Bam­ber­ger Sozio­lo­ge Olaf Struck: „Kri­sen­be­wäl­ti­ger Deutschland?“

Symbolbild Bildung

„Die Fle­xi­bi­li­sie­rung der Arbeits­märk­te geht an den tat­säch­li­chen Reform­not­wen­dig­kei­ten vorbei“

Sozio­lo­ge Olaf Struck über die Aus­wir­kun­gen der Euro­kri­se auf den euro­päi­schen Arbeitsmarkt

Rund 3,8 Mil­lio­nen – das ist die Anzahl an Jobs, die die Kri­se in der Euro­zo­ne bis­lang geko­stet hat. Der deut­sche Arbeits­markt hin­ge­gen hat sich als rela­tiv sta­bil erwie­sen. Den wich­tig­sten Grund dafür sieht der Bam­ber­ger Sozio­lo­ge Olaf Struck in den ver­gleichs­wei­se stren­gen gesetz­li­chen Vorgaben.

Fle­xi­bi­li­sie­rung von Beschäf­ti­gung – so lau­tet das Cre­do, wel­ches von der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on seit eini­gen Jah­ren mit aller Vehe­menz ver­tre­ten wird. „Die Vor­stel­lung dahin­ter ist: Der Arbeits­markt atmet mit der Wirt­schaft mit“, erklärt Prof. Dr. Olaf Struck. „Geht es der Wirt­schaft gut, wird ein­ge­stellt. Geht es ihr schlecht, wird ent­las­sen.“ Struck ist Inha­ber der Pro­fes­sur für Arbeits­wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät Bam­berg. Einer sei­ner For­schungs­schwer­punk­te sind Arbeits­markt­struk­tu­ren und Arbeits­markt­re­for­men im inter­na­tio­na­len Ver­gleich. In allen Län­dern Euro­pas konn­te Struck in den ver­gan­ge­nen Jah­ren eine Pha­se der Fle­xi­bi­li­sie­rung von Arbeits­märk­ten beobachten.

Fle­xi­bi­li­tät scha­det in der Krise

Auch der deut­sche Arbeits­markt wur­de in den letz­ten zehn Jah­ren stark refor­miert und ist fle­xi­bler gewor­den. Infol­ge der Agen­da 2010 wur­de unter ande­rem der Kün­di­gungs­schutz gelockert und der Ein­satz wie­der­holt befri­ste­ter Beschäf­ti­gung erleich­tert. Doch trotz die­ser Refor­men blie­ben vie­le gesetz­li­che Vor­ga­ben bestehen. „Und das ist auch gut so“, sagt Olaf Struck. Denn: „Die Fle­xi­bi­li­sie­rung der euro­päi­schen Arbeits­märk­te geht an den tat­säch­li­chen Reform­not­wen­dig­kei­ten vorbei.“

Um die Wirt­schafts- und Finanz­kri­se zu bewäl­tig­ten, ver­such­ten Irland, Grie­chen­land und Spa­ni­en fle­xi­bel auf die Kri­se zu reagie­ren, zum Bei­spiel durch Ent­las­sun­gen. Anders hin­ge­gen Deutsch­land: „Arbeits­kräf­te wur­den nicht frei­ge­setzt, son­dern in den Betrie­ben gehal­ten“, fasst Struck die deut­sche Kri­sen­be­wäl­ti­gungs­stra­te­gie zusam­men. Um dies zu errei­chen, griff man auf bewähr­te, histo­risch gewach­se­ne Struk­tu­ren zurück – jene Struk­tu­ren, die von der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on in den Vor­jah­ren als „zu rigi­de“ kri­ti­siert wor­den waren:

Die Sozi­al­ver­si­che­rung, ins­be­son­de­re die gesetz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung, erwies sich als bedeu­ten­des Ele­ment zur Kri­sen­über­win­dung. „Sie hielt die Kauf­kraft der Rent­ner auf­recht, da die Ren­ten­an­pas­sung in staat­li­chen Syste­men zeit­ver­zö­gert auf der Basis der Lohn­ent­wick­lung erfolgt“ so Struck. Zudem ermög­lich­te die Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung durch die Co-Finan­zie­rung von klas­si­schen betriebs­in­ter­nen Maß­nah­men wie Kurz­ar­beit den Erhalt von sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ger Beschäf­ti­gung. Unter­neh­men nutz­ten über­dies intern-fle­xi­ble Arbeits­zeit­re­ge­lun­gen. „Rund 1,2 Mil­lio­nen Arbeits­plät­ze konn­ten dadurch bei­be­hal­ten wer­den“, so Struck.

Gering­qua­li­fi­zier­te als Krisenverlierer

Opfer der Kri­se gibt es jedoch auch in Deutsch­land. Wäh­rend Fach­ar­bei­ter von Rege­lun­gen wie Kurz­ar­beit pro­fi­tier­ten, sah die Lage für Beschäf­tig­te in Arbeits­ver­hält­nis­sen mit gerin­gen Qua­li­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen ganz anders aus. Bei­spie­le sind unge­lern­te Arbei­ter. „Hier bestand für den Arbeit­neh­mer kaum ein Anreiz, die Beschäf­tig­ten zu hal­ten“, so Struck. Die Fol­ge: Vie­le Leih­ar­bei­ter wur­den ent­las­sen, die Ver­trä­ge vie­ler befri­stet Beschäf­tig­ter nicht ver­län­gert. „Die Sche­re hat sich in der Kri­se wei­ter geöff­net“, so Struck. Den besten Schutz vor Arbeits­lo­sig­keit ver­hei­ße somit auch hier­zu­lan­de vor allem eins: Bildung.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum The­ma unter: www​.uni​-bam​berg​.de/​k​o​m​m​u​n​i​k​a​t​i​o​n​/​n​e​w​s​/​a​r​t​i​k​e​l​/​s​t​r​u​c​k​_​a​r​b​e​i​t​s​m​a​rkt