Neu­erwer­bun­gen für Jean-Paul-Muse­um und Natio­nal­ar­chiv der Richard-Wagner-Stiftung

Bei der dies­jäh­ri­gen gro­ßen Früh­jahrs­auk­ti­on des Auk­ti­ons­hau­ses Star­gard, Ber­lin, am 25./26. März konn­ten für Bay­reuth wie­der ein­mal eini­ge bedeu­ten­de und wert­vol­le Hand­schrif­ten erwor­ben werden.

Zunächst freut sich das Jean-Paul-Muse­um der Stadt Bay­reuth über die Neu­erwer­bung eines frü­hen Brie­fes Jean Pauls an August Gott­lieb Meiß­ner (1753–1807) vom 26. Mai 1789. Meiß­ner war Pro­fes­sor der Ästhe­tik und klas­si­schen Lite­ra­tur in Prag. Jean Paul bit­tet Meiß­ner in die­sem Brief um die Rück­ga­be sei­nes Manu­skripts „Flüch­ti­ge Mut­ma­ßun­gen über die mensch­li­chen Tugen­den“, das er Meiß­ner bereits fünf Jah­re zuvor zur Ver­öf­fent­li­chung in des­sen bei Breit­kopf ver­leg­ter Quar­tals­schrift „Für älte­re Lit­te­ra­tur und neue­re Lek­tü­re“ zuge­schickt hat­te. Der Brief ist ein Muster­bei­spiel für Jean Pauls sati­ri­schen Humor und sei­ne atem­be­rau­ben­de Wortakrobatik:

Wenn Sie mir ein Manu­skript gelie­hen hät­ten: so würd’ ichs Ihnen schwer­lich wie­der geben; ich dürf­te Ihnen die­ses Depo­si­tum viel­leicht gar vor Gericht abläug­nen u. Ihre vie­len Requi­si­to­ri­al­schrei­ben aus Prag wür­den wenig ver­fan­gen. Wäre Alex­an­der eben so klug wie ich gewe­sen u. hätt’ er die Manu­skrip­te des Ari­sto­te­les ihm abge­lo­gen und vor­ent­hal­ten: so hätt’ ihn nach­her der Sta­gy­rit nicht mit der Edi­zi­on der­sel­ben ärgern kön­nen. Der Zwek die­ses Brie­fes ist Sie zu bit­ten, daß Sie es – nicht so machen wie ich, son­dern wie Alex­an­der. Mein sati­ri­sches Mskpt über die mensch­li­che Tugend nistet zwar bei Ihnen wie in einem Ägyp­ten, gegen den beth­leh­emi­ti­schen Kin­der­mord der Rezen­sen­ten geschirmt; allein ich möcht’ es doch haben. Zwar wäre mirs aus 2 Grün­den recht lieb, wenn Sie mir mei­nen Wil­len nicht thä­ten. Denn ich hät­te dan doch bei Ihnen immer einen Vor­wand lie­gen, unter wel­chem ich mir das Ver­gnü­gen an Sie zu schrei­ben her­aus­neh­men könn­te. Und zwei­tens hätt’ ich das Mis­ver­gnü­gen nicht, durch die Erin­ne­rung mei­ner lit­tera­ri­schen Töl­pe­liah­re und deren Mis- und Nach­ge­bur­ten gede­müt­higt zu wer­den; denn das Manu­skript wird mich gewis dadurch erbo­ßen, daß ich damit nicht nur das Publi­kum ergözen wol­le son­dern auch Sie. Allein ich habe auf der andern Sei­te 2 stär­ke­re Gegen­grün­de war­um Sie mir doch zu Wil­len sein sol­len. Ich will 1) das Mspt mit mei­ner zur Oster­mes­se aus­ge­kro­che­nen ‘Aus­wahl aus den Papie­ren des Teu­fels’ zusam­men­hal­ten, um zu sehen, ob der offi­zi­nel­le u. hei­len­de Tadel, die Sie ienem ein­ga­ben, die­se pur­girt habe. Der zwei­te Gegen­grund ist .….. ia war­lich vor 3 Minu­ten wußt’ ich ihn noch u. er ist mir vor einen Augen­blik aus dem Kopfe …“

Für das Natio­nal­ar­chiv der Richard-Wag­ner-Stif­tung konn­te des­sen Lei­ter Dr. Sven Fried­rich wei­ter­hin einen Brief des fran­zö­si­schen Kom­po­ni­sten Ernest Chaus­son (1855–1899) erstei­gern, in wel­chem sich die­ser sehr kennt­nis­reich über Wag­ner und des­sen Wer­ke äußert. Der Brief ist damit ein inter­es­san­tes Doku­ment zur fran­zö­si­schen Wag­ner-Rezep­ti­on im 19. Jahrhundert.

Wei­ter­hin konn­te Fried­rich einen bis­lang unbe­kann­ten Brief Richard Wag­ners vom 5. Novem­ber 1871 an die Musik­ver­le­ge­rin Gio­van­ni­na Luc­ca, geb. Straz­za, die Ehe­frau des Mai­län­der Ver­le­gers Fran­ces­co Luc­ca in fran­zö­si­scher Spra­che erwer­ben. Wag­ner dankt hier für die Unter­stüt­zung des Ehe­paars Luc­ca bei der „Lohengrin“-Aufführung am Teat­ro Com­mu­na­le von Bolo­gna am 1. Novem­ber 1871 unter der Lei­tung von Ange­lo Maria­ni, der ersten Auf­füh­rung eines Wag­ner-Werks in Ita­li­en über­haupt. Eine wei­te­re Auf­füh­rung vier Tage spä­ter wur­de auch von Giu­sep­pe Ver­di besucht.

Schließ­lich konn­ten 9 Kor­rek­tur­fah­nen sei­nes Auf­sat­zes „Erin­ne­run­gen an Auber“ über den im Mai 1871 ver­stor­be­nen Kom­po­ni­sten mit eigen­hän­di­gen Ände­run­gen und Ergän­zun­gen Wag­ners für das Natio­nal­ar­chiv gesi­chert wer­den. Der Auf­satz erschien am 31. Okto­ber 1871 im Leip­zi­ger „Musi­ka­li­schen Wochen­blatt“. Ins­be­son­de­re für die soeben an der Uni­ver­si­tät Würz­burg begon­ne­ne histo­risch-kri­ti­sche Edi­ti­on von Wag­ners Schrif­ten sind die­se Fah­nen­kor­rek­tu­ren ein wich­ti­ges Dokument.