Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Dyna­mik im Erdinneren

Symbolbild Bildung

Eine neue Emmy Noe­ther-Nach­wuchs­grup­pe an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth unter­sucht die Grund­la­gen von Pro­zes­sen wie Erd­be­ben oder Vulkanausbrüchen

Von allen Natur­er­eig­nis­sen, die oft kata­stro­pha­le Fol­gen für die Men­schen haben, las­sen sich Erd­be­ben beson­ders schwer vor­her­sa­gen. Bis heu­te lie­gen die unter­ir­di­schen Pro­zes­se, wel­che die Plat­ten­tek­to­nik antrei­ben und dadurch Erd­be­ben oder Vul­kan­aus­brü­che aus­lö­sen, weit­ge­hend im Dun­keln. Daher ist eine inten­si­ve geo­wis­sen­schaft­li­che Grund­la­gen­for­schung erfor­der­lich, damit sol­che Pro­zes­se eines Tages umfas­send ver­stan­den wer­den kön­nen. Die­sem Ziel dient auch ein For­schungs­vor­ha­ben am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, das im April 2014 gestar­tet ist. Eine neue, von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) geför­der­te Emmy Noe­ther-Nach­wuchs­grup­pe unter der Lei­tung von Dr. Hau­ke Mar­quardt befasst sich mit den Eigen­schaf­ten von Mine­ra­len im Erd­man­tel, der unter­halb der Erd­kru­ste in einer Tie­fe von rund 40 km beginnt und sich bis in eine Tie­fe von rund 2.900 km erstreckt.

Im Emmy Noe­ther-Pro­gramm der DFG erhal­ten her­vor­ra­gen­de Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­rin­nen und ‑wis­sen­schaft­ler die Chan­ce, ein jun­ges For­schungs­team an einer Uni­ver­si­tät in Deutsch­land meh­re­re Jah­re lang erfolg­reich zu lei­ten und sich damit für die Über­nah­me einer Pro­fes­sur zu qua­li­fi­zie­ren. Dr. Hau­ke Mar­quardt ist erst vor kur­zem vom Deut­schen Geo­For­schungs­Zen­trum in Pots­dam an die Uni­ver­si­tät Bay­reuth gekom­men. Gemein­sam wird er mit einer Grup­pe hoch­qua­li­fi­zier­ter Dok­to­ran­din­nen und Dok­to­ran­den unter­su­chen, wie Mine­ra­le im Erd­man­tel ihre Eigen­schaf­ten infol­ge äußerst hoher Drücke und Tem­pe­ra­tu­ren ver­än­dern. „Ela­sti­sche und struk­tu­rel­le Eigen­schaf­ten von Geo­ma­te­ria­li­en unter extre­men Bedin­gun­gen“ lau­tet das The­ma der Nach­wuchs­grup­pe, die in den kom­men­den fünf Jah­ren mit mehr als 1,5 Mil­lio­nen Euro geför­dert wird. Im Mai 2014 wird der erste Dok­to­rand sei­ne Arbeit in der Emmy Noe­ther-Nach­wuchs­grup­pe beginnen.

Die Mit­glie­der der Nach­wuchs­grup­pe wol­len eine Rei­he unge­wöhn­li­cher Mine­ra­le unter die Lupe neh­men, die in der Über­gangs­zo­ne des Erd­man­tels in einer Tie­fe zwi­schen 410 bis 660 km lagern. Dabei inter­es­sie­ren sie sich ins­be­son­de­re für die phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten von Wads­leyit, Ring­woo­dit und Majo­rit. Zudem wol­len sie her­aus­fin­den, wie sich die im unte­ren Erd­man­tel gela­ger­ten Mine­ra­le Magne­si­um­/Ei­sen-Perow­skit und Fer­ro­pe­riklas ver­hal­ten, wenn sie dort extrem hohen Drücken und Tem­pe­ra­tu­ren aus­ge­setzt sind.

Bei die­sen Unter­su­chun­gen in den Hoch­druck­la­bo­ra­to­ri­en des BGI kommt ins­be­son­de­re die Laser-Spek­tro­sko­pie zum Ein­satz. Es soll geklärt wer­den, wie schnell sich Schall­wel­len in unter­schied­li­chen Mine­ra­len aus­brei­ten. Deren Geschwin­dig­keit ent­spricht der Geschwin­dig­keit, mit der sich Erd­be­ben­wel­len in den Mine­ra­len fort­set­zen wür­den; wobei die Geschwin­dig­keit in bei­den Fäl­len von der Aus­brei­tungs­rich­tung der Wel­len abhän­gen kann. Ergän­zen­de Rönt­gen­beu­gungs­expe­ri­men­te wer­den am Deut­schen Elek­tro­nen­syn­chro­tron (DESY) in Ham­burg durch­ge­führt. Eini­ge der in Bay­reuth geplan­ten Expe­ri­men­te haben Pilot­cha­rak­ter: Sie rich­ten sich auf die ela­sti­schen Eigen­schaf­ten von Cal­ci­um-Perow­skit und post-Perow­skit, eines Mate­ri­als, das in einer Tie­fe von etwa 2600 km aus Perow­skit durch eine Pha­sen­trans­for­ma­ti­on entsteht.

„In unse­ren teil­wei­se sehr spe­zi­el­len Unter­su­chun­gen unter­su­chen wir Mate­ria­li­en, die in der Natur fast aus­schließ­lich tief im Erd­in­ne­ren vor­kom­men“, erklärt Dr. Mar­quardt. „Für sol­che For­schungs­ar­bei­ten bie­ten die Labo­ra­to­ri­en des Baye­ri­schen Geo­in­sti­tuts eine beson­ders lei­stungs­star­ke Infra­struk­tur, wie sie so nir­gend­wo anders in Euro­pa vor­han­den ist. Von den Ergeb­nis­sen ver­spre­chen wir uns wert­vol­le Hin­wei­se für die Inter­pre­ta­ti­on seis­mo­lo­gi­scher Model­le und Beob­ach­tun­gen. Durch die Kom­bi­na­ti­on die­ser groß­ska­li­gen Beob­ach­tun­gen mit unse­ren Labor­da­ten kann es gelin­gen, Pro­zes­se bes­ser zu ver­ste­hen, die sich tief unter unse­ren Füßen abspie­len. Die­se Dyna­mik im Erd­in­ne­ren hat die bis­he­ri­ge Ent­wick­lung unse­res Pla­ne­ten wesent­lich geprägt und treibt auch die heu­ti­ge Plat­ten­tek­to­nik an. Mei­stens sind es erst Natur­ka­ta­stro­phen wie Erd­be­ben oder Vul­kan­aus­brü­che, die uns die­se Pro­zes­se bewusst machen.“

Zur Per­son:

Dr. Hau­ke Mar­quardt (34) stammt aus Wol­fen­büt­tel und hat von 2002 bis 2006 an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin sowie an der Uni­ver­si­tät Tübin­gen Mine­ra­lo­gie und Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten stu­diert. An der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin wur­de er 2009 mit einer Arbeit über ela­sti­sche Eigen­schaf­ten von Kri­stal­len pro­mo­viert. Es folg­ten For­schungs­auf­ent­hal­te an der Uni­ver­si­ty­of Cali­for­nia in Ber­ke­ley und am Deut­schen Geo­For­schungs­Zen­trum in Pots­dam. Dr. Hau­ke Mar­quardt wur­de 2010 mit dem Deut­schen Stu­di­en­preis der Kör­ber-Stif­tung aus­ge­zeich­net, 2013 erhielt er den Her­mann Cred­ner Preis