Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Ein Was­ser­spei­cher im Erdmantel

Symbolbild Bildung

In „Natu­re“: Neue For­schungs­er­geb­nis­se erhär­ten eine fast 20 Jah­re alte Vor­her­sa­ge von Bay­reu­ther Geowissenschaftlern

Es ist natür­lich Sci­ence Fic­tion, wenn Jules Ver­ne in sei­nem Roman „Die Rei­se zum Mit­tel­punkt der Erde“ eine Expe­di­ti­on beschreibt, die zu einem rie­si­gen unter­ir­di­schen Meer führt. Doch es steckt ein Fun­ken Wahr­heit auch in die­ser fan­ta­sti­schen Geschich­te. Bereits 1996 hat­te eine For­schungs­grup­pe am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth auf­grund von Hoch­druck-Expe­ri­men­ten vor­her­ge­sagt, dass der Erd­man­tel gro­ße Was­ser­men­gen ent­hal­te – aller­dings nicht in flüs­si­gem Zustand, son­dern che­misch gelöst in der Kri­stall­struk­tur des Mine­rals Ring­woo­dit, das einen Haupt­be­stand­teil der Über­gangs­zo­ne des Erd­man­tels in 520 bis 660 km Tie­fe dar­stellt. Jetzt haben For­scher um den kana­di­schen Geo­che­mi­ker D.G. Pear­son die dama­li­ge Hypo­the­se erst­mals an einer natür­li­chen Gesteins­pro­be erhär­tet. Die­sen Erfolg kom­men­tiert Prof. Dr. Hans Kepp­ler, der in den 1990er Jah­ren an den Bay­reu­ther Hoch­druck-Expe­ri­men­ten wesent­lich betei­ligt war und noch heu­te am BGI tätig ist, in der aktu­el­len Aus­ga­be des Wis­sen­schafts­ma­ga­zin „Natu­re“.

Schon vor meh­re­ren Jahr­zehn­ten waren Geo­wis­sen­schaft­ler zu der Über­zeu­gung gelangt, dass das Mine­ral Oli­vin des obe­ren Erd­man­tels sich tief in der Über­gangs­zo­ne zum unte­ren Erd­man­tel in eine unge­wöhn­li­che Modi­fi­ka­ti­on umwan­delt, näm­lich den Ring­woo­dit. Hier­bei han­delt es sich um Kri­stal­le mit einer Struk­tur, die als Spi­nell­struk­tur bezeich­net wird. In der Natur wur­de Ring­woo­dit erst­mals 1969 in Meteo­ri­ten gefun­den, wo die­ses Mine­ral infol­ge extre­mer schock­ar­ti­ger Drücke ent­stan­den sein muss­te. Bei die­ser Ent­deckung erhielt es sei­nen Namen zu Ehren des austra­li­schen Geo­wis­sen­schaft­lers Alfred E. Ring­wood, dem es weni­ge Jah­re zuvor gelun­gen war, die­ses Mine­ral erst­mals zu synthetisieren.

Bald dar­auf wur­de Ring­woo­dit auch in den Hoch­druck-Labo­ra­to­ri­en des Bay­reu­ther Geo­in­sti­tuts her­ge­stellt. Hier ent­deck­te die For­scher­grup­pe Mit­te der 1990er Jah­re, dass Ring­woo­dit in der Lage ist, Was­ser zu spei­chern. Die ana­ly­sier­ten Kri­stal­le bestan­den bis zu zwei Pro­zent ihres Gewichts aus che­misch gelö­stem Wasser.

„Die­se Befun­de haben uns damals sehr über­rascht“, erin­nert sich Prof. Kepp­ler. „Es stell­te sich her­aus, dass der Anteil an gelö­stem Was­ser im Ring­woo­dit erheb­lich höher war als in ande­ren Mine­ra­li­en; höher auch als in ‚nor­ma­lem’ Oli­vin, das kei­nen extre­men Drücken aus­ge­setzt war und nicht die kri­stal­li­ne Spi­nell­struk­tur auf­wies. Des­halb führ­ten uns ther­mo­dy­na­mi­sche Über­le­gun­gen zu der Vor­her­sa­ge, dass die Über­gangs­zo­ne zum unte­ren Erd­man­tel – wo Ring­woo­dit in einer sta­bi­len Form vor­liegt – sehr stark mit Was­ser ange­rei­chert sein müs­se.“ In den Fol­ge­jah­ren gelang es aller­dings nicht, die­se Hypo­the­se ein­deu­tig zu veri­fi­zie­ren. Das lag ins­be­son­de­re auch dar­an, dass alle mess­ba­ren Eigen­schaf­ten der im Erd­man­tel ent­hal­te­nen Mine­ra­li­en nicht allein vom Anteil des gelö­sten Was­sers, son­dern auch von wei­te­ren Fak­to­ren – wie bei­spiels­wei­se der Tem­pe­ra­tur – abhängen.

Die­se Situa­ti­on hat sich jedoch grund­le­gend geän­dert durch die Stu­die, die das For­schungs­team um D.G. Pear­son jetzt in der glei­chen Aus­ga­be von „Natu­re“ vor­stellt. Erst­mals wur­de ein Ring­woo­dit-Kri­stall in einem Dia­man­ten ent­deckt, der aus der Über­gangs­zo­ne zum unte­ren Erd­man­tel stammt. „Ich habe nicht damit gerech­net, einen sol­chen sen­sa­tio­nel­len Fund zu erle­ben“, meint Prof. Kepp­ler. „Ver­mut­lich ist die­ser Dia­mant mit extrem hoher Geschwin­dig­keit, mög­li­cher­wei­se bei einem explo­si­ons­ar­ti­gen Vul­kan­aus­bruch, aus dem Erd­man­tel auf die Erd­ober­flä­che geschleu­dert wor­den.“ Die Wis­sen­schaft­ler an der kana­di­schen Uni­ver­si­ty of Alber­ta haben unter­sucht, in wel­cher Form und zu wel­chem Anteil Was­ser dar­in gelöst ist. Die Ergeb­nis­se sind frap­pie­rend: Sie stim­men mit hoher Genau­ig­keit mit den Mes­sun­gen über­ein, die vor fast zwei Jahr­zehn­ten im Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut durch­ge­führt wurden.

Ist der Fund reprä­sen­ta­tiv für das gesam­te Gestein, das sich in einer Tie­fe zwi­schen 520 und 660 km befin­det und damit den unte­ren Bereich der Über­gangs­zo­ne aus­macht? Wenn ja, wür­de dies bedeu­ten, dass in die­sem Teil des Erd­man­tels eine rie­si­ge Was­ser­men­ge gespei­chert ist – unge­fähr so groß wie alle Ozea­ne auf der Erde zusam­men­ge­nom­men, aber in che­misch gelö­ster Form und nicht im flüs­si­gen Zustand. „Wir kön­nen nicht mit Sicher­heit sagen, ob der in der Über­gangs­zo­ne ent­hal­te­ne Ring­woo­dit über­all einen eben­so hohen Gehalt an gespei­cher­tem Was­ser auf­weist wie die jetzt auf­ge­fun­de­ne Gesteins­pro­be“, meint Prof. Kepp­ler. „Aber dass die­ser Bereich des Erd­man­tels nur wenig oder über­haupt kein Was­ser ent­hält, ist auf­grund der neu­en For­schungs­er­geb­nis­se ziem­lich unwahrscheinlich.“

Ver­öf­fent­li­chung:

Hans Kepp­ler, Earth’s deep water reservoir,
Natu­re 507, 174–175 (13 March 2014), Published online 12 March 2014

DOI: 10.1038/507174a