stal­le selbst unter extrem hohen Drücken eine signi­fi­kan­te Anzahl an Defek­ten in ihrer Struk­tur auf­wei­sen. Die­ser Befund war inso­fern über­ra­schend, als die For­schung bis­her davon aus­ge­gan­gen war, dass sol­che Struk­tur­de­fek­te beim Zusam­men­pres­sen der Kri­stal­le und ihrer dadurch zuneh­men­den Dich­te weit­ge­hend verschwinden.

„Dass die Struk­tur­de­fek­te den­noch erhal­ten blei­ben, ist ein kla­res Indiz für die hohe Fle­xi­bi­li­tät von Bridgma­nit-Kri­stal­len. Die For­schung zu die­sem Haupt­be­stand­teil unse­res Pla­ne­ten ist also noch längst nicht abge­schlos­sen, son­dern hat gera­de erst begon­nen. In Bay­reuth freu­en uns des­halb dar­auf, die enge und gute Zusam­men­ar­beit mit der DESY in Ham­burg sowie mit den wei­te­ren Elek­tro­nen­syn­chro­tron-Anla­gen in Gre­no­ble und Chi­ca­go fort­set­zen zu kön­nen“, so Prof. Dubrovinsky.

For­schungs­för­de­rung

In Deutsch­land wur­den die For­schungs­ar­bei­ten von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) sowie als Pro­jekt der Ver­bund­for­schung vom Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) geför­dert. Pro­jek­te der Ver­bund­for­schung bezie­hen Uni­ver­si­tä­ten in die Ent­wick­lung und den Auf­bau inno­va­ti­ver Metho­den und Instru­men­te für gro­ße For­schungs­ein­rich­tun­gen ein. Dadurch wird es mög­lich, die her­aus­ra­gen­den Kom­pe­ten­zen von Hoch­schu­len und außer­uni­ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen zu ver­knüp­fen und durch Syn­er­gie-Effek­te wei­ter zu stärken.

Ver­öf­fent­li­chung

Ley­la Ismai­l­o­va, Ele­na Byko­va, Maxim Bykov, Vale­rio Ceran­to­la, Cathe­ri­ne McCam­mon, Tizia­na Boffa Ball­ar­an, And­rei Bobrov, Ryo­s­uke Sin­myo, Nata­lia Dubro­vins­ka­ia, Kon­stan­tin Gla­zy­rin, Hanns-Peter Lier­mann, Ilya Kupen­ko, Micha­el Hanf­land, Cle­mens Pre­scher, Vita­li Pra­ka­pen­ka, Volo­dym­yr Svitlyk, Leo­nid Dubro­vin­sky, Sta­bi­li­ty of Fe,Al-bearing bridgma­ni­te in the lower man­t­le and syn­the­sis of pure Fe-bridgma­ni­te, Sci­ence Advan­ces, 15 Jul 2016; Vol. 2, no. 7, e1600427, DOI: 10.1126/sciadv.1600427