Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Ein neu­es Ver­fah­ren för­dert Quan­ten­kryp­to­gra­phie und Quanten-Computing

Symbolbild Bildung

Daten sicher zu ver­schlüs­seln, ist eine Her­aus­for­de­rung nicht nur für die Infor­ma­tik, son­dern auch für die phy­si­ka­li­sche Grund­la­gen­for­schung. Am Phy­si­ka­li­schen Insti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hat Dr. Mar­tin Gläßl jetzt durch theo­re­ti­sche Berech­nun­gen gezeigt, wie lei­stungs­stark ein neu­es Ver­fah­ren arbei­tet, das von zen­tra­ler Bedeu­tung für die Quan­ten­kryp­to­gra­phie – eine neu­ar­ti­ge Ver­schlüs­se­lungs­tech­no­lo­gie – ist. Das Ver­fah­ren wur­de erst kürz­lich an der Uni­ver­si­tät Stutt­gart ent­wickelt. Im For­schungs­ma­ga­zin „Natu­re Pho­to­nics“ berich­ten die Wis­sen­schaft­ler gemein­sam über ihre weg­wei­sen­den Ergebnisse.

Vor­aus­set­zun­gen der Quantenkryptographie

Licht kann in der Phy­sik alter­na­tiv als Teil­chen oder als Wel­le beschrie­ben wer­den. Im Teil­chen­mo­dell des Lichts wer­den die Licht­quan­ten, also die klein­sten „Ein­hei­ten“ des Lichts, als Pho­to­nen bezeich­net. Die Quan­ten­kryp­to­gra­phie ist eine Tech­no­lo­gie, die vor­wie­gend mit Pho­to­nen arbei­tet und eine abhör­si­che­re Kom­mu­ni­ka­ti­on ermög­licht. Damit die­se Tech­no­lo­gie mit der ange­streb­ten Zuver­läs­sig­keit zum Ein­satz kom­men kann, müs­sen wie­der­holt – und zwar auf Knopf­druck und in genau defi­nier­ten zeit­li­chen Abstän­den – ein­zel­ne Paa­re von Pho­to­nen erzeugt wer­den, die spe­zi­el­le Eigen­schaf­ten besit­zen. Zunächst ein­mal müs­sen die Licht­quan­ten, die jeweils paar­wei­se ent­ste­hen sol­len, unun­ter­scheid­bar sein; sie müs­sen also bei­spiels­wei­se die glei­che Wel­len­län­ge auf­wei­sen. Dar­über hin­aus ist es erfor­der­lich, dass sie pola­ri­sa­ti­ons­ver­schränkt sind. Dies bedeu­tet: Wird die Pola­ri­sa­ti­on – also die Schwin­gungs­rich­tung – eines der bei­den Pho­to­nen gemes­sen, kann dadurch zugleich die Pola­ri­sa­ti­on des zwei­ten Pho­tons ermit­telt wer­den; und zwar unab­hän­gig davon, wie weit die bei­den Part­ner­pho­to­nen räum­lich von­ein­an­der ent­fernt sind, und obwohl die Pola­ri­sa­ti­on jedes ein­zel­nen der bei­den Pho­to­nen vor der Mes­sung kom­plett unbe­stimmt war.

Mit hoher Zuver­läs­sig­keit rea­li­siert: Pho­to­nen­paa­re „on demand“

Es war schon län­ger bekannt, dass nano­struk­tu­rier­te Halb­lei­ter, die in der For­schung als Quan­ten­punk­te bezeich­net wer­den, für die Erzeu­gung sol­cher Pho­to­nen­paa­re beson­ders gut geeig­net sind. Durch einen kur­zen elek­tri­schen oder opti­schen Puls kön­nen die­se Punk­te gezielt anregt wer­den, damit anschlie­ßend Pho­to­nen aus­ge­sen­det wer­den. Aller­dings ent­ste­hen die Pho­to­nen­paa­re mit den gewünsch­ten Eigen­schaf­ten und in vor­her­sag­ba­rer Wei­se nur dann, wenn spe­zi­el­le Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind: Der opti­sche Puls – bei­spiels­wei­se erzeugt von einem Laser – muss im Quan­ten­punkt zwei Elek­tro­nen simul­tan auf das glei­che höhe­re, exakt defi­nier­te Ener­gie­ni­veau heben; in die­sem Fall ent­ste­hen par­al­lel dazu zwei glei­che Elek­tro­nen­fehl­stel­len, soge­nann­te Löcher. Fal­len die Elek­tro­nen kur­ze Zeit spä­ter auf das nied­ri­ge­re Niveau zurück, ver­schwin­den die Löcher, und es wer­den zwei Pho­to­nen erzeugt: im Ide­al­fall unun­ter­scheid­bar und polarisationsverschränkt.

Die­sen Vor­gang gleich­sam auf Bestel­lung zu rea­li­sie­ren und in defi­nier­ten Abstän­den zu wie­der­ho­len, gestal­tet sich in der Pra­xis äußerst schwie­rig. Denn die ver­wen­de­ten Objek­te sind sehr klein: Ein Quan­ten­punkt hat eine Aus­deh­nung von nur weni­gen Nano­me­tern. Zudem ist die Dau­er des ver­wen­de­ten Laser­pul­ses extrem kurz; sie liegt typi­scher­wei­se im Bereich des bil­li­ard­sten Teils einer Sekun­de. Und nicht zuletzt kann die unmit­tel­ba­re Umge­bung der Quan­ten­punk­te eine geziel­te ener­ge­ti­sche Anre­gung stö­rend beeinflussen.

Am Insti­tut für Halb­lei­ter­op­tik und Funk­tio­nel­le Grenz­flä­chen der Uni­ver­si­tät Stutt­gart ist es nun jedoch einer expe­ri­men­tel­len Arbeits­grup­pe unter der Lei­tung von Prof. Dr. Peter Mich­ler gelun­gen, die­se Schwie­rig­kei­ten zu über­win­den. Es wur­de ein Ver­suchs­auf­bau ent­wickelt, der es über einen „reso­nan­ten Zwei­pho­to­nen-Anre­gungs­pro­zess“ ermög­licht, mit hoher Zuver­läs­sig­keit und auf Knopf­druck wie­der­holt ein­zel­ne Paa­re von Pho­to­nen zu erzeu­gen, die sowohl unun­ter­scheid­bar als auch pola­ri­sa­ti­ons­ver­schränkt sind. Damit sind die Grund­la­gen für ein Ver­fah­ren gelegt, das bei­spiels­wei­se die Ver­schlüs­se­lung von Daten mit­hil­fe von Licht­quan­ten – aber auch wei­te­re Tech­no­lo­gien – erheb­lich vor­an­brin­gen kann.

Theo­re­ti­sche Berech­nun­gen veri­fi­zie­ren die expe­ri­men­tel­len Erfolge

Wie konn­te fest­ge­stellt wer­den, dass der neue Ver­suchs­auf­bau sich durch eine der­art hohe Zuver­läs­sig­keit aus­zeich­net? An die­ser Stel­le waren die For­schungs­ar­bei­ten von Dr. Mar­tin Gläßl am Phy­si­ka­li­schen Insti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth von zen­tra­ler Bedeu­tung. Mit theo­re­ti­schen Berech­nun­gen, die ins­be­son­de­re die Anre­gungs­zu­stän­de der Elek­tro­nen in den Quan­ten­punk­ten und die Ein­wir­kun­gen des umge­ben­den Halb­lei­ter-Mate­ri­als berück­sich­tig­ten, hat der Bay­reu­ther Phy­si­ker den reso­nan­ten Zwei­pho­ton-Anre­gungs­pro­zess mit hoher Genau­ig­keit model­liert. Erst die­se Model­lie­rung mach­te es mög­lich, die zuvor uner­reich­te Lei­stungs­fä­hig­keit des neu­en Ver­suchs­auf­baus zu veri­fi­zie­ren. „In 86 Pro­zent aller Fäl­le führt die geziel­te Anre­gung der Quan­ten­punk­te durch Laser­pul­se in den Expe­ri­men­ten unse­rer Stutt­gar­ter Kol­le­gen dazu, dass ein Paar unun­ter­scheid­ba­rer und ver­schränk­ter Pho­to­nen erzeugt wird“, erklärt Dr. Gläßl. „Damit wer­den die eher beschei­de­nen Erfolgs­ra­ten, die in frü­he­ren Expe­ri­men­ten erzielt wur­den, bei wei­tem übertroffen.“

Ein Mei­len­stein für die Ent­wick­lung des Quanten-Computing

Das neue Ver­fah­ren, das sich jetzt als der­art zuver­läs­sig erwie­sen hat, kommt nicht allein der Ver­schlüs­se­lung von Daten mit­hil­fe der Quan­ten­kryp­to­gra­phie zugu­te. „Es ist eben­so ein Mei­len­stein für vie­le wei­te­re Anwen­dun­gen der Quan­ten­in­for­ma­ti­ons­theo­rie, wie etwa das Quan­ten-Com­pu­ting“, meint Dr. Gläßl. „Dabei han­delt es sich um einen Com­pu­ter, der die Geset­ze der Quan­ten­me­cha­nik aus­nutzt um Pro­ble­me zu lösen, die her­kömm­li­che Rech­ner nicht effi­zi­ent lösen kön­nen, wie etwa die Fak­to­ri­sie­rung sehr gro­ßer Zah­len. Damit könn­te man dann bei­spiels­wei­se die heu­te gän­gi­gen Ver­schlüs­se­lungs­ver­fah­ren brechen.“

Dr. Mar­tin Gläßl hat an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ein Phy­sik­stu­di­um absol­viert und hier, geför­dert durch ein Pro­mo­ti­ons­sti­pen­di­um der Stu­di­en­stif­tung des deut­schen Vol­kes im Jah­re 2013, mit einer Arbeit über die quan­ten­dis­si­pa­ti­ve Dyna­mik in optisch getrie­be­nen Quan­ten­punk­ten pro­mo­viert. Der­zeit arbei­tet er an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth als Post­dok­to­rand am Lehr­stuhl Theo­re­ti­sche Phy­sik III, der von Prof. Dr. Voll­rath Mar­tin Axt gelei­tet wird.

Ver­öf­fent­li­chung:

M. Mül­ler, S. Boun­ouar, K. D. Jöns, M. Glässl and P. Michler,

On-demand gene­ra­ti­on of indi­stin­gu­is­ha­ble pola­rizati­on-ent­an­gled pho­ton pairs,

Natu­re Pho­to­nics 8, 224–228

DOI: 10.1038/nphoton.2013.377