Erste Rote Liste wan­dern­der Vogel­ar­ten Deutschlands

Erst­mals durch­zie­hen­de und über­win­tern­de Gast­vö­gel berück­sich­tigt – LBV und NABU for­dern bes­se­ren Schutz von Zugvögeln

Zum ersten Mal in Deutsch­land ist in den „Berich­ten zum Vogel­schutz“ des Deut­schen Rats für Vogel­schutz (DRV) eine Rote Liste wan­dern­der Vogel­ar­ten für Deutsch­land ver­öf­fent­licht wor­den. Bis­her exi­stier­te die Rote Liste nur für in Deutsch­land brü­ten­de Arten, ohne dabei die 500 Mil­lio­nen durch­zie­hen­den oder über­win­tern­den Gast­vö­gel zu berück­sich­ti­gen. Ein Vier­tel aller Zug­vo­gel­ar­ten sind dem­nach in ihrem Bestand gefähr­det. Die neue Rote Liste zeigt die immense inter­na­tio­na­le Bedeu­tung Deutsch­lands für Gast­vo­gel­ar­ten wie die Brand­gans, die Sam­ten­te oder den Knutt auf, aber auch die Abhän­gig­keit der natio­na­len Zug­vo­gel­be­stän­de von effek­ti­vem inter­na­tio­na­lem Schutz. Der Lan­des­bund für Vogel­schutz (LBV) und sein Part­ner NABU for­dern daher die voll­stän­di­ge Umset­zung der euro­päi­schen Vogel­schutz­richt­li­nie und eines UN-Abkom­mens zum Schutz wan­dern­der Vogel­ar­ten, der Bon­ner Konvention.

Wie inter­na­tio­nal üblich, ergibt sich der Gefähr­dungs­grad einer Art aus ihrer Häu­fig­keit in Ver­bin­dung mit Bestands­ver­än­de­run­gen und beson­de­ren Risi­ko­fak­to­ren. Ins­ge­samt wur­den rund 25 Pro­zent aller Arten als gefähr­det ein­ge­stuft. Wei­te­re 10 Pro­zent ste­hen auf der Vor­warn­li­ste. Die Situa­ti­on bei den Gast­vö­geln ist damit etwas bes­ser als bei Deutsch­lands Brut­vö­geln, denn dort gel­ten 50 Pro­zent aller Arten als bedroht.

Unter den Zug­vö­geln sind die­je­ni­gen Arten wesent­lich stär­ker bedroht, die als Lang­strecken­zie­her bis süd­lich der Saha­ra flie­gen, wäh­rend Arten mit nur kur­zen Wan­de­run­gen inner­halb Euro­pas weni­ger gefähr­det sind. Auch die Arten der Agrar­land­schaft und die­je­ni­gen der Küsten und Mee­re sind beson­ders stark gefährdet.

„Zug­vö­gel ken­nen kei­ne Gren­zen, und damit hängt der Schutz von Zug­vö­geln von inter­na­tio­na­ler Zusam­men­ar­beit ab. Dafür gibt es mit der EU-Vogel­schutz­richt­li­nie und dem dazu­ge­hö­ri­gen Netz von Vogel­schutz­ge­bie­ten in Euro­pa eine her­vor­ra­gen­de gesetz­li­che Grund­la­ge. Aber auch über Euro­pa hin­aus muss im Rah­men der Bon­ner Kon­ven­ti­on zum Schutz wan­dern­der Tier­ar­ten mit ande­ren Län­dern gear­bei­tet wer­den“, beton­te Lars Lach­mann, NABU-Vogel­schutz­ex­per­te, der Mit­her­aus­ge­ber der Publi­ka­ti­on ist.

Eine der in der Liste auf­ge­führ­ten gefähr­de­ten Arten ist der Kuckuck, des­sen Zug­ver­hal­ten der LBV im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Pro­jek­tes mit modern­sten tech­ni­schen Metho­den erforscht. „Bis­lang kön­nen wir die Ursa­chen für den Rück­gang des Kuckucks nicht schlüs­sig erklä­ren und hof­fen, auf Basis der neu gewon­ne­nen Erkennt­nis­se Schutz­maß­nah­men für Zug­vö­gel ansto­ßen zu kön­nen“, erläu­ter­te Dr. Andre­as von Lind­ei­ner, LBV-Artenschutzreferent.

Deutsch­land ist jedoch nicht nur Brut- und Rast­ge­biet für Zug­vö­gel, son­dern für vie­le nörd­li­che Arten auch ein wich­ti­ges Über­win­te­rungs­ge­biet. Ein Vier­tel des glo­bal bedroh­ten Welt­be­stands der Sam­ten­te über­win­tert in der deut­schen Ost­see, wo die Art durch Bei­fang in Fischer­net­zen gefähr­det ist. „Der NABU arbei­tet daher mit Fischern vor Ort, um die für tau­chen­de Vögel töd­li­chen Stell­net­ze durch bei­fang­ar­me Fang­me­tho­den zu erset­zen“, berich­te­te Lach­mann. Jeder fünf­te Stern­tau­cher über­win­tert in deut­schen Nord­see­ge­wäs­sern, wo sein Lebens­raum durch Off­shore-Wind­an­la­gen ein­ge­schränkt wird. „Dar­um kri­ti­siert der NABU scharf den geplan­ten Bau des Off­shore-Wind­parks Buten­diek, der mit­ten im Haupt­kon­zen­tra­ti­ons­ge­biet der Stern­tau­cher, einem EU-Vogel­schutz­ge­biet west­lich von Sylt, gele­gen ist.“

Die Ver­bän­de for­dern, in Deutsch­land und Euro­pa end­lich den wirk­sa­men Schutz der EU-Vogel­schutz­ge­bie­te umzu­set­zen und die Jagd auf im Bestand abneh­men­de Zug­vo­gel­ar­ten voll­stän­dig ein­zu­stel­len. Dar­über hin­aus ist eine inten­si­ve Zusam­men­ar­beit mit den afri­ka­ni­schen Ziel­län­dern unse­rer Zug­vö­gel von Nöten. Sie sehen dabei auch die neue Bun­des­re­gie­rung in der Pflicht, die sich im Koali­ti­ons­ver­trag einen ver­bes­ser­ten Schutz von Zug­vö­geln vor­ge­nom­men hat.

Die Rote Liste wan­dern­der Vogel­ar­ten wur­de ver­öf­fent­licht im jetzt erschie­ne­nen Band 49/50 (2013) der „Berich­te zum Vogel­schutz“, der von Deut­schem Rat für Vogel­schutz (DRV) und Natur­schutz­bund Deutsch­land (NABU) her­aus­ge­ge­be­nen Zeit­schrift. Exem­pla­re die­ser Zeit­schrift kön­nen unter bzv@​lbv.​de bzw. beim LBV-Arten­schutz­re­fe­rat, Eis­vo­gel­weg 1, 91161 Hil­polt­stein zum Stück­preis von 15€ zzgl. Ver­sand­ko­sten bestellt werden.

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