Offe­ner Brief der BI Forch­heim-Nord an die Bundestagsabgeordneten

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Sehr geehr­te Damen und Herrn Abge­ord­ne­te des Deut­schen Bundestages,

der Ver­kehrs­aus­schuss wird sich in sei­ner Son­der­sit­zung vor­aus­sicht­lich am 24.6.2014 mit der Stel­lung­nah­me des Bun­des­tags zur Novel­lie­rung der Berech­nungs­vor­schrif­ten für Schie­nen­lärm (16. BImsch­V/­Schal­l03-2012) befas­sen. Auch der Umwelt­aus­schuss des Bun­des­ta­ges ist an der Beschluss­fas­sung nach unse­rer Kennt­nis befasst.

Wir sind eine durch Bahn­lärm betrof­fe­ne Stadt. Forch­heim, unse­re Hei­mat­stadt, liegt in Oberfranken/​Bayern, liegt an der ICE Hoch­ge­schwin­dig­keitstrasse Deut­sche Ein­heit 8.1, Abschnitt 18/19 Forch­heim-Eggols­heim, und befin­det sich im Planfeststellungsverfahren.

Die bestehen­den 2 Glei­se wer­den auf 4 Glei­se erweitert.

Güter­trans­por­te kom­men ver­mehrt auf die Schie­ne. Tran­sit­gü­ter­zü­ge lär­men ca. alle 2–3 Minu­ten, auch als Gefahr­gut-Quel­le, durch unse­re Heimatstadt.

Ihr Lärm rechts und links der Tras­se erzeugt eine ca. 200 m brei­te gesund­heits­ge­fähr­den­de, krank­ma­chen­de Schnei­se. Eine jetzt bekannt gewor­de­ne Stu­die belegt das Krank­ma­chen. http://​bbt​news​.word​press​.com/​2​0​1​4​/​0​6​/​1​7​/​d​i​e​-​p​u​b​l​i​c​-​h​e​a​l​t​h​-​s​t​u​d​i​e​-​z​u​m​-​b​b​t​-​r​i​s​i​k​e​n​-​u​n​d​-​n​e​b​e​n​w​i​r​k​u​n​g​e​n​-​d​i​e​-​d​i​e​-​b​e​h​o​r​d​e​n​-​d​e​n​-​b​u​r​g​e​r​n​-​v​e​r​h​e​i​m​l​i​c​h​e​n​-​w​o​l​l​t​en/

Unse­re Regi­on ver­mit­tel­te bis­her ein posi­ti­ves Bild vom Bahn­ver­kehr. In Fürth, eini­ge km süd­lich, fuhr die erste Eisenbahn.

Die Schön­heit des Reg­nitz­ta­les ließ im 9. Jahr­hun­dert die Stadt erblü­hen – die Deut­sche Bahn bringt es rück­sichts­los nach Jahr­hun­der­ten zum Verblühen.

In einer Kul­tur­land­schaft wird ein Wohn­ort erst zur Hei­mat – sie darf dem pau­sen­lo­sen Güter­zug­lärm nicht zum Opfer fallen.

2 Schu­len, die Adal­bert Stif­ter Schu­le Volks- und Mit­tel­schu­le liegt mit 7,50 m Abstand zum nächst­ge­le­ge­nen Gleis, die Georg Hart­mann Real­schu­le mit ca. 1100 Schü­ler ist nicht in den Unter­la­gen auf­ge­führt, liegt mit ca. 15 m Abstand zum nächst­ge­le­ge­nen Gleis.

Von den teil­wei­se 4 stöcki­gen Schul­ge­bäu­den ist nur auf 2 Stock­wer­ken die Lärm­be­la­stung doku­men­tiert. Erschüt­te­rungs­mes­sun­gen der Schul­ge­bäu­de feh­len. Ret­tungs­we­ge für 1500 Schü­ler bei Güter­zug­un­fäl­len mit gefähr­li­chem Inhalt feh­len. Die Schul­sei­te ver­läuft ca. 150 m am Gleis entlang.

In Plan­un­ter­la­gen der Bahn fin­den sich kei­ne Fak­ten zu den Schulen.

Unse­ren Kin­dern wird das Ler­nen gna­den­los verlärmt.

Der Mensch ist das Maß aller Din­ge, nicht die Kosten!

Wir haben dem Ver­kehrs­aus­schuss zur kurz­fri­stig anbe­raum­ten Anhö­rung am 4.6.2014 unse­re Stel­lung­nah­me überreicht.

Durch den Vor­trag ande­rer gela­de­ner Sach­ver­stän­di­ger sehen wir uns in unse­rer Bewer­tung bestä­tigt, dass die Ver­bes­se­rung des Lärm­schut­zes, die in der letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode durch die Abschaf­fung des Schie­nen­bo­nus erreicht wur­de, auf rech­ne­ri­schem Weg fak­tisch wie­der „ein­kas­siert“ wer­den soll. Ent­ge­gen der Erwar­tung füh­ren die neu­en, hoch­kom­ple­xen Rechen­ver­fah­ren kei­nes­wegs zu genaue­ren Ergeb­nis­sen; sie haben viel­mehr den „Neben­ef­fekt“, die Ver­schlech­te­rung des Schutz­ni­veaus zu ver­schlei­ern. Die geplan­te Gleich­zei­tig­keit des Wirk­sam­wer­dens bei­der Rege­lun­gen spricht für sich.

Wir ver­mö­gen auch kei­nen drin­gen­den Bedarf für die Ein­füh­rung angeb­li­cher „schall­tech­ni­scher Inno­va­tio­nen“ wie z.B. Schie­nen­steg­dämp­fer in die Berech­nungs­vor­schrif­ten zu sehen; die­se sind zwar kosten­gün­stig, aber deren aku­sti­sche Wir­kung liegt – falls über­haupt vor­han­den – weit unter­halb der Hör­bar­keits­gren­ze von 3 dB(A). Lärm wird aber mit den Ohren wahr­ge­nom­men und nicht als errech­ne­te Zahl; vir­tu­el­ler Lärm­schut­zes mit dem Rechen­stift löst die Schie­nen­lärm­pro­ble­me in Deutsch­land nicht, son­dern ver­schiebt sie unge­löst in die Zukunft.

Die Novel­lie­rung der Berech­nungs­vor­schrif­ten für Schie­nen­lärm wird – anders als erhofft – eher zu mehr als zu weni­ger Rechts­ver­fah­ren füh­ren. Sie trägt nicht zur ver­spro­che­nen Rechts­si­cher­heit bei.

Wir möch­ten Sie daher bit­ten, die im Wahl­kampf von allen Par­tei­en ver­spro­che­nen Ver­bes­se­run­gen des Lärm­schut­zes für die lärm­ge­plag­ten Bahn­an­lie­ger jetzt anzu­packen und umzusetzen.

  • Wir erin­nern an die Koalitionsvereinbarung:

„Die Akzep­tanz für Mobi­li­tät und die wei­te­re Moder­ni­sie­rung der Infra­struk­tur hängt ent­schei­dend davon ab, dass die Lärm­be­la­stung redu­ziert wird. Wir wer­den des­halb den Schutz vor Ver­kehrs­lärm deut­lich ver­bes­sern und Rege­lun­gen für ver­kehrs­trä­ger­über­grei­fen­den Lärm­schutz an Bun­des­fern­stra­ßen und Bun­des­schie­nen­we­gen tref­fen. Der Gesamt­lärm von Stra­ße und Schie­ne muss als Grund­la­ge für Lärm­schutz­maß­nah­men her­an­ge­zo­gen werden.“

  • Wir erin­nern an die Ent­schlie­ßung des Bun­des­rats vom 16.03.1990, in der die­ser damals vor 24 Jah­ren (!) der neu­ge­schaf­fe­nen 16. BImSchV nur mit der Maß­ga­be zuge­stimmt hat, dass eine Gesamt­lärm­be­trach­tung nor­miert wird:

„4. Der Bun­des­rat ver­bin­det sei­ne Zustim­mung zur Ver­kehrs­lärm­schutz­ver­ord­nung (16. BImSchV) mit der dring­li­chen Bit­te, die Bun­des­re­gie­rung möge rasch wei­te­re Rege­lun­gen zu einem umfas­sen­den Lärm­schutz in Angriff nehmen“.

Für die gesund­heit­li­che Bewer­tung einer Lärm­ex­po­si­ti­on sind grund­sätz­lich alle Lärm­e­mit­ten­ten zu erfas­sen. Zu solch umfas­sen­der Dar­stel­lung einer Lärm­im­mis­si­ons­si­tua­ti­on müs­sen Ver­fah­ren einer zusam­men­fas­sen­den Bewer­tung ver­schie­de­ner Lärm­quel­len und ‑qua­li­tä­ten erar­bei­tet wer­den. Aus Grün­den des Gesund­heits­schut­zes sind Emit­ten­ten unab­hän­gi­ge Immis­si­ons­grenz- oder zumin­dest – Richt­wer­te festzusetzen.

Unter­schied­li­che, jeweils Emit­ten­ten bezo­ge­ne Immis­si­ons­grenz­wer­te, die nicht mit­ein­an­der in Ver­bin­dung gebracht wer­den, kön­nen kei­nen stets aus­rei­chen­den Schutz für die expo­nier­te Bevöl­ke­rung dar­stel­len. Trotz Ein­hal­tens sol­cher Grenz­wer­te kann in der Nähe meh­re­rer bedeut­sa­mer Emit­ten­ten eine Gesamt­im­mis­si­on resul­tie­ren, wel­che als erheb­lich belä­sti­gend oder gar gesund­heits­schä­di­gend zu beur­tei­len ist.

Auf den wach­sen­den Anteil in der Bevöl­ke­rung, der sich von Lärm, ins­be­son­de­re Ver­kehrs­lärm und Flug­lärm, erheb­lich belä­stigt fühlt, wird hingewiesen.“

  • Wir erin­nern an die nahe­zu durch­gän­gi­ge Ableh­nung des Ent­wurfs der Novel­le durch die Län­der im Ver­bän­de-Anhö­rungs­ver­fah­ren im Mai 2013; vie­le kri­ti­sche Anmer­kun­gen haben wir bereits in der Stel­lung­nah­me der BVS vom 28.6.2014 an den Ver­kehrs­aus­schuss zitiert
  • Wir erin­nern an die Ent­schlie­ßung der 82. Umwelt­mi­ni­ster­kon­fe­renz der Län­der vom 09.Mai 2014 in Kon­stanz , in der erneut ver­kehrs­trä­ger­über­grei­fen­de Rege­lun­gen für den Schutz gegen Lärm an Stra­ßen und Schie­nen­we­gen eben­so gefor­dert wer­den wie die Begren­zung der Spitzenpegel.

Die vor­ge­leg­te Novel­le der 16. BImsch­V/­Schal­l03-2012 darf so nicht ver­ab­schie­det wer­den, wenn sich CDU/CSU und SPD nicht bereits am Anfang der Wahl­pe­ri­ode von ihren selbst­ge­steck­ten Zie­len, die sie im Koali­ti­ons­ver­trag fest­ge­schrie­ben hat, ver­ab­schie­den will und damit ihre Glaub­wür­dig­keit verliert.

Wir plä­die­ren viel­mehr dafür, die­ses Novel­lie­rungs­ver­fah­ren auf­zu­ge­ben und mit den Arbei­ten an einem Regel­werk für einen nach­hal­ti­gen, ver­kehrs­trä­ger­über­grei­fen­den Lärm­schutz zu begin­nen, der nicht nur die oben wie­der­ge­ge­be­nen Zie­le ver­folgt, son­dern auch mit dem auf EU-Ebe­ne lau­fen­den Ver­fah­ren zur Har­mo­ni­sie­rung der Ver­kehrs­lärm­be­wer­tung (CNOS­SOS-EU) kom­pa­ti­bel ist. Soll­te – was wir nicht sehen – wirk­lich eine zwin­gen­de Not­wen­dig­keit zur Fort­schrei­bung der Berech­nungs­vor­schrif­ten für Schie­nen­lärm gege­ben sein, dann könn­te dies durch eine Anpas­sung der Schal­l03-1990 durch das vom EBA erfolgen.

Letzt­lich setzt aber jeder Fort­schritt bei der Min­de­rung des uner­träg­li­chen und Mil­lio­nen Men­schen in ihrer Gesund­heit in ihrem Eigen­tum bedro­hen­den Schie­nen­lärms vor­aus, dass dem Ver­ur­sa­cher­prin­zip end­lich auch im Eisen­bahn­sek­tor Gel­tung ver­schafft wird und die Schä­den, die der Schie­nen­ver­kehr ver­ur­sacht, nicht wei­ter allein den­je­ni­gen auf­ge­bür­det wer­den, die neben den Glei­sen woh­nen müs­sen. Wir wer­den daher nicht müde wer­den, die Ach­tung der Grund­rech­te der Betrof­fe­nen ein­zu­for­dern. Las­sen Sie nicht zu, dass den bahn­lärm­ge­plag­ten Men­schen ent­ge­gen den Ver­spre­chen im Wahl­kampf und der Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung die zuge­sag­ten Ver­bes­se­run­gen des Lärm­schut­zes vor­ent­hal­ten werden.

Nach Post­kut­sche, Auto und Bus kam die Bahn als Beförderungsmittel.

Die Zukunft wird ande­re Weg zur Per­so­nen­be­för­de­rung ent­wickeln, die Schie­ne durch Wohn­or­te wird nicht mehr benötigt.

Wir bit­ten Sie herz­lich den Men­schen vor dem immer stär­ker zuneh­men­den Lärm zu schützen.

Eini­ge Mil­lio­nen für die Gesund­heit der Men­schen für 100 Jah­re ist Ver­hält­nis­mä­ßig und dient dem Grund­recht auf kör­per­li­che Unversehrtheit.

Mit freund­li­chen Grüßen

Otwin Schnei­der Jean-Paul-Stra­ße 15 91301 Forchheim

09191 727277

Für Bür­ger­initia­ti­ve Forch­heim Nord

http/www.bi-forchheim-nord.de